Ludwig Börne.
Eine Denkschrift

Viertes Buch

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Text by Heinrich Heine (1797-1856)


- Und dennoch beurkundete das Fest von Hambach 
einen großen Fortschritt, zumal wenn man es mit 
jenem anderen Feste vergleicht, das einst ebenfalls zur
Verherrlichung gemeinsamer Volksinteressen auf der 
Wartburg stattfand. Nur in Außendingen, in Zufällig-
keiten, sind sich beide Bergfeiern sehr ähnlich; kei-
neswegs ihrem tieferen Wesen nach. Der Geist, der 
sich auf Hambach aussprach, ist grundverschieden 
von dem Geiste oder vielmehr von dem Gespenste, 
das auf der Wartburg seinen Spuk trieb. Dort, auf 
Hambach, jubelte die moderne Zeit ihre Sonnenauf-
gangslieder, und mit der ganzen Menschheit ward 
Brüderschaft getrunken; hier aber, auf der Wartburg, 
krächzte die Vergangenheit ihren obskuren Rabenge-
sang, und bei Fackellicht wurden Dummheiten gesagt 
und getan, die des blödsinnigsten Mittelalters würdig 
waren! Auf Hambach hielt der französische Liberalis-
mus seine trunkensten Bergpredigten, und sprach man
auch viel Unvernünftiges, so ward doch die Vernunft 
selber anerkannt als jene höchste Autorität, die da 
bindet und löset und den Gesetzen ihre Gesetze vor-
schreibt; auf der Wartburg hingegen herrschte jener 
beschränkte Teutomanismus, der viel von Liebe und 
Glaube greinte, dessen Liebe außer nichts anders war 
als Haß des Fremden und dessen Glaube nur in der 
Unvernunft bestand und der in seiner Unwissenheit 
nichts Besseres zu erfinden wußte, als Bücher zu ver-
brennen! Ich sage Unwissenheit, denn in dieser Bezie-
hung war jene frühere Opposition, die wir unter dem 
Namen »die Altdeutschen« kennen, noch großartiger 
als die neuere Opposition, obgleich diese nicht gar 
besonders durch Gelehrsamkeit glänzt. Eben derjeni-
ge, welcher das Bücherverbrennen auf der Wartburg 
in Vorschlag brachte, war auch zugleich das 
unwissendste Geschöpf, das je auf Erden turnte und 
altdeutsche Lesarten herausgab: wahrhaftig, dieses 
Subjekt hätte auch Bröders lateinische Grammatik ins
Feuer werfen sollen!
Sonderbar! trotz ihrer Unwissenheit hatten die so-
genannten Altdeutschen von der deutschen Gelahrt-
heit einen gewissen Pedantismus geborgt, der ebenso 
widerwärtig wie lächerlich war. Mit welchem kleinse-
ligen Silbenstechen und Auspünkteln diskutierten sie 
über die Kennzeichen deutscher Nationalität! Wo 
fängt der Germane an? Wo hört er auf? Darf ein Deut-
scher Tabak rauchen? Nein, behauptete die Mehrheit. 
Darf ein Deutscher Handschuhe tragen? Ja, jedoch 
von Büffelhaut. (Der schmutzige Maßmann wollte 
ganz sichergehen und trug gar keine.) Aber Biertrin-
ken darf ein Deutscher, und er soll es als echter Sohn 
Germanias; denn Tacitus spricht ganz bestimmt von 
deutscher Cerevisia. Im Bierkeller zu Göttingen 
mußte ich einst bewundern, mit welcher Gründlich-
keit meine altdeutschen Freunde die Proskriptionsli-
sten anfertigten, für den Tag, wo sie zur Herrschaft 
gelangen würden. Wer nur im siebenten Glied von 
einem Franzosen, Juden oder Slawen abstammte, 
ward zum Exil verurteilt. Wer nur im mindesten 
etwas gegen Jahn oder überhaupt gegen altdeutsche 
Lächerlichkeiten geschrieben hatte, konnte sich auf 
den Tod gefaßt machen, und zwar auf den Tod durchs
Beil, nicht durch die Guillotine, obgleich diese ur-
sprünglich eine deutsche Erfindung und schon im 
Mittelalter bekannt war, unter dem Namen »die wel-
sche Falle«. Ich erinnere mich bei dieser Gelegenheit, 
daß man ganz ernsthaft debattierte, ob man einen ge-
wissen Berliner Schriftsteller, der sich im ersten 
Bande seines Werkes gegen die Turnkunst ausgespro-
chen hatte, bereits auf die erwähnte Proskriptionsliste 
setzen dürfe: denn der letzte Band seines Buches sei 
noch nicht erschienen, und in diesem letzten Bande 
könne der Autor vielleicht Dinge sagen, die den 
inkriminierten Äußerungen des ersten Bandes eine 
ganz andere Bedeutung erteilen.
Sind diese dunklen Narren, die sogenannten 
Deutschtümler, ganz vom Schauplatz verschwunden? 
Nein. Sie haben bloß ihre schwarzen Röcke, die Li-
vree ihres Wahnsinns, abgelegt. Die meisten entledig-
ten sich sogar ihres weinerlich brutalen Jargons, und 
vermummt in den Farben und Redensarten des Libe-
ralismus, waren sie der neuen Opposition desto ge-
fährlicher während der politischen Sturm-und-Drang-
Periode nach den Tagen des Julius. Ja, im Heere der 
deutschen Revolutionsmänner wimmelte es von ehe-
maligen Deutschtümlern, die mit sauren Lippen die 
moderne Parole nachlallten und sogar die Marseillaise
sangen... sie schnitten dabei die fatalsten Gesichter... 
Jedoch, es galt einen gemeinschaftlichen Kampf für 
ein gemeinschaftliches Interesse, für die Einheit 
Deutschlands, der einzigen Fortschrittsidee, die jene 
frühere Opposition zu Markte gebracht. Unsere Nie-
derlage ist vielleicht ein Glück... Man hätte als Waf-
fenbrüder treulich nebeneinander gefochten, man wäre
sehr einig gewesen während der Schlacht, sogar noch 
in der Stunde des Sieges... aber den andern Morgen 
wäre eine Differenz zur Sprache gekommen, die un-
ausgleichbar und nur durch die ultima ratio po-
pulorum zu schlichten war, nämlich durch die welsche
Falle. Die Kurzsichtigen freilich unter den deutschen 
Revolutionären beurteilten alles nach französischen 
Maßstäben, und sie sonderten sich schon in Konstitu-
tionelle und Republikaner und wiederum in Girondi-
sten und Montagnards, und nach solchen Einteilungen
haßten und verleumdeten sie sich schon um die Wette;
aber die Wissenden wußten sehr gut, daß es im Heere 
der deutschen Revolution eigentlich nur zwei 
grundverschiedene Parteien gab, die keiner Transakti-
on fähig und heimlich dem blutigsten Hader 
entgegenzürnten. Welche von beiden schien die über-
wiegende? Die Wissenden unter den Liberalen ver-
hehlten einander nicht, daß ihre Partei, welche den 
Grundsätzen der französischen Freiheitslehre huldig-
te, zwar an Zahl die stärkere, aber an Glaubenseifer 
und Hülfsmitteln die schwächere sei. In der Tat jene 
regenerierten Deutschtümler bildeten zwar die Mino-
rität, aber ihr Fanatismus, welcher mehr religiöser 
Art, überflügelte leicht einen Fanatismus, den nur die 
Vernunft ausgebrütet hat; ferner stehen ihnen jene 
mächtigen Formeln zu Gebot, womit man den rohen 
Pöbel beschwört, die Worte »Vaterland, Deutschland,
Glauben der Väter« usw. elektrisieren die unklaren 
Volksmassen noch immer weit sicherer als die Worte 
»Menschheit, Weltbürgertum, Vernunft der Söhne, 
Wahrheit...!« Ich will hiermit andeuten, daß jene Re-
präsentanten der Nationalität im deutschen Boden 
weit tiefer wurzeln als die Repräsentanten des Kos-
mopolitismus und daß letztere im Kampfe mit jenen 
wahrscheinlich den kürzern ziehen, wenn sie ihnen 
nicht schleunigst zuvorkommen... durch die welsche 
Falle.
In Revolutionszeiten bleibt uns nur die Wahl zwi-
schen Töten und Sterben.
Man hat keinen Begriff von solchen Zeiten, wenn 
man nicht etwas gekostet hat von dem Fieber, das als-
dann die Menschen schüttelt und ihnen eine ganz ei-
gene Denk- und Gefühlsweise einhaucht. Es ist un-
möglich, die Worte und Taten solcher Zeiten während
der Windstille einer Friedensperiode, wie die jetzige, 
zu beurteilen.
Ich weiß nicht, inwieweit obige Andeutungen 
einem stillen Verständnis begegnen. Unsere Nachfol-
ger erben vielleicht unsere geheimen Übel, und es ist 
Pflicht, daß wir sie darauf hinweisen, welches Heil-
mittel wir für probat hielten. Zugleich habe ich hier 
oben insinuiert, inwiefern zwischen mir und jenen Re-
volutionären, die den französischen Jakobinismus auf 
deutsche Verhältnisse übertrugen, eine gewisse Ver-
bündung stattfinden mußte... Trotzdem daß mich 
meine politischen Meinungen von ihnen schieden im 
Reiche des Gedankens, würde ich mich doch jederzeit
denselben angeschlossen haben auf den Schlachtfel-
dern der Tat... Wir hatten ja gemeinschaftliche Feinde
und gemeinschaftliche Gefahren!
Freilich, in ihrer trüben Befangenheit haben jene 
Revolutionäre nie die positiven Garantien dieser na-
türlichen Allianz begriffen. Auch war ich ihnen so 
weit vorausgeschritten, daß sie mich nicht mehr 
sahen, und in ihrer Kurzsichtigkeit glaubten sie, ich 
wäre zurückgeblieben.
Es ist weder hier der Ort, noch ist es jetzt an der 
Zeit, ausführlicher über die Differenzen zu reden, die 
sich bald nach der Juliusrevolution zwischen mir und 
den deutschen Revolutionären in Paris kundgeben 
mußten. Als der bedeutendste Repräsentant dieser 
letzteren muß unser Ludwig Börne betrachtet werden,
zumal in den letzten Jahren seines Lebens, als, infolge
der republikanischen Niederlagen, die zwei tätigsten 
Agitatoren, Garnier und Wolfrum, vom Schauplatze 
abtraten.
Von ersterem ist bereits Erwähnung geschehn. Er 
war einer der rüstigsten Umtriebler, und man muß 
ihm das Zeugnis geben, daß er alle demagogische Ta-
lente im höchsten Grade besaß. Ein Mensch von vie-
lem Geiste, auch vielen Kenntnissen und großer Be-
redsamkeit. Aber ein Intrigant. In den Stürmen einer 
deutschen Revolution hätte Garnier gewiß eine Rolle 
gespielt; da aber das Stück nicht aufgeführt wurde, 
ging es ihm schlecht. Man sagt, er mußte von Paris 
flüchten, weil sein Gastwirt ihm nach dem Leben 
trachtete, nicht, indem er ihm die Speisen zu vergiften
drohte, sondern indem er ihm gar keine Speisen mehr 
ohne bare Bezahlung verabreichen wollte. Der andere 
der beiden Agitatoren, Wolfrum, war ein junger 
Mensch aus Altbayern, wenn ich nicht irre aus Hof, 
der hier als Kommis in einem Handlungshause kondi-
tionierte, aber seine Stelle aufgab, um den ausbre-
chenden Freiheitsideen, die auch ihn ergriffen hatten, 
seine ganze Tätigkeit zu widmen. Es war ein braver, 
uneigennütziger, von reiner Begeisterung getriebener 
Mensch, und ich halte mich um so mehr verpflichtet, 
dieses auszusprechen, da sein Andenken noch nicht 
ganz gereinigt ist von einer schauderhaften Verleum-
dung. Als er nämlich aus Paris verwiesen wurde und 
der General Lafayette den Grafen d'Argout, damaligen
Minister des Innern, ob dieser Willkür in der Kammer
zur Rede stellte, schneuzte d'Argout seine lange Nase 
und behauptete, der Verwiesene sei ein Agent der 
bayerschen Jesuiten gewesen und unter seinen Papie-
ren habe man die Beweisstücke gefunden. Als Wol-
frum, welcher sich in Belgien aufhielt, von dieser 
schnöden Beschuldigung durch die Tagesblätter 
Kunde empfing, wollte er auf der Stelle hierher zu-
rückeilen, konnte aber wegen mangelnder Barschaft 
nur zu Fuße reisen, und erkrankt durch Übermüdung 
und innere Aufregung, mußte er bei seiner Ankunft zu
Paris im Hôtel de Dieu einkehren; hier starb er unter 
fremdem Namen.
Wolfrum und Garnier waren immer Börnes treue 
Anhänger, aber sie behaupteten ihm gegenüber eine 
gewisse Unabhängigkeit, und nicht selten schöpften 
sie ihre Inspirationen aus ganz andern Quellen. Seit-
dem aber diese beiden verschwanden, trat Börne unter
den Revolutionären zu Paris unmittelbar persönlich 
hervor, er herrschte nicht mehr durch Agenten seines 
Willens, sondern in eigenem Namen, und es fehlte 
ihm nicht an einem Hofstaat von beschränkten und 
erhitzten Köpfen, die ihm mit blinder Verehrung hul-
digten. Unter diesen lieben Getreuen saß er in aller 
Majestät seines buntseidenen Schlafrocks und hielt 
Gericht über die Großen dieser Erde, und neben dem 
Zaren aller Reußen war es wohl der Schreiber dieser 
Blätter, den sein rhadamantischer Zorn am stärksten 
traf... Was in seinen Schriften nur halbwegs angedeu-
tet wurde, fand im mündlichen Vortrag die grellste 
Ergänzung, und der argwöhnische Kleingeist, der ihn 
bemeisterte, und eine gewisse infame Tugend, die für 
die heilige Sache sogar die Lüge nicht verschmäht, 
kurz, Beschränktheit und Selbsttäuschung, trieben 
den Mann bis in die Moräste der Verleumdung.
Der Vorwurf in den Worten »argwöhnischer Klein-
geist« soll hier weniger das Individuum als vielmehr 
die ganze Gattung treffen, die in Maximilian Robes-
pierre, glorreichen Andenkens, ihren vollkommensten 
Repräsentanten gefunden. Mit diesem hatte Börne zu-
letzt die größte Ähnlichkeit: im Gesichte lauerndes 
Mißtrauen, im Herzen eine blutdürstige Sentimentali-
tät, im Kopfe nüchterne Begriffe... Nur stand ihm 
keine Guillotine zu Gebote, und er mußte zu Worten 
seine Zuflucht nehmen und bloß verleumden. Auch 
dieser Vorwurf trifft mehr die Gattungen; denn son-
derbar! ebenso wie die Jesuiten haben die Jakobiner 
das Lügen als ein erlaubtes Kriegsmittel adoptiert, 
vielleicht weil sich beide der höchsten Zwecke be-
wußt waren: jene stritten für die Sache Gottes, diese 
für die Sache der Menschheit... Wir wollen ihnen 
daher ihre Verleumdungen verzeihen!
Ob aber bei Ludwig Börne nicht manchmal ein ge-
heimer Neid im Spiele war? Er war ja ein Mensch, 
und während er glaubte, er ruiniere den guten Leu-
mund eines Andersgesinnten nur im Interesse der Re-
publik, während er sich vielleicht noch etwas darauf 
zugute tat, dieses Opfer gebracht zu haben, befriedig-
te er unbewußt die versteckten Gelüste der eignen 
bösen Natur, wie einst Maximilian Robespierre, glor-
reichen Andenkens!
Und namentlich in betreff meiner hat der Selige 
sich solchen Privatgefühlen hingegeben, und alle 
seine Anfeindungen waren am Ende nichts anders als 
der kleine Neid, den der kleine Tambourmaître gegen 
den großen Tambourmajor empfindet: er beneidete 
mich ob des großen Federbusches, der so keck in die 
Lüfte hineinjauchzt, ob meiner reichgestickten Uni-
form, woran mehr Silber, als er, der kleine Tambour-
maitre, mit seinem ganzen Vermögen bezahlen konn-
te, ob der Geschicklichkeit, womit ich den großen 
Stock balanciere, ob der Liebesblicke, die mir die jun-
gen Dirnen zuwerfen und die ich vielleicht mit etwas 
Koketterie erwidre!
Der Umgebung Börnes mag ebenfalls vieles von 
den angedeuteten Verirrungen zur Last fallen; er ward
von den lieben Getreuen zu mancher schlimmen Äu-
ßerung angestachelt, und das mündlich Geäußerte 
ward noch bösartiger aufgestutzt und zu wunderlichen
Privatzwecken verarbeitet. Bei all seinem Mißtrauen 
war er leicht zu betrügen, er ahnte nie, daß er ganz 
fremden Leidenschaften diente und nicht selten sogar 
den Einflüsterungen seiner Gegner gehorchte. Man 
versicherte mir, einige von den Spionen, die für Rech-
nung gewisser Regierungen hier herumschnüffeln, 
wußten sich so patriotisch zu gebärden, daß Börne 
ihnen sein ganzes Vertrauen schenkte und Tag und 
Nacht mit ihnen zusammenhockte und konspirierte.
Und doch wußte er, daß er von Spionen umgeben 
war, und einst sagte er mir: »Da geht beständig ein 
Kerl hinter mir her, der mich auf allen Straßen ver-
folgt, vor allen Häusern stehenbleibt, wo ich hinein-
gehe, und gewiß von irgendeiner Regierung teuer 
dafür bezahlt wird. Wüßte ich nur, welche Regierung,
ich würde ihr schreiben, daß ich das Geld selbst ver-
dienen möchte, daß ich selber ihr täglich einen gewis-
senhaften Rapport abstatten wolle, wie ich den gan-
zen Tag zugebracht, mit wem ich gesprochen, wohin 
ich gegangen: ja, ich bin erbötig, diesen Rapport zu 
weit wohlfeilerem Preise, ja für die Hälfte des Geldes 
zu liefern, das dieser Kerl, der beständig hinter mir 
einhergeht, sich zahlen läßt; denn ich muß ja alle 
diese Gänge ohnedies machen. Ich könnte vielleicht 
davon leben, daß ich mein eigner Spion werde.«
Einen großen, vielleicht den größten Einfluß übte 
damals auf Börne die sogenannte Madame Wohl, eine
bereits in diesen Blättern erwähnte zweideutige 
Dame, wovon man nicht genau wußte, zu welchem 
Titel ihr Verhältnis zu Börne sie berechtigte, ob sie 
seine Geliebte oder bloß seine Gattin. Die nächsten 
Freunde behaupteten lange Zeit steif und fest, daß 
Madame Wohl ihm heimlich angetraut sei und eines 
frühen Morgens als Frau Doktorin Börne ihre Auf-
wartung machen werde. Andere meinten, es herrsche 
zwischen beiden nur eine platonische Liebe, wie einst
zwischen Messer Francesco und Madonna Laura, und
sie fanden gewiß auch eine große Ähnlichkeit zwi-
schen Petrarchas Sonetten und Börnes »Pariser Brie-
fen«. Letztere waren nämlich nicht an eine erdichtete 
Luftgestalt, sondern an Madame Wohl gerichtet, was 
gewiß zu ihrem Werte beitrug, indem es ihnen jene 
bestimmte Physiognomie und jenes Individuelle er-
teilte, was keine Kunst nachahmen kann. Wenn sich 
in Briefen nicht bloß der Charakter des Schreibers, 
sondern auch des Empfängers abspiegelt, so ist Ma-
dame Wohl eine höchst respektable Person, die für 
Freiheit und Menschenrechte glüht, ein Wesen voll 
Gemüt, voll Begeisterung... Und in der Tat, wir 
müssen dieser Ansicht Glauben schenken, wenn wir 
vernehmen, mit welcher Hingebung die Dame in bit-
terer Zeit an Börne festhielt, wie sie ihm ihr ganzes 
Leben weihte und wie sie jetzt, nach seinem Tode, in 
trostlosem Kummer verharrt, sich in der Einsamkeit 
nur noch mit dem Verstorbenen beschäftigend. Un-
streitbar herrschte zwischen beiden die innigste Zu-
neigung, aber während das Publikum zweifelhaft war,
welche sinnliche Tatsachen daraus entsprungen sein 
möchten, überraschte uns einst die plötzliche Nach-
richt, daß Madame Wohl sich nicht mit Börne, son-
dern mit einem jungen Kaufmann aus Frankfurt ver-
mählt habe... Die Verwunderung hierüber ward noch 
dadurch gesteigert, daß die Neuvermählte nebst ihrem
Gatten hierherkam, mit Börne ein und dieselbe Woh-
nung bezog und alle drei einen einzigen Haushalt bil-
deten. Ja, es hieß, der junge Gatte habe die Frau nur 
deshalb geheuratet, um mit Börne in nähere Berüh-
rung zu kommen, er habe sich ausbedungen, daß zwi-
schen beiden das frühere Verhältnis unverändert fort-
walte. Wie man mir sagt, spielte er im Hause nur die 
dienende Person, verrichtete die roheren Geschäfte 
und ward ein sehr nützlicher Laufbursche für Börne, 
mit dessen Ruhm er hausieren ging und gegen dessen 
Gegner er unerbittlich Gift und Galle geiferte.
In der Tat, jener Gatte der Madame Wohl gehört 
nicht zu der guten Sorte, die mit der Toleranz in der 
Ehe eine gewisse Harmlosigkeit verbindet und da-
durch allen Spott entwaffnet. Nein, er erinnerte viel-
mehr an jene böse Gattung, wovon in den indischen 
Geschichten des Ktesias Erwähnung geschieht. Dieser
Autor berichtet nämlich: in Indien gäbe es gehörnte 
Esel, und während alle andere Esel gar keine Galle 
haben, hätten jene gehörnten Esel einen solchen Über-
fluß an Galle, daß ihr Fleisch dadurch ganz bitter 
schmecke.
Ich hoffe, es wird niemand mißdeuten, weshalb ich 
obige Partikularitäten aus Börnes Privatleben hervor-
hebe. Sie sollen nur zeigen, daß es noch ganz beson-
dere Mißstände gab, die mir geboten, mich von ihm 
entfernt zu halten. Das ganze Reinlichkeitsgefühl mei-
ner Seele sträubte sich in mir bei dem Gedanken, mit 
seiner nächsten Umgebung in die mindeste Berührung
zu geraten. Soll ich die Wahrheit gestehen, so sah ich 
in Börnes Haushalt eine Immoralität, die mich anwi-
derte. Dieses Geständnis mag befremdlich klingen im 
Munde eines Mannes, der nie im Zelotengeschrei so-
genannter Sittenprediger einstimmte und selber hin-
länglich von ihnen verketzert wurde. Verdiente ich 
wirklich diese Verketzerungen? Nach tiefster Selbst-
prüfung kann ich mir das Zeugnis geben, daß niemals 
meine Gedanken und Handlungen in Widerspruch ge-
raten mit der Moral, mit jener Moral, die meiner Seele
eingeboren, die vielleicht meine Seele selbst ist, die 
beseelende Seele meines Lebens. Ich gehorche fast 
passiv einer sittlichen Notwendigkeit und mache des-
halb keine Ansprüche auf Lorbeerkränze und sonstige
Tugendpreise. Ich habe jüngst ein Buch gelesen, 
worin behauptet wird, ich hätte mich gerühmt, es liefe
keine Phryne über die Pariser Boulevards, deren 
Reize mir unbekannt geblieben. Gott weiß, welchem 
ehrwürdigen Korrespondenzler solche saubre Anek-
doten nachgesprochen wurden, ich kann aber dem 
Verfasser jenes Buches die Versicherung geben, daß 
ich, selbst in meiner tollsten Jugendzeit, nie ein Weib 
erkannt habe, wenn ich nicht dazu begeistert ward 
durch ihre Schönheit, die körperliche Offenbarung 
Gottes, oder durch die große Passion, jene große Pas-
sion, die ebenfalls göttlicher Art, weil sie uns von 
allen selbstsüchtigen Kleingefühlen befreit und die 
eiteln Güter des Lebens, ja das Leben selbst, hinop-
fern läßt! Was aber unseren Ludwig Börne betrifft, so
dürfen wir kühn behaupten, daß es keineswegs die 
Begeisterung für Schönheit war, die ihn zu seiner Ma-
dame Wohl hinzog. Ebensowenig findet das Verhält-
nis dieser beiden Personen seine moralische Rechtfer-
tigung in der großen Passion. Beherrscht von der gro-
ßen Passion würden beide keinen Anstand genommen
haben, selbst ohne den Segen der Kirche und der Mai-
rie, beieinander zu wohnen; das kleine Bedenken über
das Kopfschütteln der Welt hätte sie nicht davon 
abgehalten... Und die Welt ist am Ende gerecht, und 
sie verzeiht die Flammen, wenn nur der Brand stark 
und echt ist und schön lodert und lange...
Gegen eitel verpuffendes Strohfeuer ist sie hart, 
und sie verspottet jede ängstliche Halbglut... Die 
Welt achtet und ehrt jede Leidenschaft, sobald sie 
sich als eine wahre erprobt, und die Zeit erzeugt auch 
in diesem Falle eine gewisse Legitimität... Aber Ma-
dame Wohl tat sich mit Börne zusammen unter dem 
Deckmantel der Ehe mit einem lächerlichen Dritten, 
dessen bitteres Fleisch ihr vielleicht manchmal mun-
dete, während ihr Geist sich weidete am süßen Geiste 
Börnes... Selbst in diesem anständigsten Falle, selbst 
im Fall dem idealischen Freunde nur das reine, schöne
Gemüt und dem rohen Gatten die nicht sehr schöne 
und nicht sehr reinliche Hülle gewidmet ward, beruhte
der ganze Haushalt auf der schmutzigsten Lüge, auf 
entweihter Ehe und Heuchelei, auf Immoralität.
Zu dem Ekel, der mich bei dem Zusammentreffen 
mit Börne von seiten seiner Umgebung bedrohte, ge-
sellte sich auch das Mißbehagen, womit mich sein be-
ständiges Kannengießern erfüllte. Immer politisches 
Räsonieren und wieder Räsonieren, und sogar beim 
Essen, wo er mich aufzusuchen wußte. Bei Tische, wo
ich so gern alle Misere der Welt vergesse, verdarb er 
mir die besten Gerichte, durch seine patriotische 
Galle, die er gleichsam wie eine bittere Sauce darüber
hinschwatzte. Kalbsfüße à la Maître d'hôtel, damals 
meine harmlose Lieblingsspeise, er verleidete sie mir 
durch Hiobsposten aus der Heimat, die er aus den un-
zuverlässigsten Zeitungen zusammengegabelt hatte. 
Und dann seine verfluchten Bemerkungen, die einem 
den Appetit verdarben. So z.B. kroch er mir mal nach 
in den Restaurant der Rue Lepelletier, wo damals nur 
politische Flüchtlinge aus Italien, Spanien, Portugal 
und Polen zu Mittag speisten. Börne, welcher sie alle 
kannte, bemerkte mit freudigem Händereiben: wir 
beide seien von der ganzen Gesellschaft die einzigen, 
die nicht von ihrer respektiven Regierung zum Tode 
verurteilt worden. »Aber ich habe«, setzte er hinzu, 
»noch nicht alle Hoffnung aufgegeben, es ebensoweit 
zu bringen. Wir werden am Ende alle gehenkt, und 
Sie ebensogut wie ich.« Ich äußerte bei dieser Gele-
genheit, daß es in der Tat für die Sache der deutschen 
Revolution sehr fördersam wäre, wenn unsere Regie-
rungen etwas rascher verführen und einige Revolutio-
näre wirklich aufhingen, damit die übrigen sähen, daß
die Sache gar kein Spaß und alles an alles gesetzt 
werden müsse... »Sie wollen gewiß«, fiel mir Börne 
in die Rede, »daß wir nach dem Alphabet gehenkt 
werden, und da wäre ich einer der ersten und käme 
schon im Buchstab B, man mag mich nun als Börne 
oder als Baruch hängen; und es hätte dann noch gute 
Weile, bis man an Sie käme, tief ins H.«
Das waren nun Tischgespräche, die mich nicht sehr
erquickten, und ich rächte mich dafür, indem ich für 
die Gegenstände des Börneschen Enthusiasmus eine 
übertriebene, fast leidenschaftliche Gleichgültigkeit 
affektierte. Zum Beispiel Börne hatte sich geärgert, 
daß ich gleich bei meiner Ankunft in Paris nichts Bes-
seres zu tun wußte, als für deutsche Blätter einen lan-
gen Bericht über die damalige Gemäldeausstellung zu
schreiben. Ich lasse dahingestellt sein, ob das Kun-
stinteresse, das mich zu solcher Arbeit trieb, so ganz 
unvereinbar war mit den revolutionären Interessen des
Tages; aber Börne sah hierin einen Beweis meines In-
differentismus für die heilige Sache der Menschheit, 
und ich konnte ihm ebenfalls die Freude seines patrio-
tischen Sauerkrauts verleiden, wenn ich bei Tisch von
nichts als von Bildern sprach, von Roberts »Schnit-
tern«, von Horaz Vernets »Judith«, von Scheffers 
»Faust«. »Was taten Sie?« - frug er mich einst - »am
ersten Tag Ihrer Ankunft in Paris? Was war Ihr erster 
Gang?« Er erwartete gewiß, daß ich ihm die Place 
Louis XVI oder das Pantheon, die Grabmäler Rousse-
aus und Voltaires, als meine erste Ausflucht nennen 
würde, und er machte ein sonderbares Gesicht, als ich
ihm ehrlich die Wahrheit gestand, daß ich nämlich 
gleich bei meiner Ankunft nach der Bibliothèque 
Royale gegangen und mir vom Aufseher der Manu-
skripte den Manessischen Kodex der Minnesänger 
hervorholen ließ. Und das ist wahr; seit Jahren gelü-
stete mich, mit eigenen Augen die teuern Blätter zu 
sehen, die uns unter anderen die Gedichte Walthers 
von der Vogelweide, des größten deutschen Lyrikers, 
aufbewahrt haben. Für Börne war dieses ebenfalls ein
Beweis meines Indifferentismus, und er zieh mich des
Widerspruchs mit meinen politischen Grundsätzen. 
Daß ich es nie der Mühe wert hielt, letztere mit ihm 
zu diskutieren, versteht sich von selbst; und als er 
einst auch in meinen Schriften einen Widerspruch ent-
deckt haben wollte, begnügte ich mich mit der ironi-
schen Antwort: »Sie irren sich, Liebster, dergleichen 
findet sich nie in meinen Büchern, denn jedesmal, ehe
ich schreibe, pflege ich vorher meine politischen 
Grundsätze in meinen früheren Schriften wieder nach-
zulesen, damit ich mir nicht widerspreche und man 
mir keinen Abfall von meinen liberalen Prinzipien 
vorwerfen könne.« Aber nicht bloß beim Essen, son-
dern sogar in meiner Nachtsruhe inkommodierte mich
Börne mit seiner patriotischen Exaltation. Er kam ein-
mal um Mitternacht zu mir heraufgestiegen in meine 
Wohnung, weckte mich aus dem süßesten Schlaf, 
setzte sich vor mein Bett und jammerte eine ganze 
Stunde über die Leiden des deutschen Volks und über
die Schändlichkeiten der deutschen Regierungen, und 
wie die Russen für Deutschland so gefährlich seien 
und wie er sich vorgenommen habe, zur Rettung 
Deutschlands gegen den Kaiser Nikolaus zu schreiben
und gegen die Fürsten, die das Volk so mißhandelten,
und gegen den Bundestag... Und ich glaube, er hätte 
bis zum Morgen in diesem Zuge fortgeredet, wenn ich
nicht plötzlich, nach langem Schweigen, in die Worte 
ausbrach: »Sind Sie Gemeindeversorger?« -
Nur zweimal habe ich ihn seitdem wieder gespro-
chen. Das eine Mal bei der Heirat eines gemeinsamen 
Freundes, der uns beide als Zeugen gewählt, das an-
dere Mal auf einem Spaziergang in den Tuilerien, des-
sen ich bereits erwähnte. Bald darauf erschien der 
dritte und vierte Teil seiner »Pariser Briefe«, und ich 
vermied nicht bloß jede Gelegenheit des Zusammen-
treffens, sondern ich ließ ihn auch merken, daß ich 
ihm geflissentlich auswich, und seit der Zeit habe ich 
ihm zwar zwei- oder dreimal begegnet, aber nie habe 
ich seitdem ein einziges Wort mit ihm gesprochen. 
Bei seiner sanguinischen Art wurmte ihn das bis zur 
Verzweiflung, und er setzte alle möglichen Erfindun-
gen ins Spiel, um mir wieder freundschaftlich nahen 
zu dürfen oder wenigstens eine Unterredung mit mir 
zu bewirken. Ich hatte also nie im Leben mit Börne 
einen mündlichen Disput, nie sagten wir uns irgendei-
ne schwere Beleidigung; nur aus seinen gedruckten 
Reden merkte ich die lauernde Böswilligkeit, und 
nicht verletztes Selbstgefühl, sondern höhere Sorgen 
und die Treue, die ich meinem Denken und Wollen 
schuldig bin, bewogen mich, mit einem Mann zu bre-
chen, der meine Gedanken und Bestrebungen kompro-
mittieren wollte. Solches hartnäckige Ablehnen ist 
aber nicht ganz in meiner Art, und ich wäre vielleicht 
nachgiebig genug gewesen, mit Börne wieder zu spre-
chen und Umgang zu pflegen... zumal, da sehr liebe 
Personen mich mit vielen Bitten angingen und die ge-
meinschaftlichen Freunde oft in Verlegenheit gerieten 
bei Einladungen, deren ich keine annahm, wenn ich 
nicht vorher die Zusicherung erhielt, daß Herr Börne 
nicht geladen sei... noch außerdem rieten mir meine 
Privatinteressen, den grimmblütigen Mann durch sol-
ches strenge Zurückweisen nicht allzusehr zu reizen...
aber ein Blick auf seine Umgebung, auf seine lieben 
Getreuen, auf den vielköpfigen und mit den Schwän-
zen zusammengewachsenen Rattenkönig, dessen 
Seele er bildete, und der Ekel hielt mich zurück von 
jeder neuen Berührung mit Börne.
So vergingen mehrere Jahre, drei, vier Jahre, ich 
verlor den Mann auch geistig aus dem Gesicht, selbst 
von jenen Artikeln, die er in französischen Zeitschrif-
ten gegen mich schrieb und die im ehrlichen Deutsch-
land so verleumderisch ausgebeutet wurden, nahm ich
wenig Notiz, als ich eines späten Herbstabends die 
Nachricht erhielt, Börne sei gestorben.
Wie man mir sagt, soll er seinen Tod selbst ver-
schuldet haben, durch Eigensinn, indem er sich lange 
weigerte, seinen Arzt, den vortrefflichen Dr. Sichel, 
rufen zu lassen. Dieser nicht bloß berühmte, sondern 
auch sehr gewissenhafte Arzt, der ihn wahrscheinlich 
gerettet hätte, kam zu spät, als der Kranke bereits eine
terroristische Selbstkur an sich vorgenommen und sei-
nen ganzen Körper ruiniert hatte.
Börne hatte früher etwas Medizin studiert und 
wußte von dieser Wissenschaft grade soviel, als man 
eben braucht, um zu töten. In der Politik, womit er 
sich später abgab, waren seine Kenntnisse wahrlich 
nicht viel bedeutender.
Ich habe seinem Begräbnisse nicht beigewohnt, 
was unsere hiesigen Korrespondenzler nicht erman-
gelten, nach Deutschland zu berichten, und was zu 
bösen Auslegungen Gelegenheit gab. Nichts ist aber 
törichter, als in jenem Umstande, der rein zufällig sein
konnte, eine feindselige Härte zu erblicken. Die 
Toren, sie wissen nicht, daß es kein angenehmeres 
Geschäft gibt, als dem Leichenbegängnisse eines 
Feindes zu folgen!
Ich war nie Börnes Freund, und ich war auch nie 
sein Feind. Der Unmut, den er manchmal in mir erre-
gen konnte, war nie bedeutend, und er büßte dafür 
hinlänglich durch das kalte Schweigen, das ich allen 
seinen Verketzerungen und Nücken entgegensetzte. 
Ich habe, während er lebte, auch keine Zeile gegen ihn
geschrieben, ich gedachte seiner nie, ich ignorierte ihn
komplett, und das ärgerte ihn über alle Maßen.
Wenn ich jetzt von ihm rede, geschieht es wahrlich 
weder aus Enthusiasmus noch aus Mißtrauen; ich bin 
mir wenigstens der kältesten Unparteilichkeit bewußt.
Ich schreibe hier weder eine Apologie noch eine Kri-
tik, und indem ich nur von der eignen Anschauung 
ausgehe bei der Schilderung des Mannes, dürfte das 
Standbild, das ich von ihm liefere, vielleicht als ein 
ikonisches zu betrachten sein. Und es gebührt ihm ein
solches Standbild, ihm, dem großen Ringer, der in der
Arena unserer politischen Spiele so mutig rang und, 
wo nicht den Lorbeer, doch gewiß den Kranz von Ei-
chenlaub ersiegte.
Wir geben sein Standbild mit seinen wahren 
Zügen, ohne Idealisierung, je ähnlicher, desto ehren-
der für sein Andenken. Er war ja weder ein Genie 
noch ein Heros; er war kein Gott des Olymps. Er war 
ein Mensch, ein Bürger der Erde, er war ein guter 
Schriftsteller und ein großer Patriot.
Indem ich Ludwig Börne einen guten Schriftsteller 
genannt und ihm nur das schlichte Beiwort »gut« zu-
erkenne, möchte ich seinen ästhetischen Wert weder 
vergrößern noch verkleinern. Ich gebe überhaupt hier,
wie ich bereits erwähnt, keine Kritik, ebensowenig 
wie eine Apologie seiner Schriften; nur mein unmaß-
gebliches Dafürhalten darf in diesen Blättern seine 
Stelle finden. Ich suche dieses Privaturteil so kurz als 
möglich abzufassen; daher nur wenige Worte über 
Börne in rein literarischer Beziehung.
Soll ich in der Literatur einen verwandten Charak-
ter aufsuchen, so böte sich zuerst Gotthold Ephraim 
Lessing, mit welchem Börne sehr oft verglichen wor-
den. Aber diese Verwandtschaft beruht nur auf der in-
neren Tüchtigkeit, dem edlen Willen, der patrioti-
schen Passion und dem Enthusiasmus für Humanität. 
Auch die Verstandesrichtung war in beiden dieselbe. 
Hier aber hört der Vergleich auf. Lessing war groß 
durch jenen offenen Sinn für Kunst und philosophi-
sche Spekulation, welcher dem armen Börne gänzlich 
abging. Es gibt in der ausländischen Literatur zwei 
Männer, die mit ihm eine weit größere Ähnlichkeit 
haben: diese Männer sind William Hazlitt und Paul 
Courier. Beide sind vielleicht die nächsten literari-
schen Verwandte Börnes, nur daß Hazlitt ihn eben-
falls an Kunstsinn überflügelt und Courier sich 
keinesweges zum Börneschen Humor erheben kann. 
Ein gewisser Esprit ist allen dreien gemeinsam, ob-
gleich er bei jedem eine verschiedene Färbung trägt: 
er ist trübsinnig bei Hazlitt, dem Briten, wo er wie 
Sonnenstrahlen aus dicken englischen Nebelwolken 
hervorblitzt; er ist fast mutwillig heiter bei dem Fran-
zosen Courier, wo er wie der junge Wein der Tou-
raine im Kelter braust und sprudelt und manchmal 
übermütig emporzischt; bei Börne, dem Deutschen, 
ist er beides, trübsinnig und heiter, wie der säuerlich 
ernste Rheinwein und das närrische Mondlicht der 
deutschen Heimat... Sein Esprit wird manchmal zum 
Humor.
Dieses ist nicht so sehr in den früheren Schriften 
Börnes als vielmehr in seinen »Pariser Briefen« der 
Fall. Zeit, Ort und Stoff haben hier den Humor nicht 
bloß begünstigt, sondern ganz eigentlich hervorge-
bracht. Ich will damit sagen, den Humor in den »Pari-
ser Briefen« verdanken wir weit mehr den Zeitum-
ständen als dem Talent ihres Verfassers. Die Juliusre-
volution, dieses politische Erdbeben, hatte dergestalt 
in allen Sphären des Lebens die Verhältnisse ausein-
andergesprengt und so buntscheckig die verschieden-
artigsten Erscheinungen zusammengeschmissen, daß 
der Pariser Revolutionskorrespondent nur treu zu be-
richten brauchte, was er sah und hörte, und er erreich-
te von selbst die höchsten Effekte des Humors. Wie 
die Leidenschaft manchmal die Poesie ersetzt und 
z.B. die Liebe oder die Todesangst in begeisterte 
Worte ausbricht, die der wahre Dichter nicht besser 
und schöner zu erfinden weiß, so ersetzen die Zeitum-
stände manchmal den angebornen Humor, und ein 
ganz prosaisch begabter, sinnreicher Autor liefert 
wahrhaft humoristische Werke indem sein Geist die 
spaßhaften und kummervollen, schmutzigen und heili-
gen, grandiosen und winzigen Kombinationen einer 
umgestülpten Weltordnung treu abspiegelt. Ist der 
Geist eines solchen Autors noch obendrein selbst in 
bewegtem Zustand, ist dieser Spiegel verschoben oder
grell gefärbt von eigner Leidenschaft, dann werden 
tolle Bilder zum Vorschein kommen, die selbst alle 
Geburten des humoristischen Genius überbieten... 
Hier ist das Gitter, welches den Humor vom Irren-
hause trennt... Nicht selten, in den Börneschen Brie-
fen, zeigen sich Spuren eines wirklichen Wahnsinus, 
und Gefühle und Gedanken grinsen uns entgegen, die 
man in die Zwangsjacke stecken müßte, denen man 
die Douche geben sollte...
In stilistischer Hinsicht sind die »Pariser Briefe« 
weit schätzbarer als die früheren Schriften Börnes, 
worin die kurzen Sätze, der kleine Hundetrab, eine 
unerträgliche Monotonie hervorbringen und eine fast 
kindische Unbeholfenheit verraten. Diese kurzen 
Sätze verlieren sich immer mehr und mehr in den »Pa-
riser Briefen«, wo die entzügelte Leidenschaft notge-
drungen in weitere, vollere Rhythmen überströmt und 
kolossale, gewitterschwangere Perioden dahinrollen, 
deren Bau schön und vollendet ist, wie durch die 
höchste Kunst.
Die »Pariser Briefe« können in Beziehung auf Bör-
nes Stil dennoch nur als eine Übergangsstufe betrach-
tet werden, wenn man sie mit seiner letzten Schrift 
»Menzel der Franzosenfresser« vergleicht. Hier 
erreicht sein Stil die höchste Ausbildung, und wie in 
den Worten, so auch in den Gedanken herrscht hier 
eine Harmonie, die von schmerzlicher, aber erhabener
Beruhigung Kunde gibt. Diese Schrift ist ein klarer 
See, worin der Himmel mit allen Sternen sich spie-
gelt, und Börnes Geist taucht hier auf und unter, wie 
ein schöner Schwan, die Schmähungen, womit der 
Pöbel sein reines Gefieder besudelte, ruhig von sich 
abspülend. Auch hat man diese Schrift mit Recht Bör-
nes Schwanengesang genannt. Sie ist in Deutschland 
wenig bekannt worden, und Betrachtungen über ihren 
Inhalt wären hier gewiß an ihrem Platze. Aber da sie 
direkt gegen Wolfgang Menzel gerichtet ist und ich 
bei dieser Gelegenheit denselben wieder ausführlich 
besprechen müßte, so will ich lieber schweigen. Nur 
eine Bemerkung kann ich hier nicht unterdrücken, und
sie ist glücklicherweise von der Art, daß sie vielmehr 
von persönlichen Bitternissen ableitet und dem 
Hader, worin sowohl Börne als die sogenannten Mit-
glieder des sogenannten Jungen Deutschlands mit 
Menzeln gerieten, eine generelle Bedeutung zu-
schreibt, wo Wert oder Unwert der Individuen nicht 
mehr zur Sprache kommt. Vielleicht sogar liefere ich 
dadurch eine Justifikation des Menzelschen Betragens
und seiner scheinbaren Abtrünnigkeit.
Ja, er wurde nur scheinbar abtrünnig... nur schein-
bar... denn er hat der Partei der Revolution niemals 
mit dem Gemüte und mit dem Gedanken angehört. 
Wolfgang Menzel war einer jener Teutomanen, jener 
Teutschtümler, die, nach der Sonnenhitze der Julius-
revolution, gezwungen wurden, ihre altdeutschen 
Röcke und Redensarten auszuziehen und sich geistig 
wie körperlich in das moderne Gewand zu kleiden, 
das nach französischem Maße zugeschnitten. Wie ich 
bereits zu Anfang dieses Buches gezeigt, viele von 
diesen Teutomanen, um an der allgemeinen Bewe-
gung und den Triumphen des Zeitgeistes teilzuneh-
men, drängten sich in unsere Reihen, in die Reihen 
der Kämpfer für die Prinzipien der Revolution, und 
ich zweifle nicht, daß sie mutig mitgefochten hätten in
der gemeinsamen Gefahr. Ich fürchtete keine Untreue 
von ihnen während der Schlacht, aber nach dem 
Siege; ihre alte Natur, die zurückgedrängte Teutschtü-
melei, wäre wieder hervorgebrochen, sie hätten bald 
die rohe Masse mit den dunkeln Beschwörungsliedern
des Mittelalters gegen uns aufgewiegelt, und diese 
Beschwörungslieder, ein Gemisch von uraltem Aber-
glauben und dämonischer Erdkräfte, wären stärker ge-
wesen als alle Argumente der Vernunft...
Menzel war der erste, der, als die Luft kühler 
wurde, die altdeutschen Rockgedanken wieder vom 
Nagel herabnahm und mit Lust wieder in die alten 
Ideenkreise zurückturnte. Wahrlich, bei dieser Um-
wendung fiel es mir wie ein Stein vom Herzen, denn 
in seiner wahren Gestalt war Wolfgang Menzel weit 
minder gefährlich als in seiner liberalen Vermum-
mung; ich hätte ihm um den Hals fallen mögen und 
ihn küssen, als er wieder gegen die Franzosen eiferte 
und auf Juden schimpfte und wieder für Gott und Va-
terland, für das Christentum und deutsche Eichen, in 
die Schranken trat und erschrecklich bramarbasierte! 
Ich gestehe es, wie wenig Furcht er mir in dieser Ge-
stalt einflößte, so sehr ängstigte er mich einige Jahre 
früher, als er plötzlich für die Juliusrevolution und die
Franzosen in schwärmerische Begeisterung geriet, als 
er für die Rechte der Juden seine pathetischen, groß-
herzigen, lafayettischen Emanzipationsreden hielt, als 
er Ansichten über Welt- und Menschenschicksal los-
ließ, worin eine Gottlosigkeit grinste, wie dergleichen
kaum bei den entschlossensten Materialisten gefunden
wird, Ansichten, die kaum jener Tiere würdig, die 
sich nähren mit der Frucht der deutschen Eiche. Da-
mals war er gefährlich, damals, ich gestehe es, zitterte
ich vor Wolfgang Menzeln!
Börne, in seiner Kurzsichtigkeit, hatte die wahre 
Natur des letztern nie erkannt, und da man gegen Re-
negaten, gegen umgewandelte Gesinnungsgenossen 
weit mehr Unwillen empfindet als gegen alte Feinde, 
so loderte sein Zorn am grimmigsten gegen Men-
zeln. - Was mich anbelangt, der ich fast zu gleicher 
Zeit eine Schrift gegen Menzeln herausgab, so waren 
ganz andere Motive im Spiel. Der Mann hatte mich 
nie beleidigt, selbst seine roheste Verlästerung hat 
keine verletzbare Stelle in meinem Gemüte getroffen. 
Wer meine Schrift gelesen, wird übrigens daraus erse-
hen haben, daß hier das Wort weniger verwunden als 
reizen sollte und alles dahin zielte, den Ritter des 
Deutschtums auf ein ganz anderes als ein literärisches
Schlachtfeld herauszufordern. Menzel hat meiner 
loyalen Absicht kein Genüge geleistet. Es ist nicht 
meine Schuld, wenn das Publikum daraus allerlei ver-
drießliche Folgerungen zog... Ich hatte ihm aufs groß-
mütigste die Gelegenheit geboten, sich durch einen 
einzigen Akt der Mannhaftigkeit in der öffentlichen 
Meinung zu rehabilitieren... Ich setzte Blut und Leben
aufs Spiel... Er hat's nicht gewollt.
Armer Menzel! ich habe wahrlich keinen Groll 
gegen dich! Du warst nicht der Schlimmste. Die ande-
ren sind weit perfider, sie verharren länger in der libe-
ralen Vermummung oder lassen die Maske nicht ganz
fallen... Ich meine hier zunächst einige schwäbische 
Kammersänger der Freiheit, deren liberale Triller 
immer leiser und leiser verklingen und die bald wie-
der mit der alten Bierstimme die Weisen von Anno 13
und 14 anstimmen werden... Gott erhalte euch fürs 
Vaterland! Wenn ihr, um die Fetzen eurer Popularität 
zu retten, den Menzel, euren vertrautesten Gesin-
nungsgenossen, sakrifiziert habt, so war das eine sehr 
verächtliche Handlung.
Und dann muß man bei Menzeln anerkennen, daß 
er mit bestimmter Mannesunterschrift seine Schmä-
hungen vertrat; er war kein anonymer Skribler und 
brachte immer die eigne Haut zu Markt. Nach jedem 
Schimpfwort, womit er uns bespritzte, hielt er fast 
gutmütig still, um die verdiente Züchtigung zu emp-
fangen. Auch hat's ihm an geschriebenen Schlägen 
nicht gefehlt, und sein literarischer Rücken ist 
schwarz gestreift, wie eines Zebras. Armer Menzel! 
Er zahlte für manchen anderen, dessen man nicht hab-
haft werden konnte, für die anonymen und pseudony-
men Buschklepper, die aus den dunkelsten Schlupf-
winkeln der Tagespresse ihre feigen Pfeile abschie-
ßen... Wie willst du sie züchtigen? Sie haben keinen 
Namen, den du brandmarken könntest, und gelänge es
dir sogar, von einem zitternden Zeitungsredakteur die 
paar leere Buchstaben zu erpressen, die ihnen als 
Namen dienen, so bist du dadurch noch nicht sonder-
lich gefördert... Du findest als dann, daß der Verfasser
des insolentesten Schmähartikels kein anderer war als
jener klägliche Drohbettler, der mit all seiner untertä-
nigen Zudringlichkeit auch keinen Sou von dir erpres-
sen konnte... Oder, was noch bitterer ist, du erfährst, 
daß im Gegenteil ein Lumpazius, der dich um zwei-
hundert Francs geprellt, dem du einen Rock geschenkt
hast, um seine Blöße zu bedecken, dem du aber keine 
schriftliche Zeile geben wolltest, womit er sich in 
Deutschland als deinen Freund und großen Mitdichter
herumpräsentieren konnte, daß ein solcher Lumpazius
es war, der deinen guten Leumund in der Heimat be-
geiferte... Ach, dieses Gesindel ist kapabel, mit vol-
lem Namen gegen dich aufzutreten, und dann bist du 
erst recht in Verlegenheit! Antwortest du, so verleihst 
du ihnen eine lebenslängliche Wichtigkeit, die sie 
auszubeuten wissen, und sie finden eine Ehre darin, 
daß du sie mit demselben Stocke schlugest, womit ja 
schon die berühmtesten Männer geschlagen worden... 
Freilich, das beste wäre, sie bekämen ihre Prügel ganz
unfigürlich, mit keinem geistigen, sondern mit einem 
wirklich materiellen Stocke, wie einst ihr Ahnherr 
Thersites...
Ja, es war ein lehrreiches Beispiel, das du uns ga-
best, edler Sohn des Laertes, königlicher Dulder 
Odysseus! Du, der Meister des Wortes, der in der 
Kunst des Sprechens alle Sterblichen übertrafest! 
jedem wußtest du Rede zu stehen, und du sprachest 
ebenso gern wie siegreich: nur an einen klebrichten 
Thersites wolltest du kein Wort verlieren, einen sol-
chen Wicht hieltest du keiner Gegenrede wert, und als
er dich schmähte, hast du ihn schweigend geprügelt...
Wenn mein Vetter in Lüneburg dies liest, erinnert 
er sich vielleicht unserer dortigen Spaziergänge, wo 
ich jedem Betteljungen, der uns ansprach, immer 
einen Groschen gab, mit der ernstlichen Vermahnung:
»Lieber Bursche, wenn du dich etwa später auf Lite-
ratur legen und Kritiken für die Brockhausischen Li-
teraturblätter schreiben solltest, so reiß mich nicht 
herunter!« Mein Vetter lachte damals, und ich selber 
wußte noch nicht, daß der »Groschen, den meine 
Mutter einer Bettlerin verweigerte«, auch in der Lite-
ratur so fatalistisch wirken konnte!
Ich habe oben der Brockhausischen Literaturblätter
erwähnt. Diese sind die Höhlen, wo die unglücklich-
sten aller deutschen Skribler schmachten und ächzen; 
die hier hinabsteigen, verlieren ihren Namen und be-
kommen eine Nummer, wie die verurteilten Polen in 
den russischen Bergwerken, in den Bleiminen von 
Nowgorod: hier müssen sie, wie diese, die entsetz-
lichsten Arbeiten verrichten, z.B. Herrn von Raumer 
als großen Geschichtschreiber loben oder Ludwig 
Tieck als Gelehrten anpreisen und als Mann von Cha-
rakter usw. ... Die meisten sterben davon und werden
namenlos verscharrt als tote Nummer. Viele unter die-
sen Unglücklichen, vielleicht die meisten, sind ehe-
malige Teutomanen, und wenn sie auch keine altdeut-
schen Röcke mehr tragen, so tragen sie doch altdeut-
sche Unterhosen; - sie unterscheiden sich von den 
schwäbischen Gesinnungsgenossen durch einen ge-
wissen märkischen Akzent und durch ein weit windi-
geres Wesen. Die Volkstümelei war von jeher in 
Norddeutschland mehr Affektation, wo nicht gar ein-
studierte Lüge, namentlich in Preußen, wo sogar die 
Championen der Nationalität ihren slawischen Ur-
sprung vergebens zu verleugnen suchten. Da lob ich 
mir meine Schwaben, die meinen es wenigstens ehrli-
cher und dürfen mit größerem Rechte auf germanische
Rassenreinheit pochen. Ihr jetziges Hauptorgan, die 
Cottasche Dreimonatsrevue, ist beseelt von diesem 
Stolz, und ihr Redakteur, der Diplomat Kölle (ein 
geistreicher Mann, aber der größte Schwätzer dieser 
Erde, und der gewiß nie ein Staatsgeheimnis ver-
schwiegen hat!), der Redakteur jener Revue ist der 
eingefleischteste Rassenmäkler, und sein drittes Wort 
ist immer germanische, romanische und semitische 
Rasse... Sein größter Schmerz ist, daß der Champion 
des Germanentums, sein Liebling, Wolfgang Menzel, 
alle Kennzeichen der mongolischen Abstammung im 
Gesichte trägt.
Ich finde es für nötig, hier zu bemerken, daß ich 
den langweilig breiten Schmähartikel, den jüngst die 
erwähnte Dreimonatsschrift gegen mich auskramte, 
keineswegs der bloßen Teutomanie, nicht einmal 
einem persönlichen Grolle, beimesse. Ich war lange 
der Meinung, als ob der Verfasser, ein gewisser G. 
Pf., durch jenen Artikel seinen Freund Menzel rächen 
wolle. Aber ich muß der Wahrheit gemäß meinen Irr-
tum bekennen. Ich ward seitdem verschiedenseitig 
eines Besseren unterrichtet.
»Die Freundschaft zwischen dem Menzel und dem 
erwähnten G. Pf.«, sagte mir unlängst ein ehrlicher 
Schwabe, »besteht nur darin, daß letzterer dem Men-
zel, der kein Französisch versteht, mit seiner Kenntnis
dieser Sprache aushilft. Und was den Angriff gegen 
Sie betrifft, so ist das gar nicht so böse gemeint; der 
G. Pf. war früher der größte Enthusiast für Ihre 
Schriften, und wenn er jetzt so glühend gegen die Im-
moralität derselben eifert, so geschieht das, um sich 
das Ansehen von strenger Tugend zu geben und sich 
gegen den Verdacht der sokratischen Liebe, der auf 
ihm lastete, etwas zu decken.«
Ich würde den Ausdruck »sokratische Liebe« gern 
umschrieben haben, aber es sind die eigenen Worte 
des Dr. D.....r, der mir diese harmlose Konfidenz 
machte. Dr. D.....r, der gewiß nichts dagegen hätte, 
wenn ich seinen ganzen Namen mitteilte, ist ein Mann
von ausgezeichnetem Geist und von einer Wahrheits-
liebe, die sich in seinem ganzen Wesen ausspricht. Da
er sich in diesem Augenblick zu London befindet, 
konnte ich ohne vorläufige Anfrage seinen Namen 
nicht ganz ausschreiben; er steht aber zu Dienst sowie
auch der ganze Name eines der achtungswertesten Pa-
riser Gelehrten, des Pr. D.....g, in dessen Gegenwart 
mir dieselbe Mitteilung wiederholt ward. - Für das 
Publikum aber ist es nützlich zu erfahren, welche 
Motive sich zuweilen unter dem bekannten »sittlich-
religiös-patriotischen Bettlermantel« verbergen.
Ich habe mich nur scheinbar von meinem Gegen-
stande entfernt. Manche Angriffe gegen den seligen 
Börne finden durch obige Winke ihre teilweise Erklä-
rung. Dasselbe ist der Fall in Beziehung auf sein 
Buch »Menzel der Franzosenfresser«. Diese Schrift 
ist eine Verteidigung des Kosmopolitismus gegen den
Nationalismus; aber in dieser Verteidigung sieht man,
wie der Kosmopolitismus Börnes nur in seinem 
Kopfe saß, statt daß der Patriotismus tief in seinem 
Herzen wurzelte, während bei seinem Gegner der Pa-
triotismus nur im Kopfe spukte und die kühlste Indif-
ferenz im Herzen gähnte... Die listigen Worte, womit 
Menzel sein Deutschtum wie ein Hausierjude seinen 
Plunder anpreist, seine alten Tiraden von Hermann 
dem Cherusker, dem Korsen, dem gesunden Pflanzen-
schlaf, Martin Luther, Blücher, der Schlacht bei Leip-
zig, womit er den Stolz des deutschen Volkes kitzeln 
will, alle diese abgelebten Redensarten weiß Börne so
zu beleuchten, daß ihre lächerliche Nichtigkeit aufs 
ergötzlichste veranschaulicht wird; und dabei brechen
aus seinem eigenen Herzen die rührendsten Naturlaute
der Vaterlandsliebe, wie verschämte Geständnisse, 
die man in der letzten Stunde des Lebens nicht mehr 
zurückhalten kann, die wir mehr hervorschluchzen als
aussprechen... Der Tod steht daneben und nickt, als 
unabweisbarer Zeuge der Wahrheit!
Ja, er war nicht bloß ein guter Schriftsteller, son-
dern auch ein großer Patriot.
In Beziehung auf Börnes schriftstellerischen Wert 
muß ich hier auch seine Übersetzung der »Paroles 
d'un croyant« erwähnen, die er ebenfalls in seinem 
letzten Lebensjahre angefertigt und die als ein Mei-
sterstück des Stils zu betrachten ist. Daß er eben die-
ses Buch übersetzte, daß er sich überhaupt in die Ide-
enkreise Lamennais' verlocken ließ, will ich jedoch 
nicht rühmen. Der Einfluß, den dieser Priester auf ihn 
ausübte, zeigte sich nicht bloß in der erwähnten Über-
setzung der »Paroles d'un croyant«, sondern auch in 
verschiedenen französischen Aufsätzen, die Börne da-
mals für den »Réformateur« und die »Balance« 
schrieb, in jenen merkwürdigen Urkunden seines Gei-
stes, wo sich ein Verzogen, ein Verzweifeln an prote-
stantischer Vernunftautorität gar bedenklich offenbart 
und das erkrankte Gemüt in katholische Anschauun-
gen hinüberschmachtet... Es war vielleicht ein Glück 
für Börne, daß er starb... Wenn nicht der Tod ihn ret-
tete, vielleicht sähen wir ihn heute römisch-katholisch
blamiert.
Wie ist das möglich? Börne wäre am Ende katho-
lisch geworden? Er hätte in den Schoß der römischen 
Kirche sich geflüchtet und das leidende Haupt durch 
Orgelton und Glockenklang zu betäuben gesucht? 
Nun ja, er war auf dem Wege, dasselbe zu tun, was so
manche ehrliche Leute schon getan, als der Ärger 
ihnen ins Hirn stieg und die Vernunft zu fliehen 
zwang und die arme Vernunft ihnen beim Abschied 
nur noch den Rat gab: Wenn ihr doch verrücke sein 
wollt, so werdet katholisch, und man wird euch we-
nigstens nicht einsperren, wie andere Monomanen.
»Aus Ärger katholisch werden« - so lautet ein 
deutsches Sprichwort, dessen verflucht tiefe Bedeu-
tung mir jetzt erst klar wird. - Ist doch der Katholi-
zismus die schauerlich reizendste Blüte jener Doktrin 
der Verzweiflung, deren schnelle Verbreitung über die
Erde nicht mehr als ein großes Wunder erscheint, 
wenn man bedenkt, in welchem grauenhaft peinlichen 
Zustand die ganze römische Welt schmachtete... Wie 
der einzelne sich trostlos die Adern öffnete und im 
Tode ein Asyl suchte gegen die Tyrannei der Cäsaren,
so stürzte sich die große Menge in die Asketik, in die 
Abtötungslehre, in die Martyrsucht, in den ganzen 
Selbstmord der nazarenischen Religion, um auf ein-
mal die damalige Lebensqual von sich zu werfen und 
den Folterknechten des herrschenden Materialismus 
zu trotzen...
Für Menschen, denen die Erde nichts mehr bietet, 
ward der Himmel erfunden... Heil dieser Erfindung! 
Heil einer Religion, die dem leidenden Menschenge-
schlecht in den bittern Kelch einige süße, 
einschläfernde Tropfen goß, geistiges Opium, einige 
Tropfen Liebe, Hoffnung und Glauben!
Ludwig Börne war, wie ich bereits in der ersten 
Abteilung erwähnte, seiner Natur nach ein geborner 
Christ, und diese spiritualistische Richtung mußte in 
den Katholizismus überschnappen, als die verzwei-
felnden Republikaner, nach den schmerzlichsten Nie-
derlagen, sich mit der katholischen Partei verbanden. 
- Wieweit ist es Ernst mit dieser Verbündung? Ich 
kann's nicht sagen. Manche Republikaner mögen 
wirklich aus Ärger katholisch geworden sein. Die 
meisten jedoch verabscheuen im Herzen ihre neuen 
Alliierten, und es wird Komödie gespielt von beiden 
Seiten. Es gilt nur den gemeinschaftlichen Feind zu 
bekämpfen, und in der Tat, die Verbindung der beiden
Fanatismen, des religiösen und des politischen, ist be-
drohlich im höchsten Grade. Zuweilen aber geschieht 
es, daß die Menschen sich in ihrer Rolle verlieren und
aus dem listigen Spiel ein plumper Ernst wird; und so
mag wohl mancher Republikaner so lange mit den ka-
tholischen Symbolen geliebäugelt haben, bis er zu-
letzt daran wirklich glaubte; und mancher schlaue 
Pfaffe mag so lange die Marseillaise gesungen haben, 
bis sie sein Lieblingslied ward und er nicht mehr 
Messe lesen kann, ohne in die Melodie dieses 
Schlachtgesanges zu verfallen.
Wir armen Deutschen, die wir leider keinen Spaß 
verstehen, wir haben das Fraternisieren des Republi-
kanismus und des Katholizismus für baren Ernst ge-
nommen, und dieser Irrtum kann uns einst sehr teuer 
zu stehen kommen. Arme deutsche Republikaner, die 
ihr Satan bannen wollt durch Beelzebub, ihr werdet, 
wenn euch solcher Exorzismus gelänge, erst recht aus 
dem Feuerregen in die Flammentraufe geraten! Wie 
gar manche deutsche Patrioten, um protestantische 
Regierungen zu befehden, mit der katholischen Partei 
gemeinschaftliche Sache treiben, kann ich nicht be-
greifen. Man wird mir, dem die Preußen bekanntlich 
soviel Herzleid bereiteten, man wird mir schwerlich 
eine blinde Sympathie für Borussia zuschreiben: ich 
darf daher freimütig gestehen, daß ich in dem Kampfe
Preußens mit der katholischen Partei nur ersterem den
Sieg wünsche... Denn eine Niederlage würde hier not-
wendig zur Folge haben, daß einige deutsche Provin-
zen, die Rheinlande, für Deutschland verlorengin-
gen. - Was kümmert es aber die frommen Leute in 
München, ob man am Rhein deutsch oder französisch 
spricht; für sie ist es hinreichend, daß man dort latei-
nisch die Messe singt. Pfaffen haben kein Vaterland, 
sie haben nur einen Vater, einen Papa, in Rom.
Daß aber der Abfall der Rheinlande, ihr Heimfall 
an das romanische Frankreich, eine ausgemachte 
Sache ist zwischen den Helden der katholischen Partei
und ihren französischen Verbündeten, wird 
männiglich bekannt sein zu diesen Verbündeten ge-
hört seit einiger Zeit auch ein gewisser ehemaliger Ja-
kobiner, der jetzt eine Krone trägt und mit gewissen 
gekrönten Jesuiten in Deutschland unterhandelt... 
Frommer Schacher! scheinheiliger Verrat am Vater-
land!
Es versteht sich von selbst, daß unser armer Börne,
der sich nicht bloß von den Schriften, sondern auch 
von der Persönlichkeit Lamennais' ködern ließ und an
den Umtrieben der römischen Freiwerber unbewußt 
teilnahm, es versteht sich von selbst, daß unser armer 
Börne nimmermehr die Gefahren ahnte, die durch die 
Verbündung der katholischen und republikanischen 
Partei unser Deutschland bedrohen. Er hatte hiervon 
auch nicht die mindeste Ahnung, er, dem die Integrität
Deutschlands, ebensosehr wie dem Schreiber dieser 
Blätter, immer am Herzen lag. Ich muß ihm in dieser 
Beziehung das glänzendste Zeugnis erteilen. »Auch 
keinen deutschen Nachttopf würde ich an Frankreich 
abtreten«, rief er einst im Eifer des Gesprächs, als je-
mand bemerkte, daß Frankreich, der natürliche Reprä-
sentant der Revolution, durch den Wiederbesitz der 
Rheinlande gestärkt werden müsse, um dem aristokra-
tisch absolutistischen Europa desto sicherer widerste-
hen zu können.
»Keinen Nachttopf tret ich ab«, rief Börne, im 
Zimmer auf und ab stampfend, ganz zornig.
»Es versteht sich«, bemerkte ein Dritter, »wir treten
den Franzosen keinen Fußbreit Land vom deutschen 
Boden ab; aber wir sollten ihnen einige deutsche 
Landsleute abtreten, deren wir allenfalls entbehren 
können. Was dächten Sie, wenn wir den Franzosen 
z.B. den Raumer und den Rotteck abträten?«
»Nein, nein«, rief Börne, aus dem höchsten Zorn in
Lachen übergehend, »auch nicht einmal den Raumer 
oder den Rotteck: trete ich ab, die Kollektion wäre 
nicht mehr komplett, ich will Deutschland ganz be-
halten, wie es ist, mit seinen Blumen und seinen Di-
steln, mit seinen Riesen und seinen Zwergen... nein, 
auch die beiden Nachttöpfe trete ich nicht ab!«
Ja, dieser Börne war ein großer Patriot, vielleicht 
der größte, der aus Germanias stiefmütterlichen Brü-
sten das glühendste Leben und den bittersten Tod ge-
sogen! In der Seele dieses Mannes jauchzte und blute-
te eine rührende Vaterlandsliebe, die, ihrer Natur nach
verschämt, wie jede Liebe, sich gern unter knurrenden
Scheltworten und nergelndem Murrsinn versteckte, 
aber in unbewachter Stunde desto gewaltsamer her-
vorbrach. Wenn Deutschland allerlei Verkehrtheiten 
beging, die böse Folgen haben konnten, wenn es den 
Mut nicht hatte, eine heilsame Medizin einzunehmen, 
sich den Star stechen zu lassen oder sonst eine kleine 
Operation auszuhalten, dann tobte und schimpfte 
Ludwig Börne und stampfte und wetterte; - wenn 
aber das vorausgesehene Unglück wirklich eintrat, 
wenn man Deutschland mit Füßen trat oder so lange 
peitschte, bis Blut floß, dann schmollte Börne nicht 
länger, und er fing an zu flennen, der arme Narr, der 
er war, und schluchzend behauptete er alsdann, 
Deutschland sei das beste Land der Welt und das 
schönste Land, und die Deutschen seien das schönste 
und edelste Volk, eine wahre Perle von Volk, und nir-
gends sei man klüger als in Deutschland, und sogar 
die Narren seien dort gescheut, und die Flegelei sei 
eigentlich Gemüt, und er sehnte sich ordentlich nach 
den geliebten Rippenstößen der Heimat, und er hatte 
manchmal ein Gelüste nach einer recht saftigen deut-
schen Dummheit, wie eine schwangere Frau nach 
einer Birne. Auch wurde fr ihn die Entfernung vom 
Vaterlande eine wahre Marter, und manches böse 
Wort in seinen Schriften hat diese Qual hervorge-
preßt. Wer das Exil nicht kennt, begreift nicht, wie 
grell es unsere Schmerzen färbt und wie es Nacht und 
Gift in unsere Gedanken gießt. Dante schrieb seine 
»Hölle« im Exil. Nur wer im Exil gelebt hat, weiß 
auch, was Vaterlandsliebe ist, Vaterlandsliebe mit all 
ihren süßen Schrecken und sehnsüchtigen Kümmer-
nissen! Zum Glück für unsere Patrioten, die in Frank-
reich leben müssen, bietet dieses Land so viele Ähn-
lichkeit mit Deutschland; fast dasselbe Klima, diesel-
be Vegetation, dieselbe Lebensweise. »Wie furchtbar 
muß das Exil sein, wo diese Ähnlichkeit fehlt« - be-
merkte mir einst Börne, als wir im Jardin des Plantes 
spazierengingen -, »wie schrecklich, wenn man um 
sich her nur Palmen und tropische Gewächse sähe und
ganz wildfremde Tierarten, wie Känguruhs und Ze-
bras... Zu unserem Glücke sind die Blumen in Frank-
reich ganz so wie bei uns zu Hause, die Veilchen und 
Rosen sehen ganz wie deutsche aus, und die Ochsen 
und Kühe und die Esel sind geduldig und nicht ge-
streift, ganz wie bei uns, und die Vögel sind gefiedert 
und singen in Frankreich ganz so wie in Deutschland, 
und wenn ich gar hier in Paris die Hunde herumlaufen
sehe, kann ich mich ganz wieder über den Rhein zu-
rückdenken, und mein Herz ruft mir zu: Das sind ja 
unsere deutschen Hunde!«
Ein gewisser Blödsinn hat lange Zeit in Börnes 
Schriften jene Vaterlandsliebe ganz verkannt. Über 
diesen Blödsinn konnte er sehr mitleidig die Achseln 
zucken, und über die keuchenden alten Weiber, wel-
che Holz zu seinem Scheiterhaufen herbeischleppten, 
konnte er mit Seelenruhe ein »Sancta simplicitas!« 
ausrufen. Aber wenn jesuitische Böswilligkeit seinen 
Patriotismus zu verdächtigen suchte, geriet er in einen
vernichtenden Grimm. Seine Entrüstung kennt als-
dann keine Rücksicht mehr, und wie ein beleidigter 
Titane schleudert er die tödlichsten Quadersteine auf 
die züngelnden Schlangen, die zu seinen Füßen 
kriechen. Hier ist er in seinem vollen Rechte, hier lo-
dert am edelsten sein Manneszorn. Wie merkwürdig 
ist folgende Stelle in den »Pariser Briefen«, die gegen 
Jarcke gerichtet ist, der sich unter den Gegnern Bör-
nes durch zwei Eigenschaften, nämlich Geist und An-
stand, einigermaßen auszeichnet:
»Dieser Jarcke ist ein merkwürdiger Mensch. Man 
hat ihn von Berlin nach Wien berufen, wo er die halbe
Besoldung von Gentz bekömmt. Aber er verdiente 
nicht deren hundertsten Teil, oder er verdiente eine 
hundertmal größere - es kömmt nur darauf an, was 
man dem Gentz bezahlen wollte, das Gute oder 
Schlechte an ihm. Diesen katholisch und toll gewor-
denen Jarcke liebe ich ungemein, denn er dient mir, 
wie gewiß auch vielen andern, zum nützlichen Spiele 
und zum angenehmen Zeitvertreibe. Er gibt seit einem
Jahre ein ›Politisches Wochenblatt‹ heraus. Das ist 
eine unterhaltende Camera obscura; darin gehen alle 
Neigungen und Abneigungen, Wünsche und Verwün-
schungen, Hoffnungen und Befürchtungen, Freuden 
und Leiden, Ängste und Tollkühnheiten und alle 
Zwecke und Mittelchen der Monarchisten und Aristo-
kraten mit ihren Schatten hintereinander vorüber. Der 
gefällige Jarcke! Er verrät alles, er warnt alle. Die 
verborgensten Geheimnisse der großen Welt schreibt 
er auf die Wand meines kleinen Zimmers. Ich erfahre 
von ihm und erzähle jetzt Ihnen, was sie mit uns 
vorhaben. Sie wollen nicht allein die Früchte und 
Blüten und Blätter und Zweige und Stämme der Re-
volution zerstören, sondern auch ihre Wurzeln, ihre 
tiefsten, ausgebreitetsten, festesten Wurzeln, und blie-
be die halbe Erde daran hängen. Der Hofgärtner 
Jarcke geht mit Messer und Schaufel und Beil umher, 
von einem Felde, von einem Lande in das andere, von
einem Volke zum andern. Nachdem er alle Revoluti-
onswurzeln ausgerottet und verbrannt, nachdem er die
Gegenwart zerstört hat, geht er zur Vergangenheit zu-
rück. Nachdem er der Revolution den Kopf abge-
schlagen und die unglückliche Delinquentin ausgelit-
ten hat, verbietet er ihrer längst verstorbenen, längst 
verwesten Großmutter das Heiraten; er macht die Ver-
gangenheit zur Tochter der Gegenwart. Ist das nicht 
toll? Diesen Sommer eiferte er gegen das Fest von 
Hambach. Das unschuldige Fest! Der gute Hammel! 
Der Wolf von Bundestag, der oben am Flusse soff, 
warf dem Schafe von deutschem Volke, das weiter 
unten trank, vor: es trübe ihm das Wasser, und er 
müsse es auffressen. Herr Jarcke ist Zunge des Wol-
fes. Dann rottet er die Revolution in Baden, Rhein-
bayern, Hessen, Sachsen aus; dann die englische 
Reformbill; dann die polnische, die belgische, die 
französische Juliusrevolution. Dann verteidigt er die 
göttlichen Rechte des Don Miguel. So geht er immer 
weiter zurück. Vor vier Wochen zerstörte er 
Lafayette, nicht den Lafayette der Juliusrevolution, 
sondern den Lafayette vor funfzig Jahren, der für die 
amerikanische und die erste französische Revolution 
gekämpft. Jarcke auf den Stiefeln Lafayettes herum-
kriechen! Es war mir, als sähe ich einen Hund an dem
Fuße der größten Pyramide scharren, mit dem Gedan-
ken, sie umzuwerfen! Immer zurück! Vor vierzehn 
Tagen setzte er seine Schaufel an die hundertundfunf-
zigjährige englische Revolution, die von 1688. Bald 
kömmt die Reihe an den älteren Brutus, der die Tar-
quinier verjagt, und so wird Herr Jarcke endlich zum 
lieben Gott selbst kommen, der die Unvorsichtigkeit 
begangen, Adam und Eva zu erschaffen, ehe er noch 
für einen König gesorgt hatte, wodurch sich die 
Menschheit in den Kopf gesetzt, sie könne auch ohne 
Fürsten bestehen. Herr Jarcke sollte aber nicht verges-
sen, daß, sobald er mit Gott fertig geworden, man ihn 
in Wien nicht mehr braucht. Und dann adieu Hofrat, 
adieu Besoldung. Er wird wohl den Verstand haben, 
diese eine Wurzel des Hambacher Festes stehenzulas-
sen.
Das ist der nämliche Jarcke, von dem ich in einem 
früheren Briefe Ihnen etwas mitzuteilen versprochen, 
was er über mich geäußert. Nicht über mich allein, es 
betraf auch wohl andere; aber an mich gedachte er 
gewiß am meisten dabei. Im letzten Sommer schrieb 
er im ›Politischen Wochenblatte‹ einen Aufsatz: 
›Deutschland und die Revolution‹. Darin kommt fol-
gende Stelle vor. Ob die artige Bosheit oder die groß-
artige Dummheit mehr zu bewundern sei, ist schwer 
zu entscheiden.
Die Stelle aus Jarckes Artikel lautet folgenderma-
ßen:
›Übrigens ist es vollkommen richtig, daß jene 
Grundsätze, wie wir sie oben geschildert, niemals 
schaffend ins wirkliche Leben treten, daß Deutschland
niemals in eine Republik nach dem Zuschnitte der 
heutigen Volksverführer umgewandelt, daß jene Frei-
heit und Gleichheit selbst durch die Gewalt des 
Schreckens niemals durchgesetzt werden könne; ja, es
ist zweifelhaft, ob die frechsten Führer der schlechten 
Richtung nicht selbst bloß ein grausenhaftes Spiel mit
Deutschlands höchsten Gütern spielen, ob sie nicht 
selbst am besten wissen, daß dieser Weg ohne Ret-
tung zum Verderben führt, und bloß deshalb mit klu-
ger Berechnung das Werk der Verführung treiben, um
in einem großen welthistorischen Akte Rache zu neh-
men für den Druck und die Schmach, den das Volk, 
dem sie ihrem Ursprung nach angehören, jahrhunder-
telang von dem unsrigen erduldet.‹ -
Oh, Herr Jarcke, das ist zu arg! Und als Sie dieses 
schrieben, waren Sie noch nicht österreichischer Rat, 
sondern nichts weiter als das preußische Gegenteil - 
wie werden Sie nicht erst rasen, wenn Sie in der 
Wiener Staatskanzlei sitzen? Daß Sie uns die Ruchlo-
sigkeit vorwerfen, wir wollten das deutsche Volk un-
glücklich machen, weil es uns selbst unglücklich ge-
macht - das verzeihen wir dem Kriminalisten und sei-
ner schönen Imputationstheorie. Daß Sie uns die 
Klugheit zutrauen, unter dem Scheine der Liebe unse-
re Feinde zu verderben - dafür müssen wir uns bei 
dem Jesuiten bedanken, der uns dadurch zu loben 
glaubte. Aber daß Sie uns für so dumm halten, wir 
würden eine Taube in der Hand für eine Lerche auf 
dem Dache fliegen lassen - dafür müssen Sie uns 
Rede stehen, Herr Jarcke. Wie! Wenn wir das deut-
sche Volk haßten, würden wir mit aller unserer Kraft 
dafür streiten, es von der schmachvollsten Erniedri-
gung, in der es versunken, es von der bleiernen Tyran-
nei, die auf ihm lastet, es von dem Übermute seiner 
Aristokraten, dem Hochmute seiner Fürsten, von dem 
Spotte aller Hofnarren, den Verleumdungen aller ge-
dungenen Schriftsteller befreien zu helfen, um es den 
kleinen, bald vorübergehenden und so ehrenvollen 
Gefahren der Freiheit preiszugeben? Haßten wir die 
Deutschen, dann schrieben wir wie Sie, Herr Jarcke. 
Aber bezahlen ließen wir uns nicht dafür; denn auch 
noch die sündevolle Rache hat etwas, das entheiligt 
werden kann.«
Die Verdächtigung seines Patriotismus erregte bei 
Börne, in der angeführten Stelle, eine Mißlaune, die 
der bloße Vorwurf jüdischer Abstammung niemals in 
ihm hervorzurufen vermochte. Es amüsierte ihn sogar,
wenn die Feinde, bei der Fleckenlosigkeit seines 
Wandels, ihm nichts Schlimmeres nachzusagen wu-
ßten, als daß er der Sprößling eines Stammes, der 
einst die Welt mit seinem Ruhm erfüllte und trotz 
aller Herabwürdigung noch immer die uralt heilige 
Weihe nicht ganz eingebüßt hat. Er rühmte sich sogar
oft dieses Ursprungs, freilich in seiner humoristischen
Weise, und den Mirabeau parodierend, sagte er einst 
zu einem Franzosen: »Jésus-Christ - qui en pa-
renthèse était mon cousin - a prêché l'égalité« usw. 
In der Tat, die Juden sind aus jenem Teige, woraus 
man Götter knetet; tritt man sie heute mit Füßen, fällt 
man morgen vor ihnen auf die Knie; während die 
einen sich im schäbigsten Kote des Schachers herum-
wühlen, ersteigen die anderen den höchsten Gipfel der
Menschheit, und Golgatha ist nicht der einzige Berg, 
wo ein jüdischer Gott für das Heil der Welt geblutet. 
Die Juden sind das Volk des Geistes, und jedesmal, 
wenn sie zu ihrem Prinzipe zurückkehren, sind sie 
groß und herrlich und beschämen und überwinden 
ihre plumpen Dränger. Der tiefsinnige Rosenkranz 
vergleicht sie mit dem Riesen Antäus, nur daß dieser 
jedesmal erstarkte, wenn er die Erde berührte, jene 
aber, die Juden, neue Kräfte gewinnen, sobald sie 
wieder mit dem Himmel in Berührung kommen. 
Merkwürdige Erscheinung der grellsten Extreme! 
Während unter diesen Menschen alle möglichen Frat-
zenbilder der Gemeinheit gefunden werden, findet 
man unter ihnen auch die Ideale des reinsten Men-
schentums, und wie sie einst die Welt in neue Bahnen
des Fortschrittes geleitet, so hat die Welt vielleicht 
noch weitere Initiationen von ihnen zu erwarten...
»Die Natur«, sagte mir einst Hegel, »ist sehr wun-
derlich; dieselben Werkzeuge, die sie zu den erhaben-
sten Zwecken gebraucht, benutzt sie auch zu den 
niedrigsten Verrichtungen, z.B. jenes Glied, welchem 
die höchste Mission, die Fortpflanzung der Mensch-
heit, anvertraut ist, dient auch zum ---«
Diejenigen, welche über die Dunkelheit Hegels kla-
gen, werden ihn hier verstehen, und wenn er auch 
obige Worte nicht eben in Beziehung auf Israel aus-
sprach, so lassen sie sich doch darauf anwenden.
Wie dem auch sei, es ist leicht möglich, daß die 
Sendung dieses Stammes noch nicht ganz erfüllt, und 
namentlich mag dieses in Beziehung auf Deutschland 
der Fall sein. Auch letzteres erwartet einen Befreier, 
einen irdischen Messias - mit einem himmlischen 
haben uns die Juden schon gesegnet -, einen König 
der Erde, einen Retter mit Zepter und Schwert, und 
dieser deutsche Befreier ist vielleicht derselbe, dessen 
auch Israel harret...
O teurer, sehnsüchtig erwarteter Messias!
Wo ist er jetzt, wo weilt er? Ist er noch ungeboren, 
oder liegt er schon seit einem Jahrtausend irgendwo 
versteckt, erwartend die große rechte Stunde der Erlö-
sung? Ist es der alte Barbarossa, der im Kyffhäuser 
schlummernd sitzt auf dem steinernen Stuhle und 
schon so lange schläft, daß sein weißer Bart durch 
den steinernen Tisch durchgewachsen?... nur manch-
mal schlaftrunken schüttelt er das Haupt und blinzelt 
mit den halbgeschlossenen Augen, greift auch wohl 
träumend nach dem Schwert... und nickt wieder ein, 
in den schweren Jahrtausendschlaf!
Nein, es ist nicht der Kaiser Rotbart, welcher 
Deutschland befreien wird, wie das Volk glaubt, das 
deutsche Volk, das schlummersüchtige, träumende 
Volk, welches sich auch seinen Messias nur in der 
Gestalt eines alten Schläfers denken kann!
Da machen doch die Juden sich eine weit bessere 
Vorstellung von ihrem Messias, und vor vielen Jah-
ren, als ich in Polen war und mit dem großen Rabbi 
Manasse ben Naphtali zu Krakau verkehrte, horchte 
ich immer mit freudig offenem Herzen, wenn er von 
dem Messias sprach... Ich weiß nicht mehr, in wel-
chem Buche des Talmuds die Details zu lesen sind, 
die mir der große Rabbi ganz treu mitteilte, und über-
haupt nur in den Grundzügen schwebt mir seine Be-
schreibung des Messias noch im Gedächtnisse. Der 
Messias, sagte er mir, sei an dem Tage geboren, wo 
Jerusalem durch den Bösewicht, Titus Vespasian, zer-
stört worden, und seitdem wohne er im schönsten Pa-
laste des Himmels, umgeben von Glanz und Freude, 
auch eine Krone auf dem Haupte tragend, ganz wie 
ein König... aber seine Hände seien gefesselt mit gol-
denen Ketten!
»Was«, frug ich verwundert, »was bedeuten diese 
goldenen Ketten?«
»Die sind notwendig« - erwiderte der große Rabbi,
mit einem schlauen Blick und einem tiefen Seufzer -, 
»ohne diese Fessel würde der Messias, wenn er 
manchmal die Geduld verliert, plötzlich herabeilen 
und zu frühe, zur unrechten Stunde, das Erlösungs-
werk unternehmen. Er ist eben keine ruhige Schlaf-
mütze. Er ist ein schöner, sehr schlanker, aber doch 
ungeheuer kräftiger Mann; blühend wie die Jugend. 
Das Leben, das er führt, ist übrigens sehr einförmig. 
Den größten Teil des Morgens verbringt er mit den 
üblichen Gebeten oder lacht und scherzt mit seinen 
Dienern, welche verkleidete Engel sind und hübsch 
singen und die Flöte blasen. Dann läßt er sein langes 
Haupthaar kämmen, und man sanft ihn mit Narden 
und bekleidet ihn mit seinem fürstlichen Purpurge-
wande. Den ganzen Nachmittag studiert er die Kabba-
la. Gegen Abend läßt er seinen alten Kanzler kom-
men, der ein verkleideter Engel ist, ebenso wie die 
vier starken Staatsräte, die ihn begleiten, verkleidete 
Engel sind. Aus einem großen Buche muß alsdann der
Kanzler seinem Herrn vorlesen, was jeden Tag pas-
sierte... Da kommen allerlei Geschichten vor, worüber
der Messias vergnügt lächelt oder auch mißmütig den 
Kopf schüttelt... Wenn er aber hört, wie man unten 
sein Volk mißhandelt, dann gerät er in den furchtbar-
sten Zorn und heult, daß die Himmel erzittern... Die 
vier starken Staatsräte müssen dann den Ergrimmten 
zurückhalten, daß er nicht herabeile auf die Erde, und 
sie würden ihn wahrlich nicht bewältigen, wären seine
Hände nicht gefesselt mit den goldenen Ketten... Man 
beschwichtigt ihn auch mit sanften Reden, daß jetzt 
die Zeit noch nicht gekommen sei, die rechte Ret-
tungsstunde, und er sinkt am Ende aufs Lager und 
verhüllt sein Antlitz und weint...«
So ungefähr berichtete mir Manasse ben Naphtali 
zu Krakau, seine Glaubwürdigkeit mit Hinweisung 
auf den Talmud verbürgend. Ich habe oft an seine Er-
zählungen denken müssen, besonders in den jüngsten 
Zeiten, nach der Juliusrevolution. Ja, in schlimmen 
Tagen glaubt ich manchmal mit eignen Ohren ein Ge-
rassel zu hören, wie von goldenen Ketten, und dann 
ein verzweifelndes Schluchzen...
O verzage nicht, schöner Messias, der du nicht 
bloß Israel erlösen willst, wie die abergläubischen 
Juden sich einbilden, sondern die ganze leidende 
Menschheit! Oh, zerreißt nicht, ihr goldenen Ketten! 
Oh, haltet ihn noch einige Zeit gefesselt, daß er nicht 
zu frühe komme, der rettende König der Welt!

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