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Die Stadt Lucca | Schlußwort

und

Englische Fragmente

I-VI | VII-XI

Text by Heinrich Heine (1797-1856)

VII
Die Schuld

Als ich noch sehr jung war, gab es drei Dinge, die 
mich ganz vorzüglich interessierten, wenn ich Zeitun-
gen las. Zuvörderst, unter dem Artikel »Großbritanni-
en«, suchte ich gleich, ob Richard Martin keine neue 
Bittschrift für die mildere Behandlung der armen Pfer-
de, Hunde und Esel dem Parlamente übergeben. 
Dann, unter dem Artikel »Frankfurt«, suchte ich nach,
ob der Herr Doktor Schreiber nicht wieder beim Bun-
destag für die großherzoglich hessischen Domänen-
käufer eingekommen. Hierauf aber fiel ich gleich über
die Türkei her und durchlas das lange Konstantinopel,
um nur zu sehen, ob nicht wieder ein Großwesir mit 
der seidenen Schnur beehrt worden.
Dieses letztere gab mir immer den meisten Stoff 
zum Nachdenken. Daß ein Despot seinen Diener ohne
Umstände erdrosseln läßt, fand ich ganz natürlich. 
Sah ich doch einst in der Menagerie, wie der König 
der Tiere so sehr in majestätischen Zorn geriet, daß er
gewiß manchen unschuldigen Zuschauer zerrissen 
hätte, wäre er nicht in einer sichern Konstitution, die 
aus eisernen Stangen verfertigt war, eingesperrt gewe-
sen. Aber was mich wundernahm, war immer der Um-
stand, daß nach der Erdrosselung des alten Herrn 
Großwesirs sich immer wieder jemand fand, der Lust 
hatte, Großwesir zu werden.
Jetzt, wo ich etwas älter geworden bin und mich 
mehr mit den Engländern als mit ihren Freunden, den 
Türken, beschäftige, ergreift mich ein analoges Er-
staunen, wenn ich sehe, wie nach dem Abgang eines 
englischen Premierministers gleich ein anderer sich an
dessen Stelle drängt und dieser andere immer ein 
Mann ist, der auch ohne dieses Amt zu leben hätte 
und auch (Wellington ausgenommen) nichts weniger 
als ein Dummkopf ist. Schrecklicher als durch die sei-
dene Schnur endigen ja alle englischen Minister, die 
länger als ein Semester dieses schwere Amt verwaltet.
Besonders ist dieses der Fall seit der französischen 
Revolution; Sorg' und Not haben sich vermehrt in 
Downing Street, und die Last der Geschäfte ist kaum 
zu ertragen.
Einst waren die Verhältnisse in der Welt weit ein-
facher, und die sinnigen Dichter verglichen den Staat 
mit einem Schiffe und den Minister mit dessen Steuer-
mann. Jetzt aber ist alles komplizierter und verwickel-
ter, das gewöhnliche Staatsschiff ist ein Dampfboot 
geworden, und der Minister hat nicht mehr ein einfa-
ches Ruder zu regieren, sondern als verantwortlicher 
Engineer steht er unten zwischen dem ungeheuern 
Maschinenwerk, untersucht ängstlich jedes Eisenstift-
chen, jedes Rädchen, wodurch etwa eine Stockung 
entstehen könnte, schaut Tag und Nacht in die 
lodernde Feueresse und schwitzt vor Hitze und 
Sorge - sintemalen durch das geringste Versehen von 
seiner Seite der große Kessel zerspringen und bei die-
ser Gelegenheit Schiff und Mannschaft zugrunde 
gehen könnte. Der Kapitän und die Passagiere erge-
hen sich unterdessen ruhig auf dem Verdecke, ruhig 
flattert die Flagge auf dem Seitenmast, und wer das 
Boot so ruhig dahinschwimmen sieht, ahnet nicht, 
welche gefährliche Maschinerie und welche Sorge und
Not in seinem Bauche verborgen ist.
Frühzeitigen Todes sinken sie dahin, die armen 
verantwortlichen Engineers des englischen Staats-
schiffes. Rührend ist der frühe Tod des großen Pitt, 
rührender der Tod des größeren Fox. Perceval wäre an
der gewöhnlichen Ministerkrankheit gestorben, wenn 
nicht ein Dolchstoß ihn schneller abgefertigt hätte. 
Diese Ministerkrankheit war es ebenfalls, was den 
Lord Castlereagh so zur Verzweiflung brachte, daß er
sich die Kehle abschnitt zu North-Cray in der Graf-
schaft Kent. Lord Liverpool sank auf gleiche Weise in
den Tod des Blödsinns. Canning, den göttergleichen 
Canning, sahen wir, vergiftet von hochtoryschen Ver-
leumdungen, gleich einem kranken Atlas, unter seiner 
Welthürde niedersinken. Einer nach dem andern wer-
den sie eingescharrt in Westminster, die armen Mini-
ster, die für Englands Könige Tag und Nacht denken 
müssen, während diese, gedankenlos und wohlbeleibt,
dahinleben bis ins höchste Menschenalter.
Wie heißt aber die große Sorge, die Englands Mi-
nistern Tag und Nacht im Gehirne wühlt und sie 
tötet? Sie heißt: the debt, die Schuld.
Schulden, ebenso wie Vaterlandsliebe, Religion, 
Ehre usw., gehören zwar zu den Vorzügen des Men-
schen - denn die Tiere haben keine Schulden - , aber 
sie sind auch eine ganz vorzügliche Qual der Mensch-
heit, und wie sie den einzelnen zugrunde richten, so 
bringen sie auch ganze Geschlechter ins Verderben, 
und sie scheinen das alte Fatum zu ersetzen in den 
Nationaltragödien unserer Zeit. England kann diesem 
Fatum nicht entgehen, seine Minister sehen die 
Schrecknisse herannahen und sterben mit der Ver-
zweiflung der Ohnmacht.
Wäre ich königlich preußischer Oberlandeskalkula-
tor oder Mitglied des Geniekorps, so würde ich in ge-
wohnter Weise die ganze Summe der englischen 
Schuld in Silbergroschen berechnen und genau ange-
ben, wievielmal man damit die große Friedrichstraße 
oder gar den ganzen Erdball bedecken könnte. Aber 
das Rechnen war nie meine Force, und ich möchte lie-
ber einem Engländer das fatale Geschäft überlassen, 
seine Schulden aufzuzählen und die daraus entste-
hende Ministernot herauszurechnen. Dazu taugt nie-
mand besser als der alte Cobbett, und aus der letzten 
Nummer seines »Registers« liefre ich folgende 
Erörterungen.
»Der Zustand der Dinge ist folgender:
1. Diese Regierung oder vielmehr diese Aristokra-
tie und Kirche oder auch, wie ihr wollt, diese Regie-
rung borgte eine große Summe Geldes, wofür sie 
viele Siege, sowohl Land- als Seesiege, gekauft hat - 
eine Menge Siege, von jeder Sorte und Größe.
2. Indessen muß ich zuvor bemerken, aus welcher 
Veranlassung und zu welchem Zwecke man diese 
Siege gekauft hat: Die Veranlassung (occasion) war 
die französische Revolution, die alle aristokratischen
Vorrechte und geistlichen Zehnten niedergerissen 
hatte; und der Zueck war die Verhütung einer Parla-
mentsreform in England, die wahrscheinlich ein ähnli-
ches Niederreißen aller aristokratischen Vorrechte 
und geistlichen Zehnten zur Folge gehabt hätte.
3. Um nun zu verhüten, daß das Beispiel der Fran-
zosen nicht von den Engländern nachgeahmt würde, 
war es nötig, die Franzosen anzugreifen, sie in ihren 
Fortschritten zu hemmen, ihre neuerlangte Freiheit zu 
gefährden, sie zu verzweifelten Handlungen zu treiben
und endlich die Revolution zu einem solchen Schreck-
bilde, zu einer solchen Völkerscheuche zu machen, 
daß man sich unter dem Namen der Freiheit nichts als
ein Aggregat von Schlechtigkeit, Greuel und Blut vor-
stellen und das englische Volk, in der Begeisterung 
seines Schreckens, dahin gebracht würde, sich sogar 
ordentlich zu verlieben in jene greuelhaft-despotische 
Regierung, die einst in Frankreich blühte und die 
jeder Engländer von jeher verabscheute, seit den 
Tagen Alfreds des Großen bis herab auf Georg den 
Dritten.
4. Um jene Vorsätze auszuführen, bedurfte man der
Mithülfe verschiedener fremder Nationen; diese Na-
tionen wurden daher mit englischem Gelde unterstützt
(subsidised); französische Emigranten wurden mit 
englischem Gelde unterhalten; kurz, man führte einen 
zweiundzwanzigjährigen Krieg, um jenes Volk nie-
derzudrücken, das sich gegen aristokratische Vor-
rechte und geistliche Zehnten erhoben hatte.
5. Unsere Regierung also erhielt ›unzählige Siege‹ 
über die Franzosen, die, wie es scheint, immer ge-
schlagen worden; aber diese unsere unzähligen Siege 
waren gekauft, d.h. sie wurden erfochten von Mietlin-
gen, die wir für Geld dazu gedungen hatten, und wir 
hatten in unserem Solde zu einer und derselben Zeit 
ganze Scharen von Franzosen, Holländern, Schwei-
zern, Italienern, Russen, Österreichern, Bayern, Hes-
sen, Hannoveranern, Preußen, Spaniern, Portugiesen, 
Neapolitanern, Maltesern, und Gott weiß, wie viele 
Nationen noch außerdem.
6. Durch solches Mieten fremder Dienste und durch
Benutzung unserer eigenen Flotte und Landmacht 
kauften wir so viele Siege über die Franzosen, welche
arme Teufel kein Geld hatten, um ebenfalls derglei-
chen einzuhandeln, so daß wir endlich ihre Revoluti-
on überwältigten, die Aristokratie bei ihnen bis zu 
einer gewissen Stufe wiederherstellten, jedoch um 
alles in der Welt willen die geistlichen Zehnten nicht 
ebenfalls restaurieren konnten.
7. Nachdem wir diese große Aufgabe glücklich 
vollbracht und auch dadurch jede Parlamentsreform in
England hintertrieben hatten, erhob unsere Regierung 
ein brüllendes Siegesgeschrei, wobei sie ihre Lunge 
nicht wenig anstrengte und auch lautmöglichst unter-
stützt wurde von jeder Kreatur in diesem Lande, die 
auf eine oder die andere Art von den öffentlichen 
Taxen lebte.
8. Beinahe ganze zwei Jahre dauerte der über-
schwengliche Freudenrausch bei dieser damals so 
glücklichen Nation; zur Feier jener Siege drängten 
sich Jubelfeste, Volksspiele, Triumphbogen, Lust-
kämpfe und dergleichen Vergnügungen, die mehr als 
eine Viertelmillion Pfund Sterlinge kosteten, und das 
Haus der Gemeinen bewilligte einstimmig eine unge-
heure Summe (ich glaube drei Million Pfund Ster-
ling), um Triumphbögen, Denksäulen und andere Mo-
numente zu errichten und damit die glorreichen Er-
eignisse des Krieges* zu verewigen.
9. Beständig, seit dieser Zeit, hatten wir das Glück,
unter der Regierung ebenderselben Personen zu leben,
die unsere Angelegenheiten in besagtem glorreichen 
Kriege geführt hatten.
10. Beständig, seit dieser Zeit, lebten wir in einem 
tiefen Frieden mit der ganzen Welt; man kann anneh-
men, daß dieses noch jetzt der Fall ist, ungeachtet un-
serer kleinen zwischenspieligen Rauferei mit den Tür-
ken; und daher sollte man denken, es könne keine Ur-
sache in der Welt geben, weshalb wir jetzt nicht 
glücklich sein sollten, wir haben ja Frieden, unser 
Boden bringt reichlich seine Früchte, und, wie die 
Weltweisen und Gesetzgeber unserer Zeit eingeste-
hen, wir sind die allererleuchtetste Nation auf der gan-
zen Erde. Wir haben wirklich überall Schulen, um die
heranwachsende Generation zu unterrichten; wir 
haben nicht allein einen Rektor oder Vikar oder Kura-
ten in jedem Kirchsprengel des Königreichs, sondern 
wir haben in jedem dieser Kirchsprengel vielleicht 
noch sechs Religionslehrer, wovon jeder von einer an-
dern Sorte ist als seine vier Kollegen, dergestalt, daß 
unser Land hinlänglich mit Unterricht jeder Art ver-
sorgt ist, kein Mensch dieses glücklichen Landes im 
Zustande der Unwissenheit leben wird - und daher 
unser Erstaunen um so größer sein muß, wie irgend 
jemand, der ein Premierminister dieses glücklichen 
Landes werden soll, dieses Amt als eine so schwere 
und schwierige Last ansieht.
11. Ach, wir haben ein einziges Unglück, und das 
ist ein wahres Unglück: wir haben nämlich einige 
Siege gekauft - sie waren herrlich - es war ein gutes 
Geschäft - sie waren drei- oder viermal soviel wert, 
als wir dafür gaben, wie Frau Tweazle ihrem Manne 
zu sagen pflegt, wenn sie vom Markte nach Hause 
kommt - es war große Nachfrage und viel Begehr 
nach Siegen - kurz, wir konnten nichts Vernünftige-
res tun, als uns zu so billigem Preise mit einer so gro-
ßen Portion Ruhm zu versehen.
12. Aber, ich gestehe es bekümmerten Herzens, wir
haben, wie manche andere Leute, das Geld geborgt, 
womit wir diese Siege gekauft, als wir dieser Siege 
bedurften, deren wir jetzt auf keine Weise wieder los-
werden können, ebensowenig wie ein Mann seines 
Weibes los wird, wenn er einmal das Glück gehabt 
hat, sich die holde Bescherung aufzuladen.
13. Daher geschieht's, daß jeder Minister, der unse-
re Angelegenheiten übernimmt, auch sorgen muß für 
die Bezahlung unserer Siege, worauf eigentlich noch 
kein Pfennig abbezahlt worden.
14. Er braucht zwar nicht dafür zu sorgen, daß das 
ganze Geld, welches wir borgten, um Siege dafür zu 
kaufen, ganz auf einmal, Kapital und Zinsen, bezahlt 
werde; aber für die regelmäßige Auszahlung der Zin-
sen muß er, leider Gottes! ganz bestimmt sorgen; und 
diese Zinsen, zusammengerechnet mit dem Solde der 
Armee und anderen Ausgaben, die von unseren 
Siegen herrühren, sind so bedeutend, daß ein Mensch 
ziemlich starke Nerven haben muß, wenn er das Ge-
schäftchen übernehmen will, für die Bezahlung dieser 
Summen zu sorgen.
15. Früherhin, ehe wir uns damit abgaben, Siege 
einzuhandeln und uns allzu reichlich mit Ruhm zu 
versorgen, trugen wir schon eine Schuld von wenig 
mehr als zweihundert Millionen, während alle Ar-
mengelder in England und Wales zusammen nicht 
mehr als zwei Millionen jährlich betrugen und wäh-
rend wir noch nichts von jener Last hatten, die unter 
dem Namen dead weight uns jetzt aufgebürdet ist und
ganz aus unserm Durst nach Ruhm hervorgegangen.
16. Außer diesem Gelde, das von Kreditoren ge-
borgt worden, die es freiwillig hergaben, hat unsere 
Regierung, aus Durst nach Siegen, auch indirekt bei 
den Armen eine große Anleihe gemacht, d.h. sie stei-
gerte die gewöhnlichen Taxen bis auf eine solche 
Höhe, daß die Armen weit mehr als jemals niederge-
drückt wurden und daß sich die Anzahl der Armen 
und Armengelder erstaunlich vergrößerte.
17. Die Armengelder stiegen von zwei Millionen 
jährlich auf acht Millionen; die Armen haben nun 
gleichsam ein Pfandrecht, eine Hypothek auf das 
Land; und hier ergibt sich also wieder eine Schuld 
von sechs Millionen, welche man hinzurechnen muß 
zu jenen anderen Schulden, die unsere Passion für 
Ruhm und der Einkauf unserer Siege verursacht hat.
18. The dead weight besteht aus Leibrenten, die 
wir unter dem Namen Pensionen einer Menge von 
Männern, Weibern und Kindern verabreichen, als eine
Belohnung für die Dienste, welche jene Männer beim 
Erlangen unserer Siege geleistet haben oder geleistet 
haben sollen.
19. Das Kapital der Schuld, welche diese Regie-
rung kontrahiert hat, um sich Siege zu verschaffen, 
besteht ungefähr in folgenden Summen:

Hinzugekommene Summe
zu der Nationalschuld: 800.000.000

Hinzugekommene Summe 
zur eigentlichen Armengelderschuld: 150.000.000

Dead weight als Kapital
einer Schuld berechnet 175.000.000

Pf. St. 1.125.000.000

d.h. elfhundertundfünfundzwanzig Millionen zu fünf 
Prozent ist der Betrag jener jährlichen sechsundfunf-
zig Millionen; ja, dieses ist ungefähr der jetzige Be-
trag, nur daß die Armengelderschuld nicht in den 
Rechnungen, die dem Parlamente vorgelegt werden, 
aufgeführt ist, indem sie das Land gleich direkt in den
verschiedenen Kirchspielen bezahlt. Will man daher 
jene sechs Millionen von den sechsundvierzig Millio-
nen abziehen, so ergibt sich, daß die Staatsschuld-
gläubiger und das dead-weight-Volk wirklich alles 
übrige verschlingen.
20. Indessen, die Armengelder sind ebensogut eine 
Schuld wie die Schuld der Staatsschuldgläubiger und 
augenscheinlich aus derselben Quelle entsprungen. 
Von der schrecklichen Last der Taxen werden die 
Armen zu Boden gedrückt; jeder andere wird zwar 
auch davon gedrückt, aber jeder, außer den Armen, 
wußte diese Last mehr oder weniger von seinen 
Schultern abzuwälzen, und sie fiel endlich mit fürch-
terlichem Gewichte ganz auf die Armen, und diese 
verloren ihre Bierfässer, ihre kupfernen Kessel, ihre 
zinnernen Teller, ihre Wanduhr, ihre Betten und bis 
auf ihr Handwerksgeräte, sie verloren ihre Kleider 
und mußten sich in Lumpen hüllen, sie verloren das 
Fleisch von ihren Knochen - Sie konnten nicht weiter
aufs Äußerste getrieben werden, und von dem, was 
man ihnen genommen, gab man ihnen wieder etwas 
zurück unter dem Namen von vermehrten Armengel-
dern. Diese sind daher eine wahre Schuld, ein wahres
Pfandrecht auf das Land. Die Interessen dieser Schuld
können zwar zurückgehalten werden, aber wenn die-
ses geschieht, würden die Personen, die solche zu 
fordern haben, in Masse herbeikommen und sich für 
den Betrag, gleichviel in welcher Währung, bezahlt 
machen. Dieses ist also eine wahre Schuld und eine 
Schuld, die man bei Heller und Pfennig bezahlen 
wird, und zwar, ich bemerke es ausdrücklich, wird 
man ihr ein Vorrecht vor allen anderen Schulden ge-
statten.
21. Es ist also nicht nötig, sich sehr zu wundern, 
wenn man die Not derjenigen sieht, die solche Ge-
schäfte übernehmen! Es ist zu verwundern, daß sich 
überhaupt jemand zu einer solchen Übernahme ver-
steht, wenn ihm nicht anheimgestellt wird, nach Gut-
dünken eine radikale Umwandlung des ganzen Sy-
stems vorzunehmen.
22. Hier gibt's keine Möglichkeit der Aushülfe, 
wenn man die jährliche Ausgabe der Staatsgläubiger-
schuld und der deadweight-Schuld herabzusetzen 
sucht; um solches Herabsetzen der Schuld, solche Re-
duktion dem Lande anzumuten, um zu verhindern, 
daß sie große Umwälzungen hervorbringe, um zu ver-
hindern, daß nicht eine halbe Million Menschen in 
und um London dadurch vor Hunger sterben müssen, 
da ist nötig, daß man zuvor weit verhältnismäßigere 
Reduktionen anderswo* vornehme, ehe man die Re-
duktion jener obigen zwei Schulden oder ihrer Interes-
sen versuchen wollte.
23. Wie wir bereits gesehen haben, die Siege 
wurden gekauft, in der Absicht, um Parlamentsreform 
in England zu verhindern und die aristokratischen 
Vorrechte und geistlichen Zehnten aufrechtzuerhalten;
es wäre daher eine himmelschreiende Greueltat, ent-
zögen wir ihre rechtmäßigen Zinsen jenen Leuten, die 
uns das Geld geborgt, oder entzögen wir gar ihre Be-
zahlung denjenigen Leuten, die uns die Hände ver-
mietet, wodurch wir die Siege erlangt haben; es wäre 
eine Greueltat, die Gottes Rache auf uns laden würde,
wenn wir dergleichen täten, während die einträglichen
Ehrenämter der Aristokratie, ihre Pensionen, Sineku-
ren, königlichen Schenkungen, Militärbelohnungen 
und endlich gar die Zehnten des Klerus unangetastet 
blieben!
24. Hier, hier also liegt die Schwierigkeit: Wer 
Minister wird, wird Minister eines Landes, das eine 
große Passion für Siege gehabt, auch sich hinlänglich 
damit versehen und sich unerhört viel militärischen 
Ruhm verschafft - aber leider diese Herrlichkeiten 
noch nicht bezahlt hat und nun dem Minister über-
läßt, die Rechnung zu berichtigen, ohne daß dieser 
weiß, woher er das Geld nehmen soll.«
Das sind Dinge, die einen Minister ins Grab 
drücken, wenigstens des Verstandes berauben kön-
nen. England ist mehr schuldig, als es bezahlen kann. 
Man rühme nur nicht, daß es Indien und reiche Kolo-
nien besitzt. Wie sich aus den letzten 
Parlamentsdebatten ergibt, zieht der englische Staat 
keinen Heller eigentlicher Einkünfte aus seinem gro-
ßen, unermeßlichen Indien, ja er muß dorthin noch ei-
nige Millionen Zuschuß bezahlen. Dieses Land nutzt 
England bloß dadurch, daß einzelne Briten, die sich 
dort bereichert, durch ihre Schätze die Industrie und 
den Geldumlauf des Mutterlandes befördern und tau-
send andere durch die Indische Kompanie Brot und 
Versorgung gewinnen. Die Kolonien ebenfalls liefern 
dem Staate keine Einkünfte, bedürfen des Zuschusses 
und dienen zur Beförderung des Handels und zur Be-
reicherung der Aristokratie, deren Nepoten als Gou-
verneure und Unterbeamte dahin geschickt werden. 
Die Bezahlung der Nationalschuld fällt daher ganz 
allein auf Großbritannien und Irland. Aber auch hier 
sind die Ressourcen nicht so beträglich wie die 
Schuld selbst. Wir wollen ebenfalls hier Cobbett 
sprechen lassen:
»Es gibt Leute, die, um eine Art Aushülfe anzuge-
ben, von den Ressourcen des Landes* sprechen. Dies
sind die Schüler des seligen Colquhoun, eines Die-
besfängers, der ein großes Buch geschrieben, um zu 
beweisen, daß unsere Schuld uns nicht im mindesten 
besorgt machen darf, indem sie so klein sei in Ver-
hältnis zu den Ressourcen der Nation; und damit 
seine klugen Leser eine bestimmte Idee von der Uner-
meßlichkeit dieser Ressourcen bekommen mögen, 
machte er eine Abschätzung von allem, was im Lande
vorhanden ist, bis herab auf die Kaninchen, und 
schien sogar zu bedauern, daß er nicht füglich die 
Ratten und Mäuse mitrechnen konnte. Den Wert der 
Pferde, Kühe, Schafe, Ferkelchen, Federvieh, Wild-
bret, Kaninchen, Fische, den Wert der Hausgeräte, 
Kleider, Feuerung, Zucker, Gewürze, kurz, von allem 
im Lande macht er ein Ästimatum; und dann, nach-
dem er das Ganze assummiert und den Wert der Län-
dereien, Bäume, Häuser, Minen, den Ertrag des Gra-
ses, des Korns, die Rüben und das Flachs hinzuge-
rechnet und eine Summe von Gott weiß wie vielen 
tausend Millionen herausgebracht hat, grinst er in 
pfiffig prahlerisch schottischer Manier, ungefähr wie 
ein Truthahn, und hohnlachend fragt er Leute meines-
gleichen: ›Mit Ressourcen wie diese, fürchtet ihr da 
noch einen Nationalbankrott?‹
Dieser Mann bedachte nicht, daß man Häuser nötig
hat, um darin zu leben, die Ländereien, damit sie Fut-
ter liefern, die Kleider, damit man seine Blöße be-
decke, die Kühe, damit sie Milch geben, den Durst zu
löschen, das Hornvieh, Schafe, Schweine, Geflügel 
und Kaninchen, damit man sie esse, ja, der Teufel 
hole diesen widersinnigen Schotten! diese Dinge sind 
nicht dafür da, daß sie verkauft und die National-
schulden damit bezahlt werden. Wahrhaftig, er hat 
noch den Taglohn der Arbeitsleute zu den Ressourcen
der Nation gerechnet! Dieser dumme Teufel von Die-
besfänger, den seine Brüder in Schottland zum Dok-
tor geschlagen, weil er ein so vorzügliches Buch ge-
schrieben, er scheint ganz vergessen zu haben, daß 
Arbeitsleute ihren Taglohn selbst bedürfen, um sich 
dafür etwas Essen und Trinken zu schaffen. Er konnte
ebensogut den Wert des Blutes in unseren Adern ab-
schätzen, als ein Stoff, wovon man allenfalls Blut-
würste machen könnte!«
Soweit Cobbett. Während ich seine Worte in deut-
scher Sprache niederschreibe, bricht er leibhaftig 
selbst wieder hervor in meinem Gedächtnisse, und 
wie vorig Jahr bei dem lärmigen Mittagsessen in 
Crown and Anchor Tavern, sehe ich ihn wieder mit 
seinem scheltend roten Gesichte und seinem radikalen
Lächeln, worin der giftigste Todeshaß gar schauerlich
zusammenschmilzt mit der höhnischen Freude, die 
den Untergang der Feinde ganz sicher voraussieht.
Tadle mich niemand, daß ich Cobbett zitiere! Man 
mag ihn immerhin der Unredlichkeit, der Scheltsucht 
und eines allzu ordinären Wesens beschuldigen; aber 
man kann nicht leugnen, daß er viel beredsamen Geist
besitzt und daß er sehr oft, und in obiger Darstellung 
ganz und gar, recht hat. Er ist ein Kettenhund, der 
jeden, den er nicht kennt, gleich wütend anfällt, oft 
den besten Freund des Hauses in die Waden beißt, 
immer bellt und eben wegen jenes unaufhörlichen 
Bellens nicht gehört wird, wenn er einmal einem 
wirklichen Diebe entgegenbellt. Deshalb halten es 
jene vornehmen Diebe, die England plündern, nicht 
einmal für nötig, dem knurrenden Cobbett einen 
Brocken zuzuwerfen und ihm damit das Maul zu 
stopfen. Dieses wurmt den Hund am bittersten, und er
fletscht die hungrigen Zähne.
Alter Cobbett! Hund von England! ich liebe dich 
nicht, denn fatal ist mir jede gemeine Natur; aber du 
dauerst mich bis in tiefster Seele, wenn ich sehe, wie 
du dich von deiner Kette nicht losreißen und jene 
Diebe nicht erreichen kannst, die lachend vor deinen 
Augen ihre Beute fortschleppen und deine vergebli-
chen Sprünge und dein ohnmächtiges Geheul verspot-
ten.

VIII
Die Oppositionsparteien

Einer meiner Freunde hat die Opposition im Parla-
mente sehr treffend mit einer Oppositionskutsche ver-
glichen. Bekanntlich ist das eine öffentliche Stagekut-
sche, die irgendeine spekulierende Gesellschaft auf 
ihre Kosten instituiert, und zwar zu so spottwohlfei-
len Preisen fahren läßt, daß die Reisenden ihr gern 
den Vorzug geben vor den schon vorhandenen 
Stagekutschen. Diese letztern müssen dann ebenfalls 
ihre Preise heruntersetzen, um Passagiere zu behalten,
werden aber bald von der neuen Oppositionskutsche 
überboten oder vielmehr unterboten, ruinieren sich 
durch solche Konkurrenz und müssen am Ende ihr 
Fahren ganz einstellen. Hat aber die Oppositionskut-
sche auf solche Art das Feld gewonnen und ist sie 
jetzt auf einer bestimmten Tour die einzige, so erhöht 
sie ihre Preise, oft sogar den Preis der verdrängten 
Kutsche übersteigend, und der arme Reisende hat 
nichts gewonnen, hat oft sogar verloren und zahlt und 
flucht, bis eine neue Oppositionskutsche wieder das 
vorige Spiel erneut und neue Hoffnungen und neue 
Täuschungen entstehen.
Wie übermütig wurden die Whigs, als die Stuart-
sche Partei erlag und die protestantische Dynastie den
englischen Thron bestieg! Die Tories bildeten damals 
die Opposition, und John Bull, der arme Staatspassa-
gier, hatte Ursache, vor Freude zu brüllen, als sie die 
Oberhand gewannen. Aber seine Freude war von kur-
zer Dauer, er mußte jährlich mehr und mehr Fuhrlohn 
ausgeben, es wurde viel bezahlt und schlecht gefah-
ren, die Kutscher wurden obendrein sehr grob, und es 
gab nichts als Rütteln und Stöße, jeder Eckstein droh-
te Umsturz - und der arme John dankte Gott, seinem 
Schöpfer, als unlängst die Zügel des Staatswagens in 
bessere Hände kamen.
Leider dauerte die Freude wieder nicht lange, der 
neue Oppositionskutscher fiel tot vom Bock herab, 
der andere stieg ängstlich herunter, als die Pferde 
scheu wurden, und die alten Wagenlenker, die alten 
Reuter mit goldenen Sporen, haben wieder ihre alten 
Plätze eingenommen, und die alte Peitsche knallt.
Ich will das Bild nicht weiter zu Tode hetzen und 
kehre zurück zu den Worten »Whigs« und »Tories«, 
die ich oben zur Bezeichnung der Oppositionsparteien
gebraucht habe, und einige Erörterung dieser Namen 
ist vielleicht um so fruchtbarer, je mehr sie seit langer
Zeit dazu gedient haben, die Begriffe zu verwirren.
Wie im Mittelalter die Namen Ghibellinen und 
Guelfen durch Umwandlungen und neue Ereignisse 
die vagesten und veränderlichsten Bedeutungen er-
hielten, so auch späterhin in England die Namen 
Whigs und Tories, deren Entstehungsart man kaum 
noch anzugeben weiß. Einige behaupten, es seien frü-
herhin Spottnamen gewesen, die am Ende zu honetten
Parteinamen wurden, was oft geschieht, wie z.B. der 
Geusenbund sich selbst nach dem Spottnamen les 
gueux taufte, wie auch späterhin die Jakobiner sich 
selbst manchmal Sansculotten benannten und wie die 
heutigen Servilen und Obskuranten sich vielleicht 
einst selbst diese Namen als ruhmvolle Ehrennamen 
beilegen - was sie freilich jetzt noch nicht können. 
Das Wort »Whig« soll in Irland etwas unangenehm
Sauertöpfisches bedeutet haben und dort zuerst zur 
Verhöhnung der Presbyterianer oder überhaupt der 
neuen Sekten gebraucht worden sein. Das Wort 
»Tory«, welches zu derselben Zeit als Parteibenen-
nung aufkam, bedeutete in Irland eine Art schäbiger 
Diebe. Beide Spottnamen kamen in Umlauf zur Zeit 
der Stuarts, während der Streitigkeiten zwischen den 
Sekten und der herrschenden Kirche.
Die allgemeine Ansicht ist: die Partei der Tories 
neige sich ganz nach der Seite des Thrones und kämp-
fe für die Vorrechte der Krone, wohingegen die Partei 
der Whigs mehr nach der Seite des Volks hinneige 
und dessen Rechte beschütze. Indessen, diese Annah-
men sind vage und gelten zumeist nur in Büchern. 
Jene Benennungen könnte man vielmehr als Koteri-
enamen ansehen. Sie bezeichnen Menschen, die bei 
gewissen Streitfragen zusammenhalten, deren Vorfah-
ren und Freunde schon bei solchen Anlässen zusam-
menhielten und die, in politischen Stürmen, Freude 
und Ungemach und die Feindschaft der Gegenpartei 
gemeinschaftlich zu tragen pflegten. Von Prinzipien 
ist gar nicht die Rede, man ist nicht einig über gewis-
se Ideen, sondern über gewisse Maßregeln in der 
Staatsverwaltung, über Abschaffung oder Beibehal-
tung gewisser Mißbräuche, über gewisse Bills, gewis-
se erbliche questions - gleichviel aus welchem Ge-
sichtspunkte, meistens aus Gewohnheit. - Die 
Engländer lassen sich nicht durch die Parteinamen ir-
remachen. Wenn sie von Whigs sprechen, so haben 
sie nicht dabei einen bestimmten Begriff, wie wir 
z.B., wenn wir von Liberalen sprechen, wo wir uns 
gleich Menschen vorstellen, die über gewisse Frei-
heitsrechte herzinnig einverstanden sind - sondern sie
denken sich eine äußerliche Verbindung von Leuten, 
deren jeder, nach seiner Denkweise beurteilt, gleich-
sam eine Partei für sich bilden würde und die nur, wie
schon oben erwähnt ist, durch äußere Anlässe, durch 
zufällige Interessen, durch Freundschafts- und Feind-
schaftsverhältnisse gegen die Tories ankämpfen. Hier-
bei dürfen wir uns ebenfalls keinen Kampf gegen Ari-
stokraten in unserem Sinne denken, da diese Tories in
ihren Gefühlen nicht aristokratischer sind als die 
Whigs und oft sogar nicht aristokratischer als der 
Bürgerstand selbst, der die Aristokratie für ebenso 
unwandelbar hält wie Sonne, Mond und Sterne, der 
die Vorrechte des Adels und des Klerus nicht bloß als
staatsnützlich, sondern als eine Naturnotwendigkeit 
ansieht und vielleicht selbst für diese Vorrechte mit 
weit mehr Eifer kämpfen würde als die Aristokraten 
selbst eben weil er fester daran glaubt als diese, die 
zumeist den Glauben an sich selbst verloren. In dieser
Hinsicht liegt über dem Geist der Engländer noch 
immer die Nacht des Mittelalters, die heilige Idee von
der bürgerlichen Gleichheit aller Menschen hat sie 
noch nicht erleuchtet, und manchen bürgerlichen 
Staatsmann in England, der torysch gesinnt ist, dürfen
wir deshalb beileibe nicht servil nennen und zu jenen 
wohlbekannten servilen Hunden zählen, die frei sein 
könnten und dennoch in ihr altes Hundeloch zurück-
gekrochen sind und jetzt die Sonne der Freiheit anbel-
len.
Um die englische Opposition zu begreifen, sind 
daher die Namen Whigs und Tories völlig nutzlos, 
mit Recht hat Francis Burdett beim Anfange der Sit-
zungen voriges Jahr bestimmt ausgesprochen, daß 
diese Namen jetzt alle Bedeutung verloren; und Tho-
mas Lethbridge, den der Schöpfer der Welt und des 
Verstandes nicht mit allzuviel Witz ausgerüstet, hat 
damals dennoch einen sehr guten Witz, vielleicht den 
einzigen seines Lebens, über diese Äußerung Burdetts
gerissen, nämlich: »He has untoried the tories and un-
wigged the whigs.«
Bedeutungsvoller sind die Namen reformers oder 
radical reformers oder kurzweg radicals. Sie werden 
gewöhnlich für gleichbedeutend gehalten, sie zielen 
auf dasselbe Gebrechen des Staates, auf dieselbe heil-
same Abhülfe und unterscheiden sich nur durch mehr 
oder minder starke Färbung. Jenes Gebrechen ist die 
bekannte schlechte Art der Volksrepräsentation, wo 
sogenannte rotten boroughs, verschollene, unbe-
wohnte Ortschaften oder besser gesagt die 
Oligarchen, denen sie gehören, das Recht haben, 
Volksrepräsentanten ins Parlament zu schicken, wäh-
rend große, bevölkerte Städte, namentlich viele neuere
Fabrikstädte, keinen einzigen Repräsentanten zu wäh-
len haben; die heilsame Abhülfe dieses Gebrechens 
ist die sogenannte Parlamentsreform. Nun freilich, 
diese betrachtet man nicht als Zweck, sondern als 
Mittel. Man hofft, daß das Volk dadurch auch eine 
bessere Vertretung seiner Interessen, Abschaffung ari-
stokratischer Mißbräuche und Hülfe in seiner Not ge-
winnen würde. Es läßt sich denken, daß die Parla-
mentsreform, diese gerechte, billige Anforderung, 
auch unter den gemäßigten Menschen, die nichts we-
niger als Jakobiner sind, ihre Verfechter findet, und 
wenn man solche Leute reformers nennt, betont man 
dieses Wort ganz anders, und himmelweit ist es als-
dann unterschieden von dem Worte radical, auf dem 
ein ganz anderer Ton gelegt wird, wenn man z.B. von 
Hunt oder Cobbett, kurz, von jenen heftigen, 
fletschenden Revolutionären spricht, die nach Parla-
mentsreform schreien, um den Umsturz aller Formen, 
den Sieg der Habsucht und völlige Pöbelherrschaft 
herbeizuführen. Die Nuancen in den Gesinnungen der 
Koryphäen dieser Partei sind daher unzählig. Aber, 
wie gesagt, die Engländer kennen sehr gut ihre Leute, 
der Namen täuscht nicht das Publikum, und dieses 
unterscheidet sehr genau, wo der Kampf nur Schein 
und wo er Ernst ist. Oft lange Jahre hindurch ist der 
Kampf im Parlamente nicht viel mehr als ein müßiges
Spiel, ein Turnier, wo man für die Farbe kämpft, die 
man sich aus Grille gewählt hat; gibt es aber einmal 
einen ernsten Krieg, so eilt jeder gleich unter die 
Fahne seiner natürlichen Partei. Dieses sahen wir in 
der Canningschen Zeit. Die heftigsten Gegner verei-
nigten sich, als es Kampf der positivsten Interessen 
galt; Tories, Whigs und Radikalen scharten sich, wie 
eine Phalanx, um den kühnen, bürgerlichen Minister, 
der den Übermut der Oligarchen zu dämpfen versuch-
te. Aber ich glaube dennoch, mancher hochgeborne 
Whig, der stolz hinter Canning saß, würde gleich zu 
der alten Foxhuntersippschaft übergetreten sein, wenn
plötzlich die Abschaffung aller Adelsrechte zur Spra-
che gekommen wäre. Ich glaube (Gott verzeih' mir die
Sünde), Francis Burdett selbst, der in seiner Jugend 
zu den heftigsten Radikalen gehörte und noch jetzt 
nicht zu den milderen reformers gerechnet wird, 
würde sich bei einem solchen Anlasse sehr schnell 
neben Sir Thomas Lethbridge gesetzt haben. Dieses 
fühlen die plebejischen Radikalen sehr gut, und des-
halb hassen sie die sogenannten Whigs, die für Parla-
mentsreform sprechen, sie hassen sie fast noch mehr 
wie die eigentlich hochfeindseligen Tories.
In diesem Augenblick besteht die englische Oppo-
sition mehr aus eigentlichen Reformern als aus 
Whigs. Der Chef der Opposition im Unterhause, the 
leader of the opposition, gehört unstreitig zu jenen 
letztern. Ich spreche hier von Brougham.
Die Reden dieses mutigen Parlamentshelden lesen 
wir täglich in den Zeitblättern, und seine Gesinnungen
dürfen wir daher als allgemein bekannt voraussetzen. 
Weniger bekannt sind die persönlichen Eigentümlich-
keiten, die sich bei diesen Reden kundgeben, und 
doch muß man erstere kennen, um letztere vollgeltend
zu begreifen. Das Bild, das ein geistreicher Engländer
von Broughams Erscheinung im Parlamente entwirft, 
mag daher hier seine Stelle finden:
»Auf der ersten Bank, zur linken Seite des Spre-
chers, sitzt eine Gestalt, die so lange bei der Studier-
lampe gehockt zu haben scheint, bis nicht bloß die 
Blüte des Lebens, sondern die Lebenskraft selbst zu 
erlöschen begonnen; und doch ist es diese scheinbar 
hülflose Gestalt, die alle Augen des ganzen Hauses 
auf sich zieht und die, sowie sie sich in ihrer mechani-
schen, automatischen Weise zum Aufstehen bemüht, 
alle Schnellschreiber hinter uns in fluchende Bewe-
gung setzt, während alle Lücken auf der Galerie, als 
sei sie ein massives Steingewölbe, ausgefüllt werden 
und durch die beiden Seitentüren noch das Gewicht 
der draußenstehenden Menschenmenge hereindrängt. 
Unten im Hause scheint sich ein gleiches Interesse 
kundzugeben; denn sowie jene Gestalt sich langsam 
in einer vertikalen Krümmung oder vielmehr in einem
vertikalen Zickzack steif zusammengefügter Linien 
auseinanderwickelt, sind die paar sonstigen Zeloten 
auf beiden Seiten, die sich schreiend entgegendämmen
wollten, schnell wieder auf ihre Sitze zurückgesun-
ken, als hätten sie eine verborgene Windbüchse unter 
der Robe des Sprechers bemerkt.
Nach diesem vorbereitenden Geräusch und wäh-
rend der atemlosen Stille, die darauf folgte, hat sich 
Henry Brougham langsam und bedächtigen Schrittes 
dem Tische genähert und bleibt dort zusammenge-
bückt stehen - die Schultern in die Höhe gezogen, der
Kopf vorwärts gebeugt, seine Oberlippe und Nasen-
flügel in zitternder Bewegung, als fürchte er ein Wort 
zu sprechen. Sein Aussehen, sein Wesen gleicht fast 
einem jener Prediger, die auf freiem Felde predigen - 
nicht einem modernen Manne dieser Art, der die mü-
ßige Sonntagsmenge nach sich zieht, sondern einem 
solchen Prediger aus alten Zeiten, der die Reinheit des
Glaubens zu erhalten und in der Wildnis zu verbreiten
suchte, wenn sie aus der Stadt und selbst aus der Kir-
che verbannt war. Die Töne seiner Stimme sind voll 
und melodisch, doch sie erheben sich langsam, be-
dächtig und, wie man zu glauben versucht ist, auch 
sehr mühsam, so daß man nicht weiß, ob die geistige 
Macht des Mannes unfähig ist, den Gegenstand zu be-
herrschen, oder ob seine physische Kraft unfähig ist, 
ihn auszusprechen. Sein erster Satz oder vielmehr die 
ersten Glieder seines Satzes - denn man findet bald, 
daß bei ihm jeder Satz in Form und Gehalt weiter 
reicht als die ganze Rede mancher anderen Leute - 
kommen sehr kalt und unsicher hervor und überhaupt 
so entfernt von der eigentlichen Streitfrage, daß man 
nicht begreifen kann, wie er sie darauf hinbiegen 
wird. Jeder dieser Sätze freilich ist tief, klar, an und 
für sich selbst befriedigend, sichtbar mit künstlicher 
Wahl aus den gewähltesten Materialien deduziert, und
mögen sie kommen, aus welchem Fache des Wissens 
es immerhin sein mag, so enthalten sie doch dessen 
reinste Essenz. Man fühlt, daß sie alle nach einer be-
stimmten Richtung hingebogen werden, und zwar hin-
gebogen mit einer starken Kraft; aber diese Kraft ist 
noch immer unsichtbar wie der Wind, und wie von 
diesem, weiß man nicht, woher sie kommt und wohin 
sie geht.
Wenn aber eine hinreichende Anzahl von diesen 
Anfangssätzen vorausgeschickt sind, wenn jeder 
Hülfssatz, den menschliche Wissenschaft zur Feststel-
lung einer Schlußfolge bieten kann, in Dienst genom-
men worden, wenn jeder Einspruch durch einen einzi-
gen Stoß erfolgreich vorgeschoben ist, wenn das 
ganze Heer politischer und moralischer Wahrheiten in
Schlachtordnung steht - dann bewegt es sich vor-
wärts zur Entscheidung, fest zusammengeschlossen 
wie eine mazedonische Phalanx und unwiderstehlich 
wie Hochländer, die mit gefälltem Bajonette eindrin-
gen.
Ist ein Hauptsatz gewonnen mit dieser scheinbaren 
Schwäche und Unsicherheit, wohinter sich aber eine 
wirkliche Kraft und Festigkeit verborgen hielt, dann 
erhebt sich der Redner, sowohl körperlich als geistig, 
und mit kühnerem und kürzerem Angriff erficht er 
einen zweiten Hauptsatz. Nach dem zweiten erkämpft
er einen dritten, nach dem dritten einen vierten und so 
weiter, bis alle Prinzipien und die ganze Philosophie 
der Streitfrage gleichsam erobert sind, bis jeder im 
Hause, der Ohren zum Hören und ein Herz zum Füh-
len hat, von den Wahrheiten, die er eben vernommen, 
so unwiderstehlich wie von seiner eigenen Existenz 
überzeugt ist, so daß Brougham, wollte er hier stehen-
bleiben, schon unbedingt als der größte Logiker der 
St.-Stephans-Kapelle gelten könnte. Die geistigen 
Hülfsquellen des Mannes sind wirklich bewunde-
rungswürdig, und er erinnert fast an das altnordische 
Märchen, wo einer immer die ersten Meister in jedem 
Fache des Wissens getötet hat und dadurch der Al-
leinerbe ihrer sämtlichen Geistesfähigkeiten geworden
ist. Der Gegenstand mag sein, wie er will, erhaben 
oder gemeinplätzig, abstruse oder praktisch, so kennt 
ihn dennoch Heinrich Brougham, und er kennt ihn 
ganz aus dem Grunde. Andre mögen mit ihm 
wetteifern, ja einer oder der andre mag ihn sogar über-
treffen in der Kenntnis äußerer Schönheiten der alten 
Literatur, aber niemand ist tiefer als er durchdrungen 
von der herrlichen und glühenden Philosophie, die 
gewiß als ein kostbarster Edelstein hervorglänzt aus 
jenen Schmuckkästchen, die uns das Altertum hinter-
lassen hat. Brougham gebraucht nicht die klare, 
fehlerfreie und dabei etwas hofmäßige Sprache des 
Cicero; ebensowenig sind seine Reden in der Form 
denen des Demosthenes ähnlich, obgleich sie etwas 
von dessen Farbe an sich tragen; aber ihm fehlen 
weder die strenglogischen Schlüsse des römischen 
Redners noch die schrecklichen Zornworte des Grie-
chen. Dazu kommt noch, daß keiner besser als er es 
versteht, das Wissen des Tages in seinen 
Parlamentsreden zu benutzen, so daß diese zuweilen, 
abgesehen von ihrer politischen Tendenz und Bedeu-
tung, schon als bloße Vorlesungen über Philosophie, 
Literatur und Künste unsre Bewunderung verdienen 
würden.
Es ist indessen gänzlich unmöglich, den Charakter 
dieses Mannes zu analysieren, während man ihn spre-
chen hört. Wenn er, wie schon oben erwähnt worden, 
das Gebäude seiner Rede auf einen guten philosophi-
schen Boden und in der Tiefe der Vernunft gegründet 
hat; wenn er, nochmals zu dieser Arbeit zurückge-
kehrt, Senkblei und Richtmaß anlegt, um zu 
untersuchen, ob alles in Ordnung ist, und mit einer 
Riesenhand zu prüfen scheint, ob alles auch sicher zu-
sammenhält; wenn er die Gedanken aller Zuhörer mit 
Argumenten festgebunden, wie mit Seilen, die keiner 
zu zerreißen imstande ist - dann springt er gewaltig 
auf das Gebäude, das er sich gezimmert hat, es erhebt 
sich seine Gestalt und sein Ton, er beschwört die Lei-
denschaften aus ihren geheimsten Winkeln und über-
wältigt und erschüttert die maulaufsperrenden Parla-
mentsgenossen und das ganze, dröhnende Haus. Jene 
Stimme, die erst so leise und anspruchslos war, 
gleicht jetzt dem betäubenden Brausen und den un-
endlichen Wogen des Meeres; jene Gestalt, die vorher
unter ihrem eigenen Gewichte zu sinken schien, sieht 
jetzt aus, als hätte sie Nerven von Stahl, Sehnen von 
Kupfer, ja als sei sie unsterblich und unveränderlich 
wie die Wahrheiten, die sie eben ausgesprochen; jenes
Gesicht, welches vorher blaß und kalt war wie ein 
Stein, ist jetzt belebt und leuchtend, als wäre der inne-
re Geist noch mächtiger als die gesprochenen Worte; 
und jene Augen, die uns anfänglich mit ihren blauen 
und stillen Kreisen so demütig ansahen, als wollten 
sie unsre Nachsicht und Verzeihung erbitten, aus den-
selben Augen schießt jetzt ein meteorisches Feuer, 
das alle Herzen zur Bewunderung entzündet. So 
schließt der zweite, der leidenschaftliche oder dekla-
matorische Teil der Rede.
Wenn er das erreicht hat, was man für den Gipfel 
der Beredsamkeit halten möchte, wenn er gleichsam 
umherblickt, um die Bewunderung, die er hervorge-
bracht, mit Hohnlächeln zu betrachten, dann sinkt 
seine Gestalt wieder zusammen, und auch seine Stim-
me fällt herab bis zum sonderbarsten Flüstern, das je-
mals aus der Brust eines Menschen hervorgekommen.
Dieses seltsame Herabstimmen oder vielmehr Fallen-
lassen des Ausdrucks, der Gebärde und der Stimme, 
welches Brougham in einer Vollkommenheit besitzt, 
wie es bei gar keinem anderen Redner gefunden wird, 
bringt eine wunderbare Wirkung hervor; und jene tie-
fen, feierlichen, fast hingemurmelten Worte, die je-
doch bis auf den Anhauch jeder einzelnen Silbe voll-
kommen vernehmbar sind, tragen in sich eine Zauber-
gewalt, der man nicht widerstehen kann, selbst wenn 
man sie zum ersten Male hört und ihre eigentliche Be-
deutung und Wirkung noch nicht kennengelernt hat. 
Man glaube nur nicht etwa, der Redner oder die Rede 
sei erschöpft. Diese gemilderten Blicke, diese ge-
dämpften Töne bedeuten nichts weniger als den An-
fang einer Peroratio, womit der Redner, als ob er 
fühle, daß er etwas zu weit gegangen, seine Gegner 
wieder besänftigen will. Im Gegenteil, dieses Zusam-
menkrümmen des Leibes ist kein Zeichen von Schwä-
che, und dieses Fallenlassen der Stimme ist kein Vor-
spiel von Furcht und Unterwürfigkeit: es ist das lose, 
hängende Vorbeugen des Leibes bei einem Ringer, 
der die Gelegenheit erspäht, wo er seinen Gegner 
desto gewaltsamer umwinden kann, es ist das Zurück-
springen des Tigers, der gleich darauf mit desto siche-
rern Krallen auf seine Beute losstürzt, es ist das Zei-
chen, daß Heinrich Brougham seine ganze Rüstung 
anlegt und seine mächtigste Waffe ergreift. In seinen 
Argumenten war er klar und überzeugend; in seiner 
Beschwörung der Leidenschaften war er zwar etwas 
hochmütig, doch auch mächtig und siegreich; jetzt 
aber legt er den letzten, ungeheuersten Pfeil auf seinen
Bogen - er wird fürchterlich in seinen Invektiven. 
Wehe dem Manne, dem jenes Auge, das vorher so 
ruhig und blau war, jetzt entgegenflammt aus dem ge-
heimnisvollen Dunkel dieser zusammengezognen 
Brauen! Wehe dem Wicht, dem diese halbgeflüsterten
Worte ein Vorzeichen sind von dem Unheil, das über 
ihn heranschwebt!
Wer als ein Fremder vielleicht heute zum ersten-
mal die Galerie des Parlamentes besucht, weiß nicht, 
was jetzt kommen wird. Er sieht bloß einen Mann, 
der ihn mit seinen Argumenten überzeugt, mit seiner 
Leidenschaft erwärmt hat und jetzt mit jenem sonder-
baren Flüstern einen sehr lahmen, schwächlichen 
Schluß anzubringen scheint. O Fremdling! wärest du 
bekannt mit den Erscheinungen dieses Hauses und auf
einem Sitze, wo du alle Parlamentsglieder übersehen 
könntest, so würdest du bald merken, daß diese in be-
treff eines solchen lahmen, schwächlichen Schlusses 
durchaus nicht deiner Meinung sind. Du würdest 
manchen bemerken, den Parteisucht oder Anmaßung 
in dieses stürmische Meer, ohne gehörigen Ballast 
und das nötige Steuerruder, hineingetrieben hat und 
der nun so furchtsam und ängstlich umherblickt wie 
ein Schiffer auf dem chinesischen Meere, wenn er an 
einer Seite des Horizontes jene dunkle Ruhe entdeckt,
die ein sicheres Vorzeichen ist, daß von der andern 
Seite, ehe eine Minute vergeht, der Typhoon heran-
weht mit seinem verderblichen Hauche; - du würdest 
irgendeinen kleinen Mann bemerken, der fast greinen 
möchte und an Leib und Seele schauert wie ein klei-
nes Vögelchen, das in die Zaubernähe einer Klapper-
schlange geraten ist, seine Gefahr entsetzlich fühlt 
und sich doch nicht helfen kann und mit jämmerlich 
närrischer Miene dem Untergange sich darbietet; - du
würdest einen langen Antagonisten bemerken, der 
sich mit schlotternden Beinen an der Bank festklam-
mert, damit der heranziehende Sturm ihn nicht fort-
fegt; - oder du bemerkst sogar einen stattlichen, 
wohlbeleibten Repräsentanten irgendeiner fetten Graf-
schaft, der beide Fäuste in das Kissen seiner Bank 
hineingräbt, völlig entschlossen, im Fall ein Mann 
von seiner Wichtigkeit aus dem Hause geschleudert 
würde, dennoch seinen Sitz zu bewahren und unter 
sich von dannen zu führen.
Und nun kommt es: - die Worte, welche so tief ge-
flüstert und gemurmelt wurden, schwellen an, so laut, 
daß sie selbst den Jubelruf der eignen Partei übertö-
nen, und nachdem irgendein unglückseliger Gegner 
bis auf die Knochen geschunden und seine verstüm-
melten Glieder durch alle Redefiguren durchgestampft
worden, dann ist der Leib des Redners wie niederge-
brochen und zerschlagen von der Kraft seines eignen 
Geistes, er sinkt auf seinen Sitz zurück, und der Bei-
fallärm der Versammlung kann jetzt unaufhaltbar her-
vorbrechen.«
Ich habe es nie so glücklich getroffen, daß ich 
Brougham während einer solchen Rede im Parlamente
ruhig betrachten konnte. Nur stückweis oder Unwich-
tiges hörte ich ihn sprechen, und nur selten kam er 
mir dabei selbst zu Gesicht. Immer aber - das merkte 
ich gleich - , sobald er das Wort nahm, erfolgte eine 
tiefe, fast ängstliche Stille. Das Bild, das oben von 
ihm entworfen worden, ist gewiß nicht übertrieben. 
Seine Gestalt, von gewöhnlicher Manneslänge, ist 
sehr dünn, ebenfalls sein Kopf, der mit kurzen, 
schwarzen Haaren, die sich der Schläfe glatt anlegen, 
spärlich bedeckt ist. Das blasse, längliche Gesicht er-
scheint dadurch noch dünner, die Muskeln desselben 
sind in krampfhafter, unheimlicher Bewegung, und 
wer sie beobachtet, sieht des Redners Gedanken, ehe 
sie gesprochen sind. Dieses schadet seinen witzigen 
Einfällen; denn für Witze und Geldborger ist es heil-
sam, wenn sie uns unangemeldet überraschen. Ob-
gleich sein schwarzer Anzug, bis auf den Schnitt des 
Fracks, ganz gentlemännisch ist, so trägt solcher doch
dazu bei, ihm ein geistliches Ansehen zu geben. Viel-
leicht bekommt er dieses noch mehr durch seine oft 
gekrümmte Rückenbewegung und die lauernde, ironi-
sche Geschmeidigkeit des ganzen Leibes. Einer mei-
ner Freunde hat mich zuerst auf dieses »Klerikali-
sche« in Broughams Wesen aufmerksam gemacht, 
und durch die obige Schilderung wird diese feine Be-
merkung bestätigt. Mir ist zuerst das »Advokatische« 
im Wesen Broughams aufgefallen, besonders durch 
die Art, wie er beständig mit dem vorgestreckten Zei-
gefinger demonstriert und mit vorgebeugtem Haupte 
selbstgefällig dazu nickt.
Am bewunderungswürdigsten ist die rastlose Tätig-
keit dieses Mannes. Jene Parlamentsreden hält er, 
nachdem er vielleicht schon acht Stunden lang seine 
täglichen Berufsgeschäfte, nämlich das Advozieren in 
den Gerichtssälen, getrieben und vielleicht die halbe 
Nacht an Aufsätzen für das »Edinburgh Review« oder
an seinen Verbesserungen des Volksunterrichts und 
der Kriminalgesetze gearbeitet hat. Erstere Arbeiten, 
der Volksunterricht, werden gewiß einst schöne 
Früchte hervorbringen. Letztere, die 
Kriminalgesetzgebung, womit Brougham und Peel 
sich jetzt am meisten beschäftigen, sind vielleicht die 
nützlichsten, wenigstens die dringendsten; denn Eng-
lands Gesetze sind noch grausamer als seine Oligar-
chen. Der Prozeß der Königin begründete zuerst 
Broughams Zelebrität. Er kämpfte wie ein Ritter für 
diese hohe Dame, und wie sich von selbst versteht, 
wird Georg IV. niemals die Dienste vergessen, die er 
seiner lieben Frau geleistet hat. Deshalb, als vorigen 
April die Opposition siegte, kam Brougham dennoch 
nicht ins Ministerium, obgleich ihm, als leader of the 
opposition, in diesem Falle, nach altem Brauch, ein 
solcher Eintritt gebührte.

IX
Die Emanzipation

Wenn man mit dem dümmsten Engländer über Po-
litik spricht, so wird er doch immer etwas Vernünfti-
ges zu sagen wissen. Sobald man aber das Gespräch 
auf Religion lenkt, wird der gescheiteste Engländer 
nichts als Dummheiten zutage fördern. Daher entsteht
wohl jene Verwirrung der Begriffe, jene Mischung 
von Weisheit und Unsinn, sobald im Parlamente die 
Emanzipation der Katholiken zur Sprache kommt, 
eine Streitfrage, worin Politik und Religion 
kollidieren. Selten in ihren parlamentarischen Ver-
handlungen ist es den Engländern möglich, ein Prin-
zip auszusprechen, sie diskutieren nur den Nutzen 
oder Schaden der Dinge und bringen Fakta, die einen 
pro, die anderen kontra, zum Vorschein.
Mit Faktis aber kann man zwar streiten, doch nicht 
siegen, da gibt es nichts als ein materielles Hin- und 
Herschlagen, und das Schauspiel eines solchen Strei-
tes gemahnt uns an wohlbekannte pro-patria-Kämpfe 
deutscher Studenten, deren Resultat darauf hinaus-
läuft, daß soundso viel Gänge gemacht worden, so-
undso viel Quarten und Terzen gefallen sind und 
nichts damit bewiesen worden.
Im Jahr 1827, wie sich von selbst versteht, haben 
wieder die Emanzipationisten gegen die Oranienmän-
ner in Westminster gefochten, und wie sich von selbst
versteht, es ist nichts dabei herausgekommen. Die be-
sten Schläger der Emanzipationisten waren Burdett, 
Plunkett, Brougham und Canning. Ihre Gegner, Herrn
Peel ausgenommen, waren wieder die bekannten oder,
besser gesagt, die unbekannten Fuchsjäger.
Von jeher stimmten die geistreichsten Staatsmän-
ner Englands für die bürgerliche Gleichstellung der 
Katholiken, sowohl aus Gründen des innigsten 
Rechtsgefühls als auch der politischen Klugheit. Pitt 
selbst, der Erfinder des stabilen Systems, hielt die 
Partei der Katholiken. Gleichfalls Burke, der große 
Renegat der Freiheit, konnte nicht so weit die Stimme
seines Herzens unterdrücken, daß er gegen Irland ge-
wirkt hätte. Auch Canning, sogar damals, als er noch 
ein toryscher Knecht war, konnte nicht ungerührt das 
Elend Irlands betrachten, und wie teuer ihm dessen 
Sache war, hat er zu einer Zeit, als man ihn der Lauig-
keit bezüchtigte, gar rührend naiv ausgesprochen. 
Wahrlich, ein großer Mensch kann, um große Zwecke
zu erreichen, oft gegen seine Überzeugung handeln 
und zweideutig oft von einer Partei zur andern über-
gehen; - man muß alsdann billig bedenken, daß der-
jenige, der sich auf einer gewissen Höhe behaupten 
will, ebenso den Umständen nachgeben muß wie der 
Hahn auf dem Kirchturm, den, obgleich er von Eisen 
ist, jeder Sturmwind zerbrechen und herabschleudern 
würde, wenn er trotzig unbeweglich bliebe und nicht 
die edle Kunst verstände, sich nach jedem Winde zu 
drehen. Aber nie wird ein großer Mensch so weit die 
Gefühle seiner Seele verleugnen können, daß er das 
Unglück seiner Landsleute mit indifferenter Ruhe an-
sehen und sogar vermehren könnte. Wie wir unsere 
Mutter lieben, so lieben wir auch den Boden, worauf 
wir geboren sind, so lieben wir die Blumen, den Duft,
die Sprache und die Menschen, die aus diesem Boden 
hervorgeblüht sind; keine Religion ist so schlecht und
keine Politik ist so gut, daß sie im Herzen ihrer Be-
kenner solche Liebe ersticken könnte; obgleich sie 
Protestanten und Tories waren, konnten Burke und 
Canning doch nimmermehr Partei nehmen gegen das 
arme, grüne Erin: Irländer, die schreckliches Elend 
und namenlosen Jammer über ihr Vaterland verbrei-
ten, sind Menschen - wie der selige Castlereagh.
Daß die große Masse des englischen Volkes gegen 
die Katholiken gestimmt ist und täglich das Parlament
bestürmt, ihnen nicht mehr Rechte einzuräumen, ist 
ganz in der Ordnung. Es liegt in der menschlichen 
Natur eine solche Unterdrückungssucht, und wenn wir
auch, was jetzt beständig geschieht, über bürgerliche 
Ungleichheit klagen, so sind alsdann unsere Augen 
nach oben gerichtet, wir sehen nur diejenigen, die 
über uns stehen und deren Vorrechte uns beleidigen; 
abwärts sehen wir nie bei solchen Klagen, es kommt 
uns nie in den Sinn, diejenigen, welche durch Ge-
wohnheitsunrecht noch unter uns gestellt sind, zu uns 
heraufzuziehen, ja uns verdrießt es sogar, wenn diese 
ebenfalls in die Höhe streben, und wir schlagen ihnen 
auf die Köpfe. Der Kreole verlangt die Rechte des Eu-
ropäers, spreizt sich aber gegen den Mulatten und 
sprüht Zorn, wenn dieser sich ihm gleichstellen will. 
Ebenso handelt der Mulatte gegen den Mestizen und 
dieser wieder gegen den Neger. Der Frankfurter 
Spießbürger ärgert sich über Vorrechte des Adels; 
aber er ärgert sich noch mehr, wenn man ihm zumutet,
seine Juden zu emanzipieren. Ich habe einen Freund 
in Polen, der für Freiheit und Gleichheit schwärmt, 
aber bis auf diese Stunde seine Bauern noch nicht aus 
ihrer Leibeigenschaft entlassen hat.
Was den englischen Klerus betrifft, so bedarf es 
keiner Erörterung, weshalb von dieser Seite die Ka-
tholiken verfolgt werden. Verfolgung der Andersden-
kenden ist überall das Monopol der Geistlichkeit, und
auch die anglikanische Kirche behauptet streng ihre 
Rechte. Freilich, die Zehnten sind ihr die Hauptsache,
sie würde durch die Emanzipation der Katholiken 
einen großen Teil ihres Einkommens verlieren, und 
Aufopferung eigener Interessen ist ein Talent, das den
Priestern der Liebe ebensosehr abgeht wie den sündi-
gen Laien. Dazu kommt noch, daß jene glorreiche Re-
volution, welcher England die meisten seiner jetzigen 
Freiheiten verdankt, aus religiösem, protestantischem 
Eifer hervorgegangen, ein Umstand, der den Englän-
dern gleichsam noch besondere Pflichten der Dank-
barkeit gegen die herrschende protestantische Kirche 
auferlegt und sie diese als das Hauptbollwerk ihrer 
Freiheit betrachten läßt. Manche ängstliche Seelen 
unter ihnen mögen wirklich den Katholizismus und 
dessen Wiedereinführung fürchten und an die Schei-
terhaufen von Smithfield denken - und ein gebranntes
Kind scheut das Feuer. Auch gibt es ängstliche Parla-
mentsglieder, die ein neues Pulverkomplott befürch-
ten - diejenigen fürchten das Pulver am meisten, die 
es nicht erfunden haben - und da wird es ihnen oft, 
als fühlten sie, wie die grünen Bänke, worauf sie in 
der St.-Stephans-Kapelle sitzen, allmählich warm und
wärmer werden, und wenn irgendein Redner, wie oft 
geschieht, den Namen Guy Fawkes erwähnt, rufen sie 
ängstlich: »Hear him! hear him!« Was endlich den 
Rektor von Göttingen betrifft, der in London eine An-
stellung als König von England hat, so kennt jeder 
seine Mäßigkeitspolitik: er erklärt sich für keine der 
beiden Parteien, er sieht gern, daß sie sich bei ihren 
Kämpfen wechselseitig schwächen, er lächelt nach 
herkömmlicher Weise, wenn sie friedlich bei ihm cou-
ren, er weiß alles und tut nichts und verläßt sich im 
schlimmsten Fall auf seinen Oberschnurren Welling-
ton.
Man verzeihe mir, daß ich in flipprigem Tone eine 
Streitfrage behandle, von deren Lösung das Wohl 
Englands und daher vielleicht mittelbar das Wohl der 
Welt abhängt. Aber eben, je wichtiger ein Gegenstand
ist, desto lustiger muß man ihn behandeln; das blutige
Gemetzel der Schlachten, das schaurige Sichelwetzen 
des Todes wäre nicht zu ertragen, erklänge nicht dabei
die betäubende türkische Musik mit ihren freudigen 
Pauken und Trompeten. Das wissen die Engländer, 
und daher bietet ihr Parlament auch ein heiteres 
Schauspiel des unbefangensten Witzes und der wit-
zigsten Unbefangenheit; bei den ernsthaftesten 
Debatten, wo das Leben von Tausenden und das Heil 
ganzer Länder auf dem Spiel steht, kommt doch kei-
ner von ihnen auf den Einfall, ein deutsch-steifes 
Landständegesicht zu schneiden oder französisch-pa-
thetisch zu deklamieren, und wie ihr Leib, so gebärdet
sich alsdann auch ihr Geist ganz zwanglos, Scherz, 
Selbstpersiflage, Sarkasmen, Gemüt und Weisheit, 
Malice und Güte, Logik und Verse sprudeln hervor 
im blühendsten Farbenspiel, so daß die Annalen des 
Parlaments uns noch nach Jahren die geistreichste Un-
terhaltung gewähren. Wie sehr kontrastieren dagegen 
die öden, ausgestopften, löschpapiernen Reden unse-
rer süddeutschen Kammern, deren Langweiligkeit 
auch der geduldigste Zeitungsleser nicht zu überwin-
den vermag, ja deren Duft schon einen lebendigen 
Leser verscheuchen kann, so daß wir glauben müssen,
jene Langweiligkeit sei geheime Absicht, um das 
große Publikum von der Lektüre jener Verhandlungen
abzuschrecken und sie dadurch trotz ihrer Öffentlich-
keit dennoch im Grunde ganz geheimzuhalten.
Ist also die Art, wie die Engländer im Parlamente 
die katholische Streitfrage abhandeln, wenig geeignet,
ein Resultat hervorzubringen, so ist doch die Lektüre 
dieser Debatten um so interessanter, weil Fakta mehr 
ergötzen als Abstraktionen, und gar besonders amü-
sant ist es, wenn fabelgleich irgendeine Parallelge-
schichte erzählt wird, die den gegenwärtigen, 
bestimmten Fall witzig persifliert und dadurch viel-
leicht am glücklichsten illustriert. Schon bei den De-
batten über die Thronrede, am 3. Februar 1825, ver-
nahmen wir im Oberhause eine jener Parallelge-
schichten, wie ich sie oben bezeichnet und die ich 
wörtlich hierhersetze (vid. Parliamentary history and 
review during the session of 1825 - 1826. Pag. 31):
»Lord King bemerkte, daß, wenn auch England 
blühend und glücklich genannt werden könne, so be-
fänden sich doch sechs Millionen Katholiken in einem
ganz andern Zustande, jenseits des irländischen Ka-
nals, und die dortige schlechte Regierung sei eine 
Schande für unser Zeitalter und für alle Briten. Die 
ganze Welt, sagte er, ist jetzt zu vernünftig, um Re-
gierungen zu entschuldigen, welche ihre Untertanen 
wegen Religionsdifferenzen bedrücken oder irgendei-
nes Rechtes berauben. Irland und die Türkei könnte 
man als die einzigen Länder Europas bezeichnen, wo 
ganze Menschenklassen ihres Glaubens wegen unter-
drückt und gekränkt werden. Der Großsultan hat sich 
bemüht, die Griechen zu bekehren, in derselben 
Weise, wie das englische Gouvernement die Bekeh-
rung der irländischen Katholiken betrieben, aber ohne
Erfolg. Wenn die unglücklichen Griechen über ihre 
Leiden klagten und demütigst baten, ein bißchen bes-
ser als mahometanische Hunde behandelt zu werden, 
ließ der Sultan seinen Großwesir holen, um Rat zu 
schaffen. Dieser Großwesir war früherhin ein Freund 
und späterhin ein Feind der Sultanin gewesen. Er 
hatte dadurch in der Gunst seines Herrn ziemlich ge-
litten und in seinem eigenen Diwan, von seinen eige-
nen Beamten und Dienern, manchen Widerspruch er-
tragen müssen. (Gelächter.) Er war ein Feind der 
Griechen. Dem Einfluß nach die zweite Person im 
Diwan war der Reis Effendi, welcher den gerechten 
Forderungen jenes unglücklichen Volkes freundlich 
geneigt war. Dieser Beamte, wie man wußte, war Mi-
nister der äußern Angelegenheiten, und seine Politik 
verdiente und erhielt allgemeinen Beifall. Er zeigte in 
diesem Felde außerordentliche Liberalität und Talen-
te, er tat viel Gutes, verschaffte der Regierung des 
Sultans viel Popularität und würde noch mehr ausge-
richtet haben, hätten ihn nicht seine minder erleuchte-
ten Kollegen in allen seinen Maßregeln gehemmt. Er 
war in der Tat der einzige Mann von wahrem Genie 
im ganzen Diwan (Gelächter), und man achtete ihn 
als eine Zierde türkischer Staatsleute, da er auch mit 
poetischen Talenten begabt war. Der Kiaya-Bei oder 
Minister des Innern und der Kapitan Pascha waren 
wiederum Gegner der Griechen; aber der Chorführer 
der ganzen Opposition gegen die Rechtsansprüche 
dieses Volkes war der Obermufti oder das Haupt des 
mahometanischen Glaubens. (Gelächter.) Dieser Be-
amte war ein Feind jeder Veränderung. Er hatte sich 
regelmäßig widersetzt bei allen Verbesserungen im 
Handel, bei allen Verbesserungen in der Justiz, bei 
jeder Verbesserung in der ausländischen Politik. (Ge-
lächter.) Er zeigte und erklärte sich jedesmal als der 
größte Verfechter der bestehenden Mißbräuche. Er 
war der vollendetste Intrigant im ganzen Diwan. (Ge-
lächter.) In früherer Zeit hatte er sich für die Sultanin 
erklärt, aber er wandte sich gegen sie, sobald er be-
fürchtete, daß er dadurch seine Stelle im Diwan ver-
lieren könne, er nahm sogar die Partei ihrer Feinde. 
Einst wurde der Vorschlag gemacht, einige Griechen 
in das Korps der regulären Truppen oder Janitscharen
aufzunehmen; aber der Obermufti erhob dagegen ein 
so heilloses Zetergeschrei - ähnlich unserem No-po-
pery-Geschrei - , daß diejenigen, welche jene Maßre-
gel genehmigt, aus dem Diwan scheiden mußten. Er 
gewann selbst die Oberhand, und sobald dies ge-
schah, erklärte er sich für ebendieselbe Sache, woge-
gen er vorhin am meisten geeifert hatte. (Gelächter.) 
Er sorgte für des Sultans Gewissen und für sein eige-
nes; doch will man bemerkt haben, daß sein Gewissen
niemals mit seinen Interessen in Opposition war. (Ge-
lächter.) Da er aufs genaueste die türkische Konstitu-
tion studiert, hatte er ausgefunden, daß sie wesentlich 
mahometanisch sei (Gelächter) und folglich allen 
Vorrechten der Griechen feindselig sein müsse. Er 
hatte deshalb beschlossen, der Sache der Intoleranz 
fest ergeben zu bleiben, und war bald umringt von 
Mollas, Imans und Derwischen, welche ihn in seinen 
edeln Vorsätzen bestärkten. Um das Bild dieser Spal-
tung im Diwan zu vollenden, sei noch erwähnt, daß 
dessen Mitglieder übereinkamen, sie wollten bei ge-
wissen Streitfragen einig und bei andern wieder entge-
gengesetzter Meinung sein, ohne ihre Vereinigung zu 
brechen. Nachdem man nun die Übel, die durch solch 
einen Diwan entstanden, gesehen hat, nachdem man 
gesehen, wie das Reich der Muselmänner zerrissen 
worden, durch eben ihre Intoleranz gegen die Grie-
chen und ihre Uneinigkeit unter sich selbst, so sollte 
man doch den Himmel bitten, das Vaterland vor einer 
solchen Kabinettsspaltung zu bewahren.«
Es bedarf keines sonderlichen Scharfsinns, um die 
Personen zu erraten, die hier in türkische Namen ver-
mummt sind; noch weniger ist es vonnöten, die Moral
der Geschichte in trocknen Worten herzusetzen. Die 
Kanonen von Navarino haben sie laut genug ausge-
sprochen, und wenn einst die Hohe Pforte zusammen-
bricht - und brechen wird sie trotz Peras bevollmäch-
tigten Lakaien, die sich dem Unwillen der Völker ent-
gegenstemmen - , dann mag John Bull in seinem Her-
zen bedenken: mit verändertem Namen spricht von dir
die Fabel. Etwas der Art mag England schon jetzt 
ahnen, indem seine besten Publizisten sich gegen den 
Interventionskrieg erklären und ganz naiv darauf 
hindeuten, daß die Völker Europas mit gleichem 
Rechte sich der irländischen Katholiken annehmen 
und der englischen Regierung eine bessere Behand-
lung derselben abzwingen könnten. Sie glauben hier-
mit das Interventionsrecht widerlegt zu haben und 
haben es nur noch deutlicher illustriert. Freilich hätten
Europas Völker das heiligste Recht, sich für die Lei-
den Irlands, mit gewaffneter Hand, zu verwenden, und
dieses Recht würde auch ausgeübt werden, wenn 
nicht das Unrecht stärker wäre. Nicht mehr die ge-
krönten Häuptlinge, sondern die Völker selbst sind 
die Helden der neuern Zeit, auch diese Helden haben 
eine heilige Allianz geschlossen, sie halten zusam-
men, wo es gilt, für das gemeinsame Recht, für das 
Völkerrecht der religiösen und politischen Freiheit, 
sie sind verbunden durch die Idee, sie haben sie be-
schworen und dafür geblutet, ja sie sind selbst zur 
Idee geworden - und deshalb zuckt es gleich 
schmerzhaft durch alle Völkerherzen, wenn irgendwo,
sei es auch im äußersten Winkel der Erde, die Idee 
beleidigt wird.

X
Wellington

Der Mann hat das Unglück, überall Glück zu 
haben, wo die größten Männer der Welt Unglück hat-
ten, und das empört uns und macht ihn verhaßt. Wir 
sehen in ihm nur den Sieg der Dummheit über das 
Genie - Arthur Wellington triumphiert, wo Napoleon
Bonaparte untergeht! Nie ward ein Mann ironischer 
von Fortuna begünstigt, und es ist, als ob sie seine 
öde Winzigkeit zur Schau geben wollte, indem sie ihn
auf das Schild des Sieges emporhebt. Fortuna ist ein 
Weib, und nach Weiberart grollt sie vielleicht heim-
lich dem Manne, der ihren ehemaligen Liebling stürz-
te, obgleich dessen Sturz ihr eigner Wille war. Jetzt, 
bei der Emanzipation der Katholiken, läßt sie ihn 
wieder siegen, und zwar in einem Kampfe, worin Ge-
orge Canning zugrunde ging. Man würde ihn viel-
leicht geliebt haben, wenn der elende Londonderry 
sein Vorgänger im Ministerium gewesen wäre; jetzt 
aber war er der Nachfolger des edlen Canning, des 
vielbeweinten, angebeteten, großen Canning - und er 
siegt, wo Canning zugrunde ging. Ohne solches Un-
glück des Glücks würde Wellington vielleicht für 
einen großen Mann passieren, man würde ihn nicht 
hassen, nicht genau messen, wenigstens nicht mit dem
heroischen Maßstabe, womit man einen Napoleon 
und einen Canning mißt, und man würde nicht ent-
deckt haben, wie klein er ist als Mensch.
Er ist ein kleiner Mensch und noch weniger als 
klein. Die Franzosen haben von Polignac nichts Ärge-
res sagen können als: er sei ein Wellington ohne 
Ruhm. In der Tat, was bleibt übrig, wenn man einem 
Wellington die Feldmarschalluniform des Ruhmes 
auszieht?
Ich habe hier die beste Apologie des Lord Welling-
ton - im englischen Sinne des Wortes - geliefert. 
Man wird sich aber wundern, wenn ich ehrlich geste-
he, daß ich diesen Helden einst sogar mit vollen Se-
geln gelobt habe. Es ist eine gute Geschichte, und ich 
will sie hier erzählen:
Mein Barbier in London war ein Radikaler, ge-
nannt Mister White, ein armer, kleiner Mann in einem
abgeschabten schwarzen Kleide, das einen weißen 
Widerschein gab; er war so dünn, daß die Fassade 
seines Gesichtes nur ein Profil zu sein schien und die 
Seufzer in seiner Brust sichtbar waren, noch ehe sie 
aufstiegen. Er seufzte nämlich immer über das Un-
glück von Altengland und über die Unmöglichkeit, 
jemals die Nationalschuld zu bezahlen.
»Ach!« - hörte ich ihn gewöhnlich seufzen - »was
brauchte sich das englische Volk darum zu beküm-
mern, wer in Frankreich regierte und was die 
Franzosen in ihrem Lande trieben? Aber der hohe 
Adel und die hohe Kirche fürchteten die Freiheits-
grundsätze der französischen Revolution, und um 
diese Grundsätze zu unterdrücken, mußte John Bull 
sein Blut und sein Geld hergeben und noch obendrein 
Schulden machen. Der Zweck des Krieges ist jetzt er-
reicht, die Revolution ist unterdrückt, den französi-
schen Freiheitsadlern sind die Flügel beschnitten, der 
hohe Adel und die hohe Kirche können jetzt ganz si-
cher sein, daß keiner derselben über den Kanal fliegt, 
und der hohe Adel und die hohe Kirche sollten jetzt 
wenigstens die Schulden bezahlen, die für ihr eignes 
Interesse und nicht für das arme Volk gemacht wor-
den sind. Ach! das arme Volk -«
Immer, wenn er an »das arme Volk« kam, seufzte 
Mister White noch tiefer, und der Refrain war dann, 
daß das Brot und der Porter so teuer sei und daß das 
arme Volk verhungern müsse, um dicke Lords, Jagd-
hunde und Pfaffen zu füttern, und daß es nur eine 
Hülfe gäbe. Bei diesen Worten pflegte er auch das 
Messer zu schleifen, und während er es über das 
Schleifleder hin- und herzog, murmelte er ingrimmig 
langsam: »Lords, Hunde, Pfaffen!«
Gegen den Duke of Wellington kochte aber sein ra-
dikaler Zorn immer am heftigsten, er spuckte Gift und
Galle, sobald er auf diesen zu sprechen kam, und 
wenn er mich unterdessen einseifte, so geschah es mit 
schäumender Wut. Einst wurde ich ordentlich bange, 
als er mich just nahe beim Halse barbierte, während 
er so heftig gegen Wellington loszog und beständig 
dazwischen murmelte: »Hätte ich ihn nur so unterm 
Messer, ich würde ihm die Mühe ersparen, sich selbst
die Kehle abzuschneiden, wie sein Amtsbruder und 
Landsmann Londonderry, der sich die Kehle abge-
schnitten zu Nordkray in der Grafschaft Kent - Gott 
verdamm' ihn.«
Ich fühlte schon, wie die Hand des Mannes zitterte,
und aus Furcht, daß er in der Leidenschaft sich plötz-
lich einbilden könnte, ich sei der Duke of Wellington,
suchte ich seine Heftigkeit herabzustimmen und ihn 
unterderhand zu besänftigen. Ich nahm seinen Natio-
nalstolz in Anspruch, ich stellte ihm vor, daß Wel-
lington den Ruhm der Engländer befördert, daß er 
immer nur eine unschuldige Maschine in dritten Hän-
den gewesen sei, daß er gern Beefsteaks esse und daß 
er endlich - Gott weiß, was ich noch mehr von Wel-
lington rühmte, als mir das Messer an der Kehle 
stand.

*

Was mich am meisten ärgert, ist der Gedanke, daß 
Arthur Wellington ebenso unsterblich wird wie Napo-
leon Bonaparte. Ist doch, in ähnlicher Weise, der 
Name Pontius Pilatus ebenso unvergeßlich geblieben 
wie der Name Christi. Wellington und Napoleon! Es 
ist ein wunderbares Phänomen, daß der menschliche 
Geist sich beide zu gleicher Zeit denken kann. Es gibt
keine größern Kontraste als diese beiden, schon in 
ihrer äußeren Erscheinung. Wellington, das dumme 
Gespenst, mit einer aschgrauen Seele in einem steif-
leinenen Körper, ein hölzernes Lächeln in dem frie-
renden Gesichte - daneben denke man sich das Bild 
Napoleons, jeder Zoll ein Gott!
Nie schwindet dieses Bild aus meinem Gedächtnis-
se. Ich sehe ihn immer noch hoch zu Roß, mit den 
ewigen Augen in dem marmornen Imperatorgesichte, 
schicksalruhig hinabblickend auf die vorbeidefilie-
rende Garden - er schickte sie damals nach Rußland, 
und die alten Grenadiere schauten zu ihm hinauf, so 
schauerlich ergeben, so mitwissend ernst, so todes-
stolz -

Te, Caesar, morituri salutant!

Manchmal überschleicht mich geheimer Zweifel, 
ob ich ihn wirklich selbst gesehen, ob wir wirklich 
seine Zeitgenossen waren, und es ist mir dann, als ob 
sein Bild, losgerissen aus dem kleinen Rahmen der 
Gegenwart, immer stolzer und herrischer zurückwei-
che in vergangenheitliche Dämmerung. Sein Name 
schon klingt uns wie eine Kunde der Vorwelt und 
ebenso antik und heroisch wie die Namen Alexander 
und Cäsar. Er ist schon ein Losungswort geworden 
unter den Völkern, und wenn der Orient und der Ok-
zident sich begegnen, so verständigen sie sich durch 
diesen einzigen Namen.
Wie bedeutsam und magisch alsdann dieser Name 
erklingen kann, das empfand ich aufs tiefste, als ich 
einst im Hafen von London, wo die indischen Docks 
sind, an Bord eines Ostindienfahrers stieg, der eben 
aus Bengalen angelangt war. Es war ein riesenhaftes 
Schiff und zahlreich bemannt mit Hindostanern. Die 
grotesken Gestalten und Gruppen, die seltsam bunten 
Trachten, die rätselhaften Mienen, die wunderlichen 
Leibesbewegungen, der wildfremde Klang der Spra-
che, des Jubels und des Lachens, dabei wieder der 
Ernst auf einigen sanftgelben Gesichtern, deren 
Augen, wie schwarze Blumen, mich mit abenteuerli-
cher Wehmut ansahen - alles das erregte in mir ein 
Gefühl wie Verzauberung, ich war plötzlich wie ver-
setzt in Scheherezades Märchen, und ich meinte 
schon, nun müßten auch breitbläterige Palmen und 
langhälsige Kamele und goldbedeckte Elefanten und 
andre fabelhafte Bäume und Tiere zum Vorschein 
kommen. Der Superkargo, der sich auf dem Schiffe 
befand und die Sprache jener Leute ebensowenig ver-
stand als ich, konnte mir, mit echt britischer 
Beschränktheit, nicht genug erzählen, was das für ein 
närrisches Volk sei, fast lauter Mahometaner, zusam-
mengewürfelt aus allen Ländern Asiens, von der 
Grenze Chinas bis ans Arabische Meer, darunter 
sogar einige pechschwarze, wollhaarige Afrikaner.
Des dumpfen abendländischen Wesens so ziemlich 
überdrüssig, so recht europamüde, wie ich mich da-
mals manchmal fühlte, war mir dieses Stück Morgen-
land, das sich jetzt heiter und bunt vor meinen Augen 
bewegte, eine erquickliche Labung, mein Herz er-
frischten wenigstens einige Tropfen jenes Trankes, 
wonach es in trüb hannövrischen oder königlich preu-
ßischen Winternächten so oft geschmachtet hatte, und
die fremden Leute mochten es mir wohl ansehen, wie 
angenehm mir ihre Erscheinung war und wie gern ich 
ihnen ein Liebeswörtchen gesagt hätte. Daß auch ich 
ihnen recht wohl gefiel, war den innigen Augen anzu-
sehen, und sie hätten mir ebenfalls gern etwas Liebes 
gesagt, und es war eine Trübsal, daß keiner des an-
dern Sprache verstand. Da endlich fand ich ein Mittel,
ihnen meine freundschaftliche Gesinnung auch mit 
einem Worte kundzugeben, und ehrfurchtsvoll und die
Hand ausstreckend, wie zum Liebesgruß, rief ich den 
Namen: »Mahomet!«
Freude überstrahlte plötzlich die dunklen Gesichter
der fremden Leute, sie kreuzten ehrfurchtsvoll die 
Arme, und zum erfreuenden Gegengruß riefen sie den 
Namen: »Bonaparte!«

XI
Die Befreiung

Wenn mir mal die Zeit der müßigen Untersuchun-
gen wiederkehrt, so werde ich langweiligst gründlich 
beweisen, daß nicht Indien, sondern Ägypten jenes 
Kastentum hervorgebracht hat, das seit zwei Jahrtau-
senden in jede Landestracht sich zu vermummen und 
jede Zeit in ihrer eigenen Sprache zu täuschen wußte, 
das vielleicht jetzt tot ist, aber, den Schein des Lebens
erheuchelnd, noch immer bösäugig und unheilstiftend 
unter uns wandelt, mit seinem Leichendufte unser blü-
hendes Leben vergiftet, ja, als ein Vampir des Mittel-
alters, den Völkern das Blut und das Licht aus den 
Herzen saugt. Dem Schlamme des Niltals entstiegen 
nicht bloß die Krokodile, die so gut weinen können, 
sondern auch jene Priester, die es noch besser verste-
hen, und jener privilegiert erbliche Kriegerstand, der 
in Mordgier und Gefräßigkeit die Krokodile noch 
übertrifft.
Zwei tiefsinnige Männer deutscher Nation entdeck-
ten den heilsamsten Gegenzauber wider die schlimm-
ste aller ägyptischen Plagen, und durch schwarze 
Kunst - durch die Buchdruckerei und das Pulver - 
brachen sie die Gewalt jener geistlichen und weltli-
chen Hierarchie, die sich aus einer Verbündung des 
Priestertums und der Kriegerkaste, nämlich der soge-
nannten katholischen Kirche und des Feudaladels, ge-
bildet hatte und die ganz Europa weltlich und geist-
lich knechtete. Die Druckerpresse zersprengte das 
Dogmengebäude, worin der Großpfaffe von Rom die 
Geister gekerkert, und Nordeuropa atmete wieder frei,
entlastet von dem nächtlichen Alp jener Klerisei, die 
zwar in der Form von der ägyptischen Standeserblich-
keit abgewichen war, im Geiste aber dem ägyptischen
Priestersysteme um so getreuer bleiben konnte, da sie 
sich nicht durch natürliche Fortpflanzung, sondern 
unnatürlich, durch mameluckenhafte Rekrutierung, als
eine Korporation von Hagestolzen, noch schroffer 
darstellte. Ebenso sehen wir, wie die Kriegerkaste 
ihre Macht verliert, seit die alte Handwerksroutine 
nicht mehr von Nutzen ist bei der neuen Kriegsweise; 
denn von dem Posaunentone der Kanonen werden 
jetzt die stärksten Burgtürme niedergeblasen, wie 
weiland die Mauern von Jericho, der eiserne Harnisch
des Ritters schützt gegen den bleiernen Regen eben-
sowenig wie der leinene Kittel des Bauers; das Pulver
macht die Menschen gleich, eine bürgerliche Flinte 
geht ebensogut los wie eine adlige Flinte - das Volk 
erhebt sich.

*

Die früheren Bestrebungen, die wir in der Ge-
schichte der lombardischen und toskanischen Repu-
bliken, der spanischen Kommunen und der freien 
Städte in Deutschland und andren Ländern erkennen, 
verdienen nicht die Ehre, eine Volkserhebung genannt
zu werden; es war kein Streben nach Freiheit, sondern
nach Freiheiten, kein Kampf für Rechte, sondern für 
Gerechtsame; Korporationen stritten um Privilegien, 
und es blieb alles in den festen Schranken des Gilden-
und Zunkwesens. Erst zur Zeit der Reformation wurde
der Kampf von allgemeiner und geistiger Art, und die 
Freiheit wurde verlangt, nicht als ein hergebrachtes, 
sondern als ein ursprüngliches, nicht als ein erworbe-
nes, sondern als ein angeborenes Recht. Da wurden 
nicht mehr alte Pergamente, sondern Prinzipien vor-
gebracht; und der Bauer in Deutschland und der Puri-
taner in England beriefen sich auf das Evangelium, 
dessen Aussprüche damals an Vernunft Statt galten, 
ja noch höher galten, nämlich als eine geoffenbarte 
Vernunft Gottes. Da stand deutlich ausgesprochen, 
daß die Menschen von gleich edler Geburt sind, daß 
hochmütiges Besserdünken verdammt werden muß, 
daß der Reichtum eine Sünde ist und daß auch die 
Armen berufen sind zum Genusse, in dem schönen 
Garten Gottes, des gemeinsamen Vaters.
Mit der Bibel in der einen Hand und mit dem 
Schwerte in der anderen zogen die Bauern durch das 
südliche Deutschland, und der üppigen Bürgerschaft 
im hochgetürmten Nürnberg ließen sie sagen, es solle 
künftig kein Haus im Reiche stehenbleiben, das an-
ders aussähe als ein Bauernhaus. So wahr und tief 
hatten sie die Gleichheit begriffen. Noch heutigentags,
in Franken und Schwaben, schauen wir die Spuren 
dieser Gleichheitslehre, und eine grauenhafte Ehr-
furcht vor dem heiligen Geiste überschleicht den 
Wanderer, wenn er im Mondschein die dunkeln Burg-
trümmer sieht aus der Zeit des Bauernkriegs. Wohl 
dem, der, nüchternen Sinns, nichts anderes sieht; ist 
man aber ein Sonntagskind - und das ist jeder Ge-
schichtskundige - , so sieht man auch die hohe Jagd, 
die der deutsche Adel, der roheste der Welt, gegen die
Besiegten geübt, man sieht, wie tausendweis die 
Wehrlosen totgeschlagen, gefoltert, gespießt und ge-
martert wurden, und aus den wogenden Kornfeldern 
sieht man sie geheimnisvoll nicken, die blutigen 
Bauernköpfe, und drüber hin hört man pfeifen eine 
entsetzliche Lerche, rachegellend, wie der Pfeifer vom
Helfenstein.
Etwas besser erging es den Brüdern in England und
Schottland; ihr Untergang war nicht so schmählich 
und erfolglos, und noch jetzt sehen wir dort die 
Früchte ihres Regiments. Aber es gelang ihnen keine 
feste Begründung desselben, die sauberen Kavaliere 
herrschen wieder nach wie vor und ergötzen sich an 
den Spaßgeschichten von den alten, starren Stutzköp-
fen, die der befreundete Barde zu ihrer müßigen Un-
terhaltung so hübsch beschrieben. Keine gesellschaft-
liche Umwälzung hat in Großbritannien stattgefun-
den, das Gerüste der bürgerlichen und politischen In-
stitutionen blieb unzerstört, die Kastenherrschaft und 
das Zunftwesen hat sich dort bis auf den heutigen Tag
erhalten, und obgleich getränkt von dem Lichte und 
der Wärme der neuern Zivilisation, verharrt England 
in einem mittelalterlichen Zustande oder vielmehr im 
Zustande eines fashionablen Mittelalters. Die Konzes-
sionen, die dort den liberalen Ideen gemacht worden, 
sind dieser mittelalterlichen Starrheit nur mühsam ab-
gekämpft worden; und nie aus einem Prinzip, sondern
aus der faktischen Notwendigkeit sind alle modernen 
Verbesserungen hervorgegangen, und sie tragen alle 
den Fluch der Halbheit, die immer neue Drangsal und 
neuen Todeskampf und dessen Gefahren nötig macht. 
Die religiöse Reformation ist in England nur halb 
vollbracht, und zwischen den kahlen vier Gefängnis-
wänden der bischöflich anglikanischen Kirche befin-
det man sich noch viel schlechter als in dem weiten, 
hübsch bemalten und weich gepolsterten Geistesker-
ker des Katholizismus. Mit der politischen Reformati-
on ist es nicht viel besser gegangen, die 
Volksvertretung ist so mangelhaft als möglich: wenn 
die Stände sich auch nicht mehr durch den Rock tren-
nen, so trennen sie sich doch noch immer durch ver-
schiedenen Gerichtsstand, Patronage, Hoffähigkeit, 
Prärogative, Gewohnheitsvorrechte und sonstige Fata-
lien; und wenn Eigentum und Person des Volks nicht 
mehr von aristokratischer Willkür, sondern vom Ge-
setze abhängen, so sind doch diese Gesetze nichts an-
deres als eine andere Art von Zähnen, womit die ari-
stokratische Brut ihre Beute erhascht, und eine andere
Art von Dolchen, womit sie das Volk meuchelt. Denn
wahrlich, kein Tyrann vom Kontinente würde aus 
Willkürlust soviel Taxen erpressen, als das englische 
Volk von Gesetz wegen bezahlen muß, und kein Ty-
rann war jemals so grausam wie Englands Kriminal-
gesetze, die täglich morden, für den Betrag eines 
Schillings und mit Buchstabenkälte. Wird auch seit 
kurzem manche Verbesserung dieses trüben Zustan-
des in England vorbereitet, werden auch der weltli-
chen und geistlichen Habsucht hie und da Schranken 
gesetzt, wird auch jetzt die große Lüge einer Volks-
vertretung einigermaßen begütigt, indem man hie und 
da einem großen Fabrikorte die verwirkte Wahl-
stimme von einem rotten borough überträgt, wird 
gleichfalls hie und da die harsche Intoleranz gemil-
dert, indem man auch einige andere Sekten bevorrech-
tet - so ist dieses alles doch nur leidige Altflickerei, 
die nicht lange vorhält, und der dümmste Schneider in
England kann voraussehen, daß über kurz oder lang 
das alte Staatskleid in trübseligen Fetzen auseinander-
reißt.

*

»Niemand flickt einen Lappen von neuem Tuche an
ein altes Kleid, denn der neue Lappen reißt doch vom 
alten, und der Riß wird ärger. Und niemand fasset 
Most in alte Schläuche; anders zerreißt der Most die 
Schläuche, und der Wein wird verschüttet, und die 
Schläuche kommen um. Sondern man soll Most in 
neue Schläuche fassen.«
Die tiefste Wahrheit erblüht nur der tiefsten Liebe, 
und daher die Übereinstimmung in den Ansichten des 
älteren Bergpredigers, der gegen die Aristokratie von 
Jerusalem gesprochen, und jener späteren Bergpredi-
ger, die von der Höhe des Konvents zu Paris ein drei-
farbiges Evangelium herabpredigten, wonach nicht 
bloß die Form des Staates, sondern das ganze gesell-
schaftliche Leben nicht geflickt, sondern neu umge-
staltet, neu begründet, ja neu geboren werden sollte.
Ich spreche von der französischen Revolution, 
jener Weltepoche, wo die Lehre der Freiheit und 
Gleichheit so siegreich emporstieg aus jener allgemei-
nen Erkenntnisquelle, die wir Vernunft nennen und 
die, als eine unaufhörliche Offenbarung, welche sich 
in jedem Menschenhaupte wiederholt und ein Wissen 
begründet, noch weit vorzüglicher sein muß als jene 
überlieferte Offenbarung, die sich nur in wenigen 
Auserlesenen bekundet und von der großen Menge 
nur geglaubt werden kann. Diese letztgenannte Offen-
barungsart, die selbst aristokratischer Natur ist, ver-
mochte nie die Privilegienherrschaft, das bevorrechte-
te Kastenwesen, so sicher zu bekämpfen, wie es die 
Vernunft, die demokratischer Natur ist, jetzt be-
kämpft. Die Revolutionsgeschichte ist die Kriegsge-
schichte dieses Kampfes, woran wir alle mehr oder 
minder teilgenommen; es ist der Todeskampf mit dem
Ägyptentum.
Obgleich die Schwerter der Feinde täglich stumpfer
werden, obgleich wir schon die besten Positionen be-
setzt, so können wir doch nicht eher das Triumphlied 
anstimmen, als bis das Werk vollendet ist. Wir kön-
nen nur in den Zwischennächten, wenn Waffenstill-
stand, mit der Lanterne aufs Schlachtfeld hinausgehn, 
um die Toten zu beerdigen. - Wenig fruchtet die 
kurze Leichenrede! Die Verleumdung, das freche Ge-
spenst, setzt sich auf die edelsten Gräber -
Ach! gilt doch der Kampf auch jenen Erbfeinden 
der Wahrheit, die so schlau den guten Leumund ihrer 
Gegner zu vergiften wissen und die sogar jenen ersten
Bergprediger, den reinsten Freiheitshelden, 
herabzuwürdigen wußten; denn als sie nicht leugnen 
konnten, daß er der größte Mensch sei, machten sie 
ihn zum kleinsten Gotte. Wer mit Pfaffen kämpft, der 
mache sich darauf gefaßt, daß der beste Lug und die 
triftigsten Verleumdungen seinen armen guten Namen
zerfetzen und schwärzen werden. Aber gleichwie man 
jene Fahnen, die in der Schlacht am meisten von den 
Kugeln zerfetzt und von Pulverdampf geschwärzt 
worden, höher ehrt als die blanksten und gesündesten 
Rekrutenfahnen und wie man sie endlich als National-
reliquien in den Domen aufstellt, so werden einst die 
Namen unserer Helden, je mehr sie zerfetzt und ange-
schwärzt worden, um so enthusiastischer verehrt wer-
den, in der heiligen Genovevakirche der Freiheit.
Wie die Helden der Revolution, so hat man die Re-
volution selbst verleumdet und sie als ein Fürsten-
schrecknis und eine Volkscheuche dargestellt in Li-
bellen aller Art. Man hat in den Schulen all die soge-
nannten Greuel der Revolution von den Kindern aus-
wendig lernen lassen, und auf den Jahrmärkten sah 
man einige Zeit nichts anderes als grellkolorierte Bil-
der der Guillotine. Es ist freilich nicht zu leugnen, 
diese Maschine, die ein französischer Arzt, ein großer
Weltorthopäde, Monsieur Guillotin, erfunden hat und 
womit man die dummen Köpfe von den bösen Herzen
sehr leicht trennen kann, diese heilsame Maschine hat 
man etwas oft angewandt, aber doch nur bei 
unheilbaren Krankheiten, z.B. bei Verrat, Lüge und 
Schwäche, und man hat die Patienten nicht lang ge-
quält, nicht gefoltert und nicht gerädert, wie einst 
Tausende und aber Tausende Roturiers und Vilains, 
Bürger und Bauern, gequält, gefoltert und gerädert 
wurden, in der guten alten Zeit. Daß die Franzosen 
mit jener Maschine sogar das Oberhaupt ihres Staates
amputiert, ist freilich entsetzlich, und man weiß nicht,
ob man sie deshalb des Vatermords oder des Selbst-
mords beschuldigen soll; aber bei milderungsgründli-
cher Betrachtung finden wir, daß Ludwig von Frank-
reich minder ein Opfer der Leidenschaften als viel-
mehr der Begebenheiten geworden und daß diejenigen
Leute, die das Volk zu solchem Opfer drängten und 
die selbst, zu allen Zeiten, in weit reichlicherem 
Maße, Fürstenblut vergossen haben, nicht als laute 
Kläger auftreten sollten. Nur zwei Könige, beide viel-
mehr Könige des Adels als des Volkes, hat das Volk 
geopfert, nicht in Friedenszeit, nicht niedriger Interes-
sen wegen, sondern in äußerster Kriegsbedrängnis, als
es sich von ihnen verraten sah und während es seines 
eignen Blutes am wenigsten schonte; aber gewiß mehr
als tausend Fürsten fielen meuchlings, und der Hab-
sucht oder frivoler Interessen wegen, durch den 
Dolch, durch das Schwert und durch das Gift des 
Adels und der Pfaffen. Es ist, als ob diese Kasten den 
Fürstenmord ebenfalls zu ihren Privilegien rechneten 
und deshalb den Tod Ludwigs XVI. und Karls I. um 
so eigennütziger beklagten. Oh, daß die Könige end-
lich einsähen, daß sie, als Könige des Volkes, im 
Schutze der Gesetze viel sicherer leben können als 
unter der Garde ihrer adligen Leibmörder!

*

Aber nicht bloß die Helden der Revolution und die 
Revolution selbst, sondern sogar unser ganzes Zeital-
ter hat man verleumdet, die ganze Liturgie unserer 
heiligsten Ideen hat man parodiert, mit unerhörtem 
Frevel, und wenn man sie hört oder liest, unsere 
schnöden Verächter, so heißt das Volk die Kanaille, 
die Freiheit heißt Frechheit, und mit himmelnden 
Augen und frommen Seufzern wird geklagt und be-
dauert, wir wären frivol und hätten leider keine Reli-
gion. Heuchlerische Duckmäuser, die unter der Last 
ihrer geheimen Sünden niedergebeugt einherschlei-
chen, wagen es, ein Zeitalter zu lästern, das vielleicht 
das heiligste ist von allen seinen Vorgängern und 
Nachfolgern, ein Zeitalter, das sich opfert für die Sün-
den der Vergangenheit und für das Glück der Zukunft,
ein Messias unter den Jahrhunderten, der die blutige 
Dornenkrone und die schwere Kreuzlast kaum ertrü-
ge, wenn er nicht dann und wann ein heiteres Vaude-
ville trällerte und Späße risse über die neueren 
Pharisäer und Sadduzäer. Die kolossalen Schmerzen 
wären nicht zu ertragen ohne solche Witzreißerei und 
Persiflage! Der Ernst tritt um so gewaltiger hervor, 
wenn der Spaß ihn angekündigt. Die Zeit gleicht hier-
in ganz ihren Kindern unter den Franzosen, die sehr 
scherzliche, leichtfertige Bücher geschrieben und 
doch sehr streng und ernsthaft sein konnten, wo Stren-
ge und Ernst notwendig wurden; z.B. Du Clos und 
gar Louvet de Couvray, die beide, wo es galt, mit 
Märtyrerkühnheit und Aufopferung für die Freiheit 
stritten, übrigens aber sehr frivol und schlüpfrig 
schrieben und leider keine Religion hatten.
Als ob die Freiheit nicht ebensogut eine Religion 
wäre als jede andere! Da es die unsrige ist, so könnten
wir, mit demselben Maße messend, ihre Verächter für
frivol und irreligios erklären.
Ja, ich wiederhole die Worte, womit ich diese Blät-
ter eröffnet: Die Freiheit ist eine neue Religion, die 
Religion unserer Zeit. Wenn Christus auch nicht der 
Gott dieser Religion ist, so ist er doch ein hoher Prie-
ster derselben, und sein Name strahlt beseligend in 
die Herzen der Jünger. Die Franzosen sind aber das 
auserlesene Volk der neuen Religion, in ihrer Sprache
sind die ersten Evangelien und Dogmen verzeichnet, 
Paris ist das neue Jerusalem, und der Rhein ist der 
Jordan, der das geweihte Land der Freiheit trennt von 
dem Lande der Philister.

I-VI | VII-XI

Die Stadt Lucca | Schlußwort

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