Zur Geschichte der
Religion und Philosophie
in Deutschland

Vorreden

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Text by Heinrich Heine (1797-1856)


Vorrede zur ersten Auflage

Ich muß den deutschen Leser darauf besonders auf-
merksam machen, daß diese Blätter ursprünglich für 
eine französische Zeitschrift, die »Revue des deux 
mondes«, und zu einem bestimmten Zeitzweck abge-
faßt worden. Sie gehören nämlich zu einer Überschau 
deutscher Geistesvorgänge, wovon ich bereits früher 
dem französischen Publikum einige Teile vorgelegt 
und die auch in deutscher Sprache als Beiträge »Zur 
Geschichte der neueren schönen Literatur in Deutsch-
land« erschienen sind. Die Anforderungen der peri-
odischen Presse, Übelstände in der Ökonomie dersel-
ben, Mangel an wissenschaftlichen Hülfsmitteln, fran-
zösische Unzulänglichkeiten, ein neulich in Deutsch-
land promulgiertes Gesetz über ausländische Drucke, 
welches nur auf mich seine Anwendung fand, und der-
gleichen Hemmungen mehr erlaubten mir nicht, die 
verschiedenen Teile jener Überschau in chronologi-
scher Reihenfolge und unter einem Gesamttitel mitzu-
teilen. Das gegenwärtige Buch, trotz seiner inneren 
Einheit und seiner äußerlichen Geschlossenheit, ist 
also nur das Fragment eines größeren Ganzen.
Ich grüße die Heimat mit dem freundlichsten 
Gruße.

Geschrieben zu Paris, im Monat Dezember 1834
Heinrich Heine

Vorrede zur zweiten Auflage

Als die erste Auflage dieses Buches die Presse ver-
ließ und ich ein Exemplar desselben zur Hand nahm, 
erschrak ich nicht wenig ob den Verstümmelungen, 
deren Spur sich überall kundgab. Hier fehlte ein Bei-
wort, dort ein Zwischensatz, ganze Stellen waren aus-
gelassen, ohne Rücksicht auf die Übergänge, so daß 
nicht bloß der Sinn, sondern manchmal die Gesin-
nung selbst verschwand. Viel mehr die Furcht Cäsars 
als die Furcht Gottes leitete die Hand bei diesen Ver-
stümmelungen, und während sie alles politisch Ver-
fängliche ängstlich ausmerzte, verschonte sie selbst 
das Bedenklichste, das auf Religion Bezug hatte. So 
ging die eigentliche Tendenz dieses Buches, welche 
eine patriotisch-demokratische war, verloren, und un-
heimlich starrte mir daraus ein ganz fremder Geist 
entgegen, welcher an scholastisch-theologische Klopf-
fechtereien erinnert und meinem humanistisch-tole-
ranten Naturell tief zuwider ist.
Ich schmeichelte mir anfangs mit der Hoffnung, 
daß ich bei einem zweiten Abdruck die Lakunen die-
ses Buches wieder ausfüllen könne; doch keine 
Restauration der Art ist jetzt möglich, da bei dem gro-
ßen Brand zu Hamburg das Originalmanuskript im 
Hause meines Verlegers verlorengegangen. Mein Ge-
dächtnis ist zu schwach, als daß ich aus der Erinne-
rung nachhelfen könnte, und außerdem dürfte eine ge-
naue Durchsicht des Buches mir wegen des Zustandes
meiner Augen nicht erlaubt sein. Ich begnüge mich 
damit, daß ich nach der französischen Version, wel-
che früher als die deutsche gedruckt worden, einige 
der größern ausgelassenen Stellen aus dem Französi-
schen zurückübersetze und interkaliere. Eine dieser 
Stellen, welche in unzähligen französischen Blättern 
abgedruckt, diskutiert und auch in der vorjährigen 
französischen Deputiertenkammer von einem der 
größten Staatsmänner der Franzosen, dem Grafen 
Molé, besprochen worden, ist am Ende dieser neuen 
Ausgabe befindlich und mag zeigen, welche Bewandt-
nis es hat mit der Verkleinerung und Herabsetzung 
Deutschlands, deren ich mich, wie gewisse ehrliche 
Leute versicherten, dem Auslande gegenüber schuldig
gemacht haben soll. Äußerte ich mich in meinem 
Unmut über das alte, offizielle Deutschland, das ver-
schimmelte Philisterland - das aber keinen Goliath, 
keinen einzigen großen Mann hervorgebracht hat -, 
so wußte man das, was ich sagte, so darzustellen, als 
sei hier die Rede von dem wirklichen Deutschland, 
dem großen, geheimnisvollen, sozusagen anonymen 
Deutschland des deutschen Volkes, des schlafenden 
Souveränen, mit dessen Zepter und Krone die Meer-
katzen spielen. Solche Insinuation ward den ehrlichen
Leuten noch dadurch erleichtert, daß jede Kundgabe 
meiner wahren Gesinnung mir während einer langen 
Periode schier unmöglich war, besonders zur Zeit, als 
die Bundestagsdekrete gegen das »Junge Deutsch-
land« erschienen, welche hauptsächlich gegen mich 
gerichtet waren und mich in eine exzeptionell gebun-
dene Lage brachten, die unerhört in den Annalen der 
Preßknechtschaft. Als ich späterhin den Maulkorb 
etwas lüften konnte, blieben doch die Gedanken noch 
geknebelt.
Das vorliegende Buch ist Fragment und soll auch 
Fragment bleiben. Ehrlich gestanden, es wäre mir 
lieb, wenn ich das Buch ganz ungedruckt lassen 
könnte. Es haben sich nämlich seit dem Erscheinen 
desselben meine Ansichten über manche Dinge, be-
sonders über göttliche Dinge, bedenklich geändert, 
und manches, was ich behauptete, widerspricht jetzt 
meiner bessern Überzeugung. Aber der Pfeil gehört 
nicht mehr dem Schützen, sobald er von der Sehne 
des Bogens fortfliegt, und das Wort gehört nicht mehr
dem Sprecher, sobald es seiner Lippe entsprungen 
und gar durch die Presse vervielfältigt worden. Außer-
dem würden fremde Befugnisse mir mit zwingendem 
Einspruch entgegentreten, wenn ich dieses Buch 
ungedruckt ließe und meinen Gesamtwerken entzöge. 
Ich könnte zwar, wie manche Schriftsteller in solchen 
Fällen tun, zu einer Milderung der Ausdrücke, zu 
Verhüllungen durch Phrase meine Zuflucht nehmen; 
aber ich hasse im Grund meiner Seele die zweideuti-
gen Worte, die heuchlerischen Blumen, die feigen 
Feigenblätter. Einem ehrlichen Manne bleibt aber 
unter allen Umständen das unveräußerliche Recht, 
seinen Irrtum offen zu gestehen, und ich will es ohne 
Scheu hier ausüben. Ich bekenne daher unumwunden, 
daß alles, was in diesem Buche namentlich auf die 
große Gottesfrage Bezug hat, ebenso falsch wie unbe-
sonnen ist. Ebenso unbesonnen wie falsch ist die Be-
hauptung, die ich der Schule nachsprach, daß der De-
ismus in der Theorie zugrunde gerichtet sei und sich 
nur noch in der Erscheinungswelt kümmerlich hinfri-
ste. Nein, es ist nicht wahr, daß die Vernunftkritik, 
welche die Beweistümer für das Dasein Gottes, wie 
wir dieselben seit Anselm von Canterbury kennen, 
zernichtet hat, auch dem Dasein Gottes selber ein 
Ende gemacht habe. Der Deismus lebt, lebt sein le-
bendigstes Leben, er ist nicht tot, und am allerwenig-
sten hat ihn die neueste deutsche Philosophie getötet. 
Diese spinnwebige Berliner Dialektik kann keinen 
Hund aus dem Ofenloch locken, sie kann keine Katze 
töten, wieviel weniger einen Gott. Ich habe es am eig-
nen Leibe erprobt, wie wenig gefährlich ihr 
Umbringen ist; sie bringt immer um, und die Leute 
bleiben dabei am Leben. Der Türhüter der Hegel-
schen Schule, der grimme Ruge, behauptete einst steif
und fest oder vielmehr fest und steif, daß er mich mit 
seinem Portierstock in den »Hallischen Jahrbüchern« 
totgeschlagen habe, und doch zur selben Zeit ging ich 
umher auf den Boulevards von Paris, frisch und ge-
sund und unsterblicher als je. Der arme, brave Ruge! 
er selber konnte sich später nicht des ehrlichsten La-
chens enthalten, als ich ihm hier in Paris das Geständ-
nis machte, daß ich die fürchterlichen Totschlagblät-
ter, die »Hallischen Jahrbücher«, nie zu Gesicht be-
kommen hatte, und sowohl meine vollen roten Backen
als auch der gute Appetit, womit ich Austern schluck-
te, überzeugten ihn, wie wenig mir der Name einer 
Leiche gebührte. In der Tat, ich war damals noch ge-
sund und feist, ich stand im Zenit meines Fettes und 
war so übermütig wie der König Nebukadnezar vor 
seinem Sturze.
Ach! einige Jahre später ist eine leibliche und gei-
stige Veränderung eingetreten. Wie oft seitdem denke 
ich an die Geschichte dieses babylonischen Königs, 
der sich selbst für den lieben Gott hielt, aber von der 
Höhe seines Dünkels erbärmlich herabstürzte, wie ein
Tier am Boden kroch und Gras aß - (es wird wohl 
Salat gewesen sein). In dem prachtvoll grandiosen 
Buch Daniel steht diese Legende, die ich nicht bloß 
dem guten Ruge, sondern auch meinem noch viel ver-
stocktern Freunde Marx, ja auch den Herren Feuer-
bach, Daumer, Bruno Bauer, Hengstenberg, und wie 
sie sonst heißen mögen, diese gottlosen Selbstgötter, 
zur erbaulichen Beherzigung empfehle. Es stehen 
überhaupt noch viel schöne und merkwürdige Erzäh-
lungen in der Bibel, die ihrer Beachtung wert wären, 
z. B. gleich im Anfang die Geschichte von dem ver-
botenen Baume im Paradiese und von der Schlange, 
der kleinen Privatdozentin, die schon sechstausend 
Jahre vor Hegels Geburt die ganze Hegelsche Philo-
sophie vortrug. Dieser Blaustrumpf ohne Füße zeigt 
sehr scharfsinnig, wie das Absolute in der Identität 
von Sein und Wissen besteht, wie der Mensch zum 
Gotte werde durch die Erkenntnis oder, was dasselbe 
ist, wie Gott im Menschen zum Bewußtsein seiner 
selbst gelange. - Diese Formel ist nicht so klar wie 
die ursprünglichen Worte: »Wenn ihr vom Baume der
Erkenntnis genossen, werdet ihr wie Gott sein!« Frau 
Eva verstand von der ganzen Demonstration nur das 
eine, daß die Frucht verboten sei, und weil sie verbo-
ten, aß sie davon, die gute Frau. Aber kaum hatte sie 
von dem lockenden Apfel gegessen, so verlor sie ihre 
Unschuld, ihre naive Unmittelbarkeit, sie fand, daß 
sie viel zu nackend sei für eine Person von ihrem 
Stande, die Stammutter so vieler künftigen Kaiser und
Könige, und sie verlangte ein Kleid. Freilich nur ein 
Kleid von Feigenblättern, weil damals noch keine 
Lyoner Seidenfabrikanten geboren waren und weil es 
auch im Paradiese noch keine Putzmacherinnen und 
Modehändlerinnen gab - o Paradies! Sonderbar, 
sowie das Weib zum denkenden Selbstbewußtsein 
kommt, ist ihr erster Gedanke ein neues Kleid! Auch 
diese biblische Geschichte, zu mal die Rede der 
Schlange, kommt mir nicht aus dem Sinn und ich 
möchte sie als Motto diesem Buche voransetzen, in 
derselben Weise, wie man oft vor fürstlichen Gärten 
eine Tafel sieht mit der warnenden Aufschrift: »Hier 
liegen Fußangeln und Selbstschüsse.«
Ich habe mich bereits in meinem jüngsten Buche, 
im »Romanzero«, über die Umwandlung ausgespro-
chen, welche in bezug auf göttliche Dinge in meinem 
Geiste stattgefunden. Es sind seitdem mit christlicher 
Zudringlichkeit sehr viele Anfragen an mich ergan-
gen, auf welchem Wege die bessere Erleuchtung über 
mich gekommen. Fromme Seelen scheinen darnach zu
lechzen, daß ich ihnen irgendein Mirakel aufbinde, 
und sie möchten gerne wissen, ob ich nicht wie Sau-
lus ein Licht erblickte auf dem Wege nach Damaskus 
oder ob ich nicht wie Barlam, der Sohn Boers, einen 
stätigen Esel geritten, der plötzlich den Mund auftat 
und zu sprechen begann wie ein Mensch. Nein, ihr 
gläubigen Gemüter, ich reiste niemals nach Damas-
kus, ich weiß nichts von Damaskus, als daß jüngst die
dortigen Juden beschuldigt worden, sie fräßen alte 
Kapuziner, und der Name der Stadt wäre mir viel-
leicht ganz unbekannt, hätte ich nicht das Hohelied 
gelesen, wo der König Salomo die Nase seiner Ge-
liebten mit einem Turm vergleicht, der gen Damaskus
schaut. Auch sah ich nie einen Esel, nämlich keinen 
vierfüßigen, der wie ein Mensch gesprochen hätte, 
während ich Menschen genug traf, die jedesmal, wenn
sie den Mund auftaten, wie Esel sprachen. In der Tat, 
weder eine Vision noch eine seraphitische Ver-
zückung noch eine Stimme vom Himmel, auch kein 
merkwürdiger Traum oder sonst ein Wunderspuk 
brachte mich auf den Weg des Heils, und ich verdan-
ke meine Erleuchtung ganz einfach der Lektüre eines 
Buches - Eines Buches? Ja, und es ist ein altes, 
schlichtes Buch, bescheiden wie die Natur, auch na-
türlich wie diese; ein Buch, das werkeltägig und an-
spruchslos aussieht, wie die Sonne, die uns wärmt, 
wie das Brot, das uns nährt; ein Buch, das so traulich,
so segnend gütig uns anblickt wie eine alte Großmut-
ter, die auch täglich in dem Buche liest, mit den lie-
ben, bebenden Lippen und mit der Brille auf der 
Nase - und dieses Buch heißt auch ganz kurzweg das 
Buch, die Bibel. Mit Fug nennt man diese auch die 
Heilige Schrift; wer seinen Gott verloren hat, der kann
ihn in diesem Buche wiederfinden, und wer ihn nie 
gekannt, dem weht hier entgegen der Odem des 
göttlichen Wortes. Die Juden, welche sich auf Kost-
barkeiten verstehen, wußten sehr gut, was sie taten, 
als sie bei dem Brande des zweiten Tempels die gol-
denen und silbernen Opfergeschirre, die Leuchter und 
Lampen, sogar den hohenpriesterlichen Brustlatz mit 
den großen Edelsteinen im Stich ließen und nur die 
Bibel retteten. Diese war der wahre Tempelschatz, 
und derselbe ward gottlob nicht ein Raub der Flam-
men oder des Titus Vespasianus, des Bösewichts, der 
ein so schlechtes Ende genommen, wie die Rabbiner 
erzählen. Ein jüdischer Priester, der zweihundert Jahr 
vor dem Brand des zweiten Tempels, während der 
Glanzperiode des Ptolemäers Philadelphus, zu Jerusa-
lem lebte und Josua ben Siras ben Eliezer hieß, hat in 
einer Gnomensammlung, »Meschalim«, in bezug auf 
die Bibel den Gedanken seiner Zeit ausgesprochen, 
und ich will seine schönen Worte hier mitteilen. Sie 
sind sazerdotal feierlich und doch zugleich so er-
quickend frisch, als wären sie erst gestern einer leben-
den Menschenbrust entquollen, und sie lauten wie 
folgt:
»Dies alles ist eben das Buch des Bundes, mit dem 
höchsten Gott gemacht, nämlich das Gesetz, welches 
Mose dem Hause Jakob zum Schatz befohlen hat. 
Daraus die Weisheit geflossen ist, wie das Wasser 
Pison, wenn es groß ist: und wie das Wasser Tigris, 
wenn es übergehet in Lenzen. Daraus der Verstand 
geflossen ist, wie der Euphrates, wenn er groß ist, und
wie der Jordan in der Ernte. Aus demselben ist her-
vorbrochen die Zucht, wie das Licht und wie das 
Wasser Nilus im Herbst. Er ist nie gewesen, der es 
ausgelernt hätte: und wird nimmermehr werden, der es
ausgründen möchte. Denn sein Sinn ist reicher, weder
kein Meer: und sein Wort tiefer, denn kein Abgrund.«

Geschrieben zu Paris, im Wonnemond 1852
Heinrich Heine


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