Ludwig Börne.
Eine Denkschrift

Drittes Buch

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Text by Heinrich Heine (1797-1856)


--- Es war im Herbst 1831, ein Jahr nach der Juli-
usrevolution, als ich zu Paris den Doktor Ludwig 
Börne wiedersah. Ich besuchte ihn im Gasthof Hôtel 
de Castille, und nicht wenig wunderte ich mich über 
die Veränderung, die sich in seinem ganzen Wesen 
aussprach. Das bißchen Fleisch, das ich früher an sei-
nem Leibe bemerkt hatte, war jetzt ganz verschwun-
den, vielleicht geschmolzen von den Strahlen der Juli-
ussonne, die ihm leider auch ins Hirn gedrungen. Aus 
seinen Augen leuchteten bedenkliche Funken. Er saß 
oder vielmehr er wohnte in einem großen, buntseide-
nen Schlafrock, wie eine Schildkröte in ihrer Schale, 
und wenn er manchmal argwöhnisch sein dünnes 
Köpfchen hervorbeugte, ward mir unheimlich zumute.
Aber das Mitleid überwog, wenn er aus dem weiten 
Ärmel die arme abgemagerte Hand zum Gruße oder 
zum freundschaftlichen Händedruck ausstreckte. In 
seiner Stimme zitterte eine gewisse Kränklichkeit, 
und auf seinen Wangen grinsten schon die schwind-
süchtig roten Streiflichter. Das schneidende Mißtrau-
en, das in allen seinen Zügen und Bewegungen lauer-
te, war vielleicht eine Folge der Schwerhörigkeit, 
woran er früher schon litt, die aber seitdem immer zu-
nahm und nicht wenig dazu beitrug, mir seine Kon-
versation zu verleiden.
»Willkommen in Paris!« rief er mir entgegen. - 
»Das ist brav! Ich bin überzeugt, die Guten, die es am
besten meinen werden alle bald hier sein. Hier ist der 
Konvent der Patrioten von ganz Europa, und zu dem 
großen Werke müssen sich alle Völker die Hände rei-
chen. Sämtliche Fürsten müssen in ihren eigenen Län-
dern beschäftigt werden, damit sie nicht in Gemein-
schaft die Freiheit in Deutschland unterdrücken. Ach 
Gott! ach Deutschland! Es wird bald sehr betrübt bei 
uns aussehen und sehr blutig. Revolutionen sind eine 
schreckliche Sache, aber sie sind notwendig, wie Am-
putationen, wenn irgendein Glied in Fäulnis geraten. 
Da muß man schnell zuschneiden und ohne ängstli-
ches Innehalten. Jede Verzögerung bringt Gefahr, und
wer aus Mitleid oder aus Schrecken, beim Anblick 
des vielen Blutes, die Operation nur zur Hälfte ver-
richtet, der handelt grausamer als der schlimmste Wü-
terich. Hol' der Henker alle weichherzigen Chirurgen 
und ihre Halbheit! Marat hatte ganz recht, il faut faire
saigner le genre humain, und hätte man ihm die 
300000 Köpfe bewilligt, die er verlangte, so wären 
Millionen der besseren Menschen nicht zugrunde ge-
gangen, und die Welt wäre auf immer von dem alten 
Übel geheilt!
Die Republik« - ich lasse den Mann ausreden, mit 
Übergehung mancher schnörkelhaften Absprünge -, 
»die Republik muß durchgesetzt werden. Nur die 
Republik kann uns retten. Der Henker hole die soge-
nannten konstitutionellen Verfassungen, wovon unse-
re deutschen Kammerschwätzer alles Heil erwarten. 
Konstitutionen verhalten sich zur Freiheit wie positi-
ve Religionen zur Naturreligion: sie werden durch ihr 
stabiles Element ebensoviel Unheil anrichten wie jene
positiven Religionen, die, für einen gewissen Geistes-
zustand des Volkes berechnet, im Anfang sogar die-
sem Geisteszustand überlegen sind, aber späterhin 
sehr lästig werden, wenn der Geist des Volkes die 
Satzung überflügelt. Die Konstitutionen entsprechen 
einem politischen Zustand, wo die Bevorrechteten von
ihren Rechten einige abgeben und die armen Men-
schen, die früher ganz zurückgesetzt waren, plötzlich 
jauchzen, daß sie ebenfalls Rechte erlangt haben... 
Aber diese Freude hört auf, sobald die Menschen 
durch ihren freieren Zustand für die Idee einer voll-
ständigen, ganz ungeschmälerten, ganz gleichheitli-
chen Freiheit empfänglich geworden sind; was uns 
heute die herrlichste Akquisition dünkt, wird unseren 
Enkeln als ein kümmerliches Abfinden erscheinen, 
und das geringste Vorrecht, das die ehemalige Aristo-
kratie noch behielt, vielleicht das Recht, ihre Röcke 
mit Petersilie zu schmücken, wird alsdann ebensoviel 
Bitterkeit erregen wie einst die härteste Leibeigen-
schaft, ja eine noch tiefere Bitterkeit, da die Aristo-
kratie mit ihrem letzten Petersilienvorrecht um so 
hochmütiger prunken wird!... Nur die Naturreligion, 
nur die Republik kann uns retten. Aber die letzten 
Reste des alten Regiments müssen vernichtet werden, 
ehe wir daran denken können, das neue bessere Regi-
ment zu begründen. Da kommen die untätigen 
Schwächlinge und Quietisten und schniffeln, wir Re-
volutionäre rissen alles nieder, ohne imstande zu sein,
etwas an die Stelle zu setzen! Und sie rühmen die In-
stitutionen des Mittelalters, worin die Menschheit so 
sicher und ruhig gesessen habe. Und jetzt, sagen sie, 
sei alles so kahl und nüchtern und öde, und das Leben
sei voll Zweifel und Gleichgültigkeit.
Ehemals wurde ich immer wütend über diese Lob-
redner des Mittelalters. Ich habe mich aber an diesen 
Gesang gewöhnt, und jetzt ärgere ich mich nur, wenn 
die lieben Sänger in eine andere Tonart übergehen 
und beständig über unser Nieder, reißen jammern. 
Wir hätten gar nichts anderes im Sinne, als alles nie-
derzureißen. Und wie dumm ist diese Anklage! Man 
kann ja nicht eher bauen, ehe das alte Gebäude nie-
dergerissen ist, und der Niederreißer verdient ebenso-
viel Lob als der Auf, bauende, ja noch mehr, da sein 
Geschäft noch viel wichtiger... Zum Beispiel in mei-
ner Vaterstadt, auf dem Dreifaltigkeitsplatze, stand 
eine alte Kirche, die so morsch und baufällig war, daß
man fürchtete, durch ihren Einsturz würden einmal 
plötzlich viele Menschen getötet oder verstümmelt 
werden. Man riß sie nieder, und die Niederreißer ver-
hüteten ein großes Unglück, statt daß die ehemaligen 
Erbauer der Kirche nur ein großes Glück beförder-
ten... Und man kann eher ein großes Glück entbehren,
als ein großes Unglück ertragen! Es ist wahr, viel 
gläubige Herrlichkeit blühte einst in den alten Mau-
ern, und sie waren späterhin eine fromme Reliquie des
Mittelalters, gar poetisch anzuschauen, des Nachts, 
im Mondschein... Wem aber, wie meinem armen Vet-
ter, als er mal vorbeiging, einige Steine dieses übrig-
gebliebenen Mittelalters auf den Kopf fielen (er blute-
te lange und leidet noch heute an der Wunde), der ver-
wünscht die Verehrer alter Gebäude und segnet die 
tapferen Arbeitsleute, die solche gefährliche Ruinen 
niederreißen... Ja, sie haben sie niedergerissen, sie 
haben sie dem Boden gleichgemacht, und jetzt wach-
sen dort grüne Bäumchen und spielen kleine Kinder, 
des Mittags, im Sonnenlicht.«
In solchen Reden gab's keine Spur der früheren 
Harmlosigkeit, und der Humor des Mannes, worin 
alle gemütliche Freude erloschen, ward mitunter gal-
lenbitter, blutdürstig und sehr trocken. Das Absprin-
gen von einem Gegenstand zum anderen entstand 
nicht mehr durch tolle Laune, sondern durch launische
Tollheit und war wohl zunächst der buntscheckigen 
Zeitungslektüre beizumessen, womit sich Börne da-
mals Tag und Nacht beschäftigte. Inmitten seiner 
terroristischen Expektorationen griff er plötzlich zu 
einem jener Tagesblätter, die in großen Haufen vor 
ihm ausgestreut lagen, und rief lachend:
»Hier können Sie's lesen, hier steht's gedruckt: 
›Deutschland ist mit großen Dingen schwanger!‹ Ja, 
das ist wahr, Deutschland geht schwanger mit großen 
Dingen; aber das wird eine schwere Entbindung 
geben. Und hier bedarf's eines männlichen Geburts-
helfers, und der muß mit eisernen Instrumenten agie-
ren. Was glauben Sie?«
»Ich glaube, Deutschland ist gar nicht schwanger.«
»Nein, nein, Sie irren sich. Es wird vielleicht eine 
Mißgeburt zur Welt kommen, aber Deutschland wird 
gebären. Nur müssen wir uns der geschwätzigen alten
Weiber entledigen, die sich herandrängen und ihren 
Hebammendienst anbieten. Da ist z.B. so eine Vettel 
von Rotteck. Dieses alte Weib ist nicht einmal ein 
ehrlicher Mann. Ein armseliger Schriftsteller, der ein 
bißchen liberalen Demagogismus treibt und den Ta-
gesenthusiasmus ausbeutet, um die große Menge zu 
gewinnen, um seinen schlechten Büchern Absatz zu 
verschaffen, um sich überhaupt eine Wichtigkeit zu 
geben. Der ist halb Fuchs, halb Hund und hüllt sich 
in ein Wolfsfell, um mit den Wölfen zu heulen. Da ist
mir doch tausendmal lieber der dumme Kerl von Rau-
mer - soeben lese ich seine ›Briefe aus Paris‹ -, der 
ist ganz Hund, und wenn er liberal knurrt, täuscht er 
niemand und jeder weiß, er ist ein untertäniger Pudel, 
der niemand beißt! Das läuft beständig herum und 
schnopert an allen Küchen und möchte gern einmal in
unsere Suppe seine Schnauze stecken, fürchtet aber 
die Fußtritte der hohen Gönner. Und sie geben ihm 
wirklich Fußtritte und halten das arme Vieh für einen 
Revolutionär. Lieber Himmel, es verlangt nur ein bi-
ßchen Wedelfreiheit, und wenn man ihm diese ge-
währt, so leckt es dankbar die goldenen Sporen der 
uckermärkischen Ritterschaft. Nichts ist ergötzlicher 
als solche unermüdliche Beweglichkeit neben der un-
ermüdlichen Geduld. Dieses tritt recht hervor in 
jenem Briefen, wo der arme Laufhund auf jeder Seite 
selbst erzählt, wie er vor den Pariser Theatern ruhig 
Queue machte... Ich versichere Sie, er machte ruhig 
Queue mit dem großen Troß und ist so einfältig, es 
selbst zu erziehen. Was aber noch weit stärker, was 
die Gemeinheit seiner Seele ganz zur Anschauung 
bringt, ist das Geständnis, daß er, wenn er vor Ende 
der Vorstellung das Theater verließ, jedesmal seine 
Kontermarke verkaufte. Es ist wahr, als Fremder 
braucht er nicht zu wissen, daß solcher Verkauf einen 
ordentlichen Menschen herabwürdigt; aber er hätte 
nur die Leute zu betrachten brauchen, denen er seine 
Kontermarke verhandelte, um von selbst zu merken, 
daß sie nur der Abschaum der Gesellschaft sind, Die-
besgesindel und Maquereaus, kurz, Leute, mit denen 
ein ordentlicher Mensch nicht gern spricht, viel weni-
ger ein Handelsgeschäft treibt. Der muß von Natur 
sehr schmutzig sein, wer aus diesen schmutzigen 
Händen Geld nimmt!«
Damit man nicht wähne, als stimme ich in dem Ur-
teil über den Herrn Professor Friedrich von Raumer 
ganz mit Börne überein, so bemerkte ich zu seinem 
Vorteil, daß ich ihn zwar für schmutzig halte, aber 
nicht für dumm. Das Wort schmutzig, wie ich eben-
falls ausdrücklich bemerken will, muß hier nicht im 
materiellen Sinn genommen werden... Die Frau Pro-
fessorin würde sonst Zeter schreien und alle ihre 
Waschzettel drucken lassen, worin verzeichnet steht, 
wieviel reine Unterhemden und Chemisettchen ihr lie-
bes Männlein ihn Laufe des Jahres angezogen... und 
ich bin überzeugt, die Zahl ist groß, da der Herr Pro-
fessor Raumer im Laufe des Jahres soviel läuft und 
folglich schwitzt und folglich viel Wäsche nötig hat. 
Es kommt ihm nämlich nicht der gebratene Ruhm ins 
Haus geflogen, er muß vielmehr beständig auf den 
Beinen sein, um ihn aufzusuchen, und wenn er ein 
Buch schreibt, so muß er erst von Pontio nach Pilato 
rennen, um die Gedanken zusammenzukriegen und 
endlich dafür zu sorgen, daß das mühsam zusammen-
gestoppelte Opus auch von der literarischen Claque 
hinlänglich unterstützt wird. Das bewegliche süßhöl-
zerne Männchen ist ganz einzig in dieser 
Betriebsamkeit, und nicht mit Unrecht bemerkte einst 
eine geistreiche Frau: »Sein Schreiben ist eigentlich 
ein Laufen.« Wo was zu machen ist, da ist es, das 
Raumerchen aus Anhalt-Dessau. Jüngst lief es nach 
London; vorher sah man es während drei Monaten 
überall hin und her laufen, um die dazu nötigen Emp-
fehlungsschreiben zu betteln, und nachdem es in der 
englischen Gesellschaft ein bißchen herumge-
schnopert und ein Buch zusammengelaufen, erläuft es
auch einen Verleger für die englische Übersetzung, 
und Sarah Austin, meine liebenswürdige Freundin, 
muß notgedrungen ihre Feder dazu hergeben, um das 
saure fließpapierne Deutsch in velinschönes Englisch 
zu übersetzen und ihre Freunde anzutreiben, das über-
setzte Produkt in den verschiedenen englischen Re-
vues zu rezensieren... und diese erlaufenen englischen 
Rezensionen läßt dann Brockhaus zu Leipzig wieder 
ins Deutsche übersetzen, unter dem Titel »Englische 
Stimmen über Fr. v. Raumer«!
Ich wiederhole, daß ich mit dem Urteil Börnes über
Herrn v. Raumer nicht übereinstimme, er ist ein 
schmutziger, aber kein dummer Kerl, wie Börne 
meinte, der, vielleicht weil er ebenfalls »Briefe aus 
Paris« drucken ließ, den armen Nebenbuhler so scharf
kritisierte und bei jeder Gelegenheit eine Lauge des 
boshaftesten Spottes über ihn ausgoß.
Ja, lacht nicht, Herr von Raumer war damals ein 
Nebenbuhler von Börne, dessen »Briefe aus Paris« 
fast gleichzeitig mit den erwähnten Briefen erschie-
nen, worin es, das Raumerchen, mit der Madame Cre-
linger und ihrem Gatten aus Paris korrespondierte.
Diese Briefe sind längst verschollen, und wir erin-
nern uns nur noch des spaßhaften Eindrucks, den sie 
hervorbrachten, als sie gleichzeitig mit den »Pariser 
Briefen« von Börne auf dem literarischen Markte er-
schienen. Was letztere betrifft, so gestehe ich, die 
zwei ersten Bände, die mir in jener Periode zu Gesicht
kamen, haben mich nicht wenig erschreckt. Ich war 
überrascht von diesem ultraradikalen Tone, den ich 
am wenigsten von Börne erwartete. Der Mann, der 
sich, in seiner anständigen, geschniegelten Schreibart,
immer selbst inspizierte und kontrollierte und der jede
Silbe, ehe er sie niederschrieb, vorher abwog und 
abmaß... der Mann, der in seinem Stile immer etwas 
beibehielt von der Gewöhnung seines reichsstädti-
schen Spießbürgertums, wo nicht gar von den Ängst-
lichkeiten seines früheren Amtes... der ehemalige Po-
lizeiaktuar von Frankfurt am Main stürzte sich jetzt in
einen Sansculottismus des Gedankens und des Aus-
drucks, wie man dergleichen in Deutschland noch nie 
erlebt hat. Himmel! welche entsetzliche Wortfügun-
gen, welche hochverräterische Zeitwörter! welche ma-
jestätsverbrecherische Akkusative! welche Imperati-
ve! welche polizeiwidrige Fragezeichen! welche 
Metaphern, deren bloßer Schatten schon zu zwanzig 
Jahr Festungsstrafe berechtigte! Aber trotz des Grau-
ens, den mir jene Briefe einflößten, weckten sie in mir
eine Erinnerung, die sehr komischer Art, die mich fast
bis zum Lachen erheiterte und die ich hier durchaus 
nicht verschweigen kann. Ich gestehe es, die ganze 
Erscheinung Börnes, wie sie sich in jenen Briefen of-
fenbarte, erinnerte mich an den alten Polizeivogt, der, 
als ich ein kleiner Knabe war, in meiner Vaterstadt 
regierte. Ich sage regierte, da er, mit unumschränktem 
Stock die öffentliche Ruhe verwaltend, uns kleinen 
Buben einen ganz majestätischen Respekt einflößte 
und uns schon durch seinen bloßen Anblick gleich 
auseinanderjagte, wenn wir auf der Straße gar zu lär-
mige Spiele trieben. Dieser Polizeivogt wurde plötz-
lich wahnsinnig und bildete sich ein, er sei ein kleiner
Gassenjunge, und zu unserer unheimlichsten Verwun-
derung sahen wir, wie er, der allmächtige Straßenbe-
herrscher, statt Ruhe zu stiften, uns zu dem lautesten 
Unfug aufforderte. »Ihr seid viel zu Zahm«, rief er, 
»ich aber will euch zeigen, wie man Spektakel ma-
chen muß!« Und dabei fing ich an, wie ein Löwe zu 
brüllen oder wie ein Kater zu miauen, und er klingelte
an den Häusern, daß die Türglocke abriß, und er warf 
Steine gegen die klirrenden Fensterscheiben, immer 
schreiend: »Ich will euch lehren, Jungens, wie man 
Spektakel macht!« Wir kleinen Buben amüsieren uns 
sehr über den Alten und liefen jubelnd hinter ihm 
drein bis man ihn ins Irrenhaus abführte.
Während der Lektüre der Börneschen Briefe dachte
ich wahrhaftig immer an den alten Polizeivogt, und 
mir war oft, als hörte ich wieder seine Stimme: »Ich 
will euch lehren, wie man Spektakel macht!«
In den mündlichen Gesprächen Börnes war die 
Steigerung seines politischen Wahnsinns minder auf-
fallend, da sie im Zusammenhang blieb mit den Lei-
denschaften, die in seiner nächsten Umgebung wüte-
ten, sich beständig schlagfertig hielten und nicht sel-
ten auch tatsächlich zuschlugen. Als ich Börne zum 
zweiten Male besuchte, in der Rue de Provence, wo er
sich definitiv einquartiert hatte, fand ich in seinem 
Salon eine Menagerie von Menschen, wie man sie 
kaum im Jardin des Plantes finden möchte. Im Hinter-
grunde kauerten einige deutsche Eisbären, welche 
Tabak rauchten, fast immer schwiegen und nur dann 
und wann einige, vaterländische Donnerworte im tief-
sten Brummbaß hervorfluchten. Neben ihnen hockt 
auch ein polnischer Wolf, welcher eine rote Mütze 
trug und manchmal die süßlich-fadesten Bemerkun-
gen mit heiserer Kehle heulte.. Dann fand ich dort 
einen französischen Affen, der zu einen heißesten ge-
hörte, die ich jemals gesehen; er schnitt beständig Ge-
sichter, damit man sich das schönste darunter aussu-
chen möge.. Das unbedeutendste Subjekt in jener 
Börneschen Menagerie war ein Herr *, der Sohn des 
alten *, eines Weinhändlers in Frankfurt am Main, der
ihn gewiß in sehr nüchterner Stimmung gezeugt... 
eine lange, hagere Gestalt, die wie der Schatten einer 
Eau-de-Cologne-Flasche aussah, aber keineswegs wie
der Inhalt derselben roch. Trotz seines dünnen Ausse-
hens trug er, wie Börne behauptete, zwölf wollene 
Unterjacken; denn ohne dieselben würde er gar nicht 
existieren. Börne machte sich beständig über ihn lu-
stig:
»Ich präsentiere Ihnen hier einen *, es ist freilich 
kein * erster Größe, aber er ist doch mit der Sonne 
verwandt, er empfängt von derselben sein Licht... er 
ist ein untertäniger Verwandter der Herrn von Roth-
schild... Denken Sie sich, Herr *, ich habe diese 
Nacht im Traum den Frankurter Rothschild hängen 
sehen, und Sie waren es, welcher ihm den Strick um 
den Hals legte...«
Herr * erschrak bei diesen Worten, und wie in To-
desangst rief er: »Herr Berne, ich bitte Ihnen, sagen 
Sie das nicht weiter... ich hab Grind...« - »Ich hab 
Grind« - wiederholte mehrmals der junge Mensch, 
und indem er sich gegen mich wandte, bat er mich mit
leiser Stimme, ihm in eine Ecke des Zimmers zu fol-
gen, um mir seine delikate »Posiziaun« zu vertrauen. 
»Sehen Sie«, flüsterte er heimlich, »ich habe eine de-
likate Posiziaun. Von der einen Seite ist Madame 
Wohl auf dem Wollgraben meine Tante, und auf der 
anderen Seite ist die Frau von Herrn von Rothschild 
auch sozusagen meine Tante. Ich bitte Ihnen, erzählen
Sie nicht im Hause des Herrn Baron v. Rothschild, 
daß Sie mich hier bei Berne gesehen haben... ich hab 
Grind.«
Börne machte sich über diesen Unglücklichen be-
ständig lustig, und besonders hechelte er ihn wegen 
der mundfaulen und kauderwelschen Art, wie er das 
Französische aussprach. »Mein lieber Landsmann«, 
sagte er, »die Franzosen haben unrecht, über Sie zu 
lachen; sie offenbaren dadurch ihre Unwissenheit. 
Verständen sie Deutsch, so würden sie einsehen, wie 
richtig Ihre Redensarten konstruiert sind, nämlich 
vom deutschen Standpunkte aus... Und warum sollen 
Sie Ihre Nationalität verleugnen? Ich bewundere 
sogar, mit welcher Gewandtheit Sie Ihre Mutterspra-
che, das Frankfurter Mauscheln, ins Französische 
übertragen... Die Franzosen sind ein unwissendes 
Volk und werden es nie dahin bringen, ordentlich 
Deutsch zu lernen. Sie haben keine Geduld... Wir 
Deutschen sind das geduldigste und gelehrigste 
Volk... Wieviel müssen wir schon als Knaben lernen! 
wieviel Latein! wieviel Griechisch, wieviel persische 
Könige und ihre ganze Sippschaft bis zum Großva-
ter!... ich wette, so ein unwissender Franzose weiß 
sogar in seinen alten Tagen noch nicht, daß die 
Mutter des Cyrus Frau Mandane geheißen und eine 
geborne Astyages war. Auch haben wir die besten 
Handbücher für alle Wissenschaften herausgegeben. 
Neanders Kirchengeschichte und Meyer Hirschs Re-
chenbuch sind klassisch. Wir sind ein denkendes 
Volk, und weil wir so viele Gedanken hatten, daß wir 
sie nicht alle aufschreiben konnten, haben wir die 
Buchdruckerei erfunden, und weil wir manchmal vor 
lauter Denken und Bücherschreiben oft das liebe Brot
nicht hatten, erfanden wir die Kartoffel.«
»Das deutsche Volk«, brummte der deutsche Patri-
ot aus seiner Ecke, »hat auch das Pulver erfunden.«
Börne wandte sich rasch nach dem Patrioten, der 
ihn mit dieser Bemerkung unterbrochen hatte, und 
sprach sarkastisch lächelnd: »Sie irren sich, mein 
Freund, man kann nicht so eigentlich behaupten, daß 
das deutsche Volk das Pulver erfunden habe. Das 
deutsche Volk besteht aus dreißig Millionen Men-
schen. Nur einer davon hat das Pulver erfunden... die 
übrigen, 29999999 Deutsche, haben das Pulver nicht 
erfunden. - Übrigens ist das Pulver eine gute Erfin-
dung, ebenso wie die Druckerei, wenn man nur den 
rechten Gebrauch davon macht. Wir Deutschen aber 
benutzen die Presse, um die Dummheit, und das Pul-
ver, um die Sklaverei zu verbreiten -«
Einlenkend, als man ihm diese irrige Behauptung 
verwies, fuhr Börne fort: »Je nun, ich will 
eingestehen, daß die deutsche Presse sehr viel Heil 
gestiftet, aber es wird überwogen von dem gedruckten
Unheil. Jedenfalls muß man dieses einräumen, in Be-
ziehung auf bürgerliche Freiheit... Ach! wenn ich die 
ganze deutsche Geschichte durchgehe, bemerke ich, 
daß die Deutschen für bürgerliche Freiheit wenig Ta-
lent besitzen, hingegen die Knechtschaft, sowohl 
theoretisch als praktisch, immer leicht erlernten und 
diese Disziplin nicht bloß zu Hause, sondern auch im 
Auslande mit Erfolg dozierten. Die Deutschen waren 
immer die ludi magistri der Sklaverei, und wo der 
blinde Gehorsam in die Leiber oder in die Geister ein-
geprügelt werden sollte, nahm man einen deutschen 
Exerziermeister. Auch haben wir die Sklaverei über 
ganz Europa verbreitet, und als Denkmäler dieser 
Sündflut sitzen deutsche Fürstengeschlechter auf allen
Thronen Europas, wie, nach uralten Überschwem-
mungen, auf den höchsten Bergen die Reste verstei-
nerter Seeungeheuer gefunden werden... Und noch 
jetzt, kaum wird ein Volk frei, so wird ihm ein deut-
scher Prügel auf den Rücken gebunden... und sogar in
der heiligen Heimat des Harmodios und Aristogei-
tons, im wiederbefreiten Griechenland, wird jetzt 
deutsche Knechtschaft eingesetzt, und auf der Akro-
polis von Athen fließt bayersches Bier und herrscht 
der bayersche Stock... Ja, es ist erschrecklich, daß der 
König von Bayern, dieser kleine Tyrannos und 
schlechte Poet, seinen Sohn auf den Thron jenes Lan-
des setzen durfte, wo einst die Freiheit und die Dicht-
kunst geblüht, jenes Landes, wo es eine Ebene gibt, 
welche Marathon, und einen Berg, welcher Parnaß 
heißt! Ich kann nicht daran denken, ohne daß mir das 
Gehirn zittert... Wie ich in der heutigen Zeitung gele-
sen, haben wieder drei Studenten in München, vor 
dem Bilde des König Ludwigs, niederknien und Ab-
bitte tun müssen. Niederknien vor dem Bilde eines 
Menschen, der noch dazu ein schlechter Poet ist! 
Wenn ich ihn in meiner Macht hätte, dieser schlechte 
Dichter sollte niederknien vor dem Bilde der Musen 
und Abbitte tun, wegen seiner schlechten Verse, 
wegen beleidigter Majestät der Poesie! Sprecht mir 
jetzt noch von römischen Kaisern, welche soviel Tau-
sende von Christen hinrichten ließen, weil diese nicht 
vor ihrem Bilde knien wollten... Jene Tyrannen waren 
wenigstens Herrn der ganzen Welt, von Aufgang bis 
zum Niedergang, und, wie wir an ihren Statuen noch 
heute sehen, wenn auch keine Götter, so waren sie 
doch schöne Menschen. Man beugt sich am Ende 
leicht vor Macht und Schönheit. Aber niederknien vor
Ohnmacht und Häßlichkeit ---«
-- Es bedarf wohl keines besonderen Winks für den
scharfsinnigen Leser« aus welchen Gründen ich den 
Frevler nicht weitersprechen lasse, ich glaube, die an-
geführten Phrasen sind hinreichend, um die damalige 
Stimmung des Mannes zu bekunden; sie war im Ein-
klang mit dem hitzigen Treiben jener deutschen Tu-
multuanten, die, seit der Juliusrevolution, in wilden 
Schwärmen nach Paris kamen und sich schon gleich 
um Börne sammelten. Es ist kaum zu begreifen, wie 
dieser sonst so gescheute Kopf sich von der rohesten 
Tobsucht beschwatzen und zu den gewaltsamsten 
Hoffnungen verleiten lassen konnte! Zunächst geriet 
er in den Kreis jenes Wahnsinnes, als dessen Mittel-
punkt der berühmte Buchhändler F. zu betrachten 
war. Dieser F., man sollte es kaum glauben, war ganz 
der Mann nach dem Herzen Börnes. Die rote Wut, die
in der Brust des einen kochte, das dreitägige Juliusfie-
ber, das die Glieder des einen rüttelte, der jakobini-
sche Veitstanz, worin der eine sich drehte, fand den 
entsprechenden Ausdruck in der »Pariser Briefen« des
anderen. Mit dieser Bemerkung will ich aber nur 
einen Geistesirrtum, keineswegs einen Herzensirrtum 
andeuten, bei dem einen wie bei dem andern, denn 
auch F. meinte es gut mit dem deutschen Vaterlande, 
er war aufrichtig, heldenmütig, jeder Selbstopferung 
fähig, jedenfalls ein ehrlicher Mann, und zu solchem 
Zeugnis glaube ich um so mehr verpflichtet, da, seit er
in strenger Haft schweigen muß, die servile Verleum-
dung an seinem Leumund nagt. Man kann ihn man-
cher unklugen, auch keiner zweideutigen Handlung 
beschuldigen; er zeigte namentlich im Unglück sehr 
viel Charakter, er war durchglüht von reinster Bürger-
tugend, und um die Schellenkappe, die sein Haupt 
umklingelt, müssen wir einen Kranz von Eichenlaub 
flechten. Der edle Narr, er war mir tausendmal lieber 
als jener andere Buchhändler, der ebenfalls nach Paris
gekommen, um eine deutsche Übersetzung der franzö-
sischen Revolution zu besorgen, jener leise Schlei-
cher, welcher matt und menschenfreundlich wimmerte
und wie eine Hyäne aussah, die zur Abführung einge-
nommen.. Übrigens rühmte man auch letztern als 
einen ehrlichen Mann, der sogar seine Schulden be-
zahlte, wenn er das Große Los in der Lotterie ge-
winnt, und wegen solcher Ehrlichkeitsverdienste ward
er zum Finanzminister des erneuten Deutschen Reichs
vorgeschlagen... Im Vertrauen gesagt, er müßte sich 
mit den Finanzen begnügen, denn die Stelle eines Mi-
nisters des Innern hatte F. schon vorweg vergeben, 
nämlich an Garnier, wie er auch die deutsche Kaiser-
krone dem Hauptmann S. bereits zugesagt...
Garnier freilich behauptete, der Buchhändler F. 
wolle den Hauptmann S. zum deutschen Kaiser ma-
chen, weil dieser Lump ihm Geld schuldig sei und er 
sonst nicht Zu seinem Gelde kommen könne... Das ist
aber unrichtig Und zeugt nur von Garniers Me-
disance; F. hat vielleicht aus republikanischer Arglist 
eben das kläglichste Subjekt zum Kaiser gewählt, um 
dadurch das Monarchentum herabzuwürdigen und 
lächerlich zu machen...
Der Einfluß des F. war indessen bald beendigt, als 
derselbe, ich glaube im November, Paris verließ und 
an die Stelle des großen Agitators einige neue Ober-
häupter emporstiegen; unter diesen waren die bedeu-
tendsten der schon erwähnte Garnier und ein gewisser
Wolfrum. Ich darf sie wohl mit Namen nennen, da der
eine tot ist und dem andern, welcher sich im sicheren 
England befindet, durch die Hindeutung auf seine 
ehemalige Wichtigkeit ein großer Gefallen erzeigt 
wird; beide aber, Garnier zum Teil, Wolfrum aber 
ganz, schöpften ihre Inspirationen aus dem Munde 
Börnes, der von nun an als die Seele der Pariser Pro-
paganda zu betrachten war. Der Wahnsinn blieb der-
selbe, aber, um mit Polonius zu reden, es kam Metho-
de hinein.
Ich habe mich eben des Wortes »Propaganda« be-
dient; aber ich gebrauche dasselbe in einem andern 
Sinne als gewisse Delatoren, die unter jenem Aus-
druck eine geheime Verbrüderung verstehen, eine 
Verschwörung der revolutionären Geister in ganz Eu-
ropa, eine Art blutdürstiger, atheistischer und regizi-
der Maçonnerie. Nein, jene Pariser Propaganda be-
stand vielmehr aus rohen Händen als aus feinen Köp-
fen; es waren Zusammenkünfte von Handwerkern 
deutscher Zunge, die in einem großen Saale des Pas-
sage Saumon oder in den Faubourgs sich 
versammelten, wohl fürnehmlich, um in der lieben 
Sprache der Heimat über vaterländische Gegenstände 
miteinander zu konversieren, hier wurden nun, durch 
leidenschaftliche Reden, im Sinne der rheinbayrischen
»Tribüne«, viele Gemüter fanatisiert, und da der Re-
publikanismus eine so grade Sache ist und leichter be-
greifbar als z.B. die konstitutionelle Regierungsform, 
wobei schon mancherlei Kenntnisse vorausgesetzt 
werden, so dauerte es nicht lange, und Tausende von 
deutschen Handwerksgesellen wurden Republikaner 
und predigten die neue Überzeugung. Diese Propa-
ganda war weit gefährlicher als alle jene erlogenen 
Popanze, womit die erwähnten Delatoren unsre deut-
schen Regierungen schreckten, und vielleicht weit 
mächtiger als Börnes geschriebene Reden war Börnes
mündliches Wort, welches er an Leute richtete, die es 
mit deutschem Glauben einsogen und mit apostoli-
schem Eifer in der Heimat verbreiteten. Ungeheuer 
groß ist die Anzahl deutscher Handwerker, welche ab 
und zu nach Frankreich auf die Wanderschaft gehen. 
Wenn ich daher las, wie norddeutsche Blätter sich 
darüber lustig machten, daß Börne mit sechshundert 
Schneidergesellen auf den Montmartre gestiegen, um 
ihnen eine Bergpredigt zu halten, mußte ich mitleidig 
die Achsel zucken, aber am wenigsten über Börne, 
der eine Saat ausstreute, die früh oder spät die furcht-
barsten Früchte hervorbringt. Er sprach sehr gut, 
bündig, überzeugend, volksmäßig; nackte, kunstlose 
Rede, ganz im Bergpredigerton. Ich habe ihn freilich 
nur ein einziges Mal reden hören, nämlich in dem 
Passage Saumon, wo Garnier der »Volksversamm-
lung« präsidierte... Börne sprach über den Preßverein,
welcher sich vor aristokratischer Form zu bewahren 
habe; Garnier donnerte gegen Nikolas, den Zar von 
Rußland; ein verwachsener, krummbeinichter Schu-
stergeselle trat auf und behauptete, alle Menschen 
seien gleich... Ich ärgerte mich nicht wenig über diese 
Impertinenz... Es war das erste und letzte Mal, daß 
ich der Volksversammlung beiwohnte.
Dieses eine Mal war aber auch hinreichend... Ich 
will dir gern, lieber Leser, bei dieser Gelegenheit ein 
Geständnis machen, das du eben nicht erwartest. Du 
meinst vielleicht, der höchste Ehrgeiz meines Lebens 
hätte immer darin bestanden, ein großer Dichter zu 
werden, etwa gar auf dem Kapitol gekrönt zu werden, 
wie weiland Messer Francesco Petrarcha... Nein, es 
waren vielmehr die großen Volksredner, die ich 
immer beneidete, und ich hätte für mein Leben gern 
auf öffentlichem Markte, vor einer bunten Versamm-
lung, das große Wort erhoben, welches die Leiden-
schaften aufwühlt oder besänftigt und immer eine au-
genblickliche Wirkung hervorbringt. Ja, unter vier 
Augen will ich es dir gern eingestehen, daß ich in 
jener unerfahrenen Jugendzeit, wo uns die 
komödiantenhaften Gelüste anwandeln, mich oft in 
eine solche Rolle hineindachte. Ich wollte durchaus 
ein großer Redner werden, und wie Demosthenes de-
klamierte ich zuweilen am einsamen Meeresstrand, 
wenn Wind und Wellen brausten und heulten; so übt 
man seine Lungen und gewöhnt sich dran, mitten im 
größten Lärm einer Volksversammlung zu sprechen. 
Nicht selten sprach ich auch auf freiem Felde vor 
einer großen Anzahl Ochsen und Kühe, und es gelang
mir, das versammelte Rindviehvolk zu überbrüllen. 
Schwerer schon ist es, vor Schafen eine Rede zu hal-
ten. Bei allem, was du ihnen sagst, diesen Schafsköp-
fen, wenn du sie ermahnst, sich zu befreien, nicht wie 
ihre Vorfahren geduldig zur Schlachtbank zu wan-
dern... sie antworten dir, nach jedem Satze, mit einem 
so unerschütterlich gelassenen »Mäh! Mäh!«, daß 
man die Kontenance verlieren kann. Kurz, ich tat 
alles, um, wenn bei uns einmal eine Revolution aufge-
führt werden möchte, als deutscher Volksredner auf-
treten zu können. Aber ach! schon gleich bei der er-
sten Probe merkte ich, daß ich in einem solchen 
Stücke meine Lieblingsrolle nimmermehr tragieren 
kann. Und lebten sie noch, weder Demosthenes noch 
Cicero noch Mirabeau könnten in einer deutschen Re-
volution als Sprecher auftreten: denn bei einer deut-
schen Revolution wird geraucht. Denkt euch meinen 
Schreck, als ich in Paris der obenerwähnte 
Volksversammlung beiwohnte, fand ich sämtliche 
Vaterlandsretter mit Tabakspfeifen im Maule, und der
ganze Saal war so erfüllt von schlechtem Knaster-
qualm, daß er mir gleich auf die Brust schlug und es 
mir platterdings unmöglich gewesen wäre, ein Wort 
zu reden.
Ich kann den Tabaksqualm nicht vertragen, und ich
merkte, daß in einer deutschen Revolution die Rolle 
eines Großsprechers in der Weise Börnes und Kon-
sorten nicht für mich paßte. Ich merkte überhaupt, 
daß die deutsche Tribunalkarriere nicht eben mit 
Rosen und am allerwenigsten mit reinlichen Rosen 
bedeckt. So z.B. mußt du allen diesen Zuhörern, »lie-
ben Brüdern und Gevattern«, recht derb die Hand 
drücken. Es ist vielleicht metaphorisch gemeint, wenn
Börne behauptet: im Fall ihm ein König die Hand ge-
drückt, würde er sie nachher ins Feuer halten, um sie 
zu reinigen; es ist aber durchaus nicht bildlich, son-
dern ganz buchstäblich gemeint, daß ich, wenn mir 
das Volk die Hand gedrückt, sie nachher waschen 
werde.
Man muß in wirklicher Revolutionszeit das Volk 
mit eigenen Augen gesehen, mit eigner Nase gerochen
haben, man muß mit eigner Ohren anhören, wie dieser
souveräne Rattenkönig sich ausspricht, um zu begrei-
fen, was Mirabeau andeuten will mit den Worten: 
»Man macht keine Revolution Lavendelöl.« Solange 
wir die Revolution in den Bücher lesen, sieht das 
alles sehr schön aus, und es ist damit wie mit jenen 
Landschaften, die, kunstreich gestochen auf dem wei-
ßen Velinpapier, so rein, so freundlich aussehen, aber 
nachher, wenn man sie in natura betrachtet, vielleicht 
an Grandiosität gewinnen, doch einen sehr schmutzi-
gen und schäbigen Anblick in den Einzelheiten ge-
währen; die in Kupfer gestochenen Misthaufen rie-
chen nicht, und der in Kupfer gestochene Morast ist 
leicht mit den Augen Zu durchwaten!
Was es Tugend oder Wahnsinn, was den Ludwig 
Börne dahin brachte, die schlimmsten Mistdüfte mit 
Wonne einzuschnaufen und sich vergnüglich im ple-
bejischen Kot zu wälzen?
Wer löst uns den Rätsel dieses Mannes, der in 
weiblicher Seide erzogen worden, späterhin in stolzen
Anflügen seine Vornehmheit bekundete und gegen 
das Ende seiner Tage plötzlich überschnappte in pö-
belhafte Töne und in die banalen Manieren eines 
Demagogen der untersten Stufe? Stachelten ihn etwa 
die Nöten des Vaterlandes bis zum entsetzlichsten 
Grade des Zorns, oder ergriff ihn der schauerliche 
Schmerz eines verlorenen Lebens?...ja, das war viel-
leicht; er sah, wie er dieses ganze Leben hindurch mit 
all seinem Geiste und all seiner Mäßigung nichts aus-
gerichtet hatte, weder für sich noch für andere, und er 
verhüllte sein Haupt, ober, um bürgerlich zu reden, er
zog die Mütze über die Ohren und wollte fürder 
weder sehen noch hören und stürzte sich in den heu-
lenden Abgrund... das ist immer eine Ressource, die 
uns übrigbleibt, wenn wir angelangt bei jenen hoff-
nungslosen Marken, wo alle Blumen verwelkt sind, 
wo der Leib müde und die Seele verdrießlich... Ich 
will nicht dafür stehen, daß ich nicht einst unter dem-
selben Umständen dasselbe tue... Wer weiß, vielleicht
am Ende meiner Tage überwinde ich meinen Wider-
willen gegen den Tabaksqualm und lerne rauchen und
halte die ungewaschensten Reden vor dem ungewa-
schensten Publikum...
Blätternd in Börnes »Pariser Briefen«, stieß ich 
jüngst auf eine Stelle, welche mit den Äußerungen, 
die mir oben entschlüpft, einen sonderbaren Zusam-
menklang bildet, sie lautet folgendermaßen:
»- - Vielleicht fragen sie mich verwundert, wie ich 
Lump dazu komme, mich mit Byron zuammenzustel-
len? darauf muß ich ihnen erzählen, was Sie noch 
nicht wissen. Als Byrons Genius, auf seiner reise 
durch das Firmament, auf die Erde ankam, eine Nacht
dort zu verweilen, stieg er zuerst bei mir ab. Aber das 
Haus gefiel ihm gar nicht, er eilte schnell wieder fort 
und kehrte in das Hotel Byron ein. Viele Jahre hat 
mich das geschmerzt, lange hat er mich betrübt, daß 
ich sowenig geworden, gar nichts erreicht. Aber jetzt 
ist es vorüber, ich habe es vergessen und lebe 
zufrieden in meiner Armut. Mein Unglück ist, daß ich
im Mittelstande geboren bin, für den ich gar nicht 
passe. Wäre mein Vater Besitzer von Millionen oder 
ein Bettler gewesen, wäre ich der Sohn eines vorneh-
men Mannes oder eines Landstreichers, hätte ich es 
gewiß zu etwas gebracht. Der halbe Weg, den andere 
durch ihre Geburt voraushatten, entmutigte mich; hät-
ten sie den ganzen Weg vorausgehabt, hätte ich sie 
gar nicht gesehen und sie eingeholt. So aber bin ich 
der Perpendikel einer bürgerlichen Stubenuhr gewor-
den, schweifte rechts, schweifte links aus und mußte 
immer zur Mitte zurückkehren«
Dieses schrieb Börne den 20. März 1831. Wie 
über andre, hat er auch über sich selber schlecht pro-
phezeit. Die bürgerliche Stubenuhr wurde eine Sturm-
glocke, deren Geläute Angst und Schrecken verbreite-
te. Ich habe bereits gezeigt, welche ungestüme Glöck-
ner an den Strängen rissen, ich habe angedeutet, wie 
Börne den zeitgenossenschaftlichen Passionen als 
Organ diente und seine Schriften nicht als das Pro-
dukt eines einzelnen, sondern als Dokument unserer 
politischen Sturm-und-Drang-Periode betrachtet wer-
den müssen. Was in jener Periode sich besonders gel-
tend machte und die Gärung bis zur kochenden Sud 
steigerte, waren die polnischen und rheinbayrischen 
Vorgänge, und diese haben auf den Geist Börnes den 
mächtigsten Einfluß geübt. Ebenso glühend wie 
einseitig war sein Enthusiasmus für die Sache Polens,
und als dieses mutige Land unterlag, trotz der wun-
derbarsten Tapferkeit seiner Helden, da brachen bei 
Börne alle Dämme der Geduld und Vernunft. Das un-
geheure Schicksal so vieler edlen Märtyrer der Frei-
heit, die, in langen Trauerzügen Deutschland durch-
wandernd, sich in Paris versammelten, war in der Tat 
geeignet, ein edel gefühlvolles Herz bis in seine Tie-
fen zu bewegen. Aber was brauch ich dich, teurer 
Leser, an diese Betrübnisse zu erinnern, du hast in 
Deutschland den Durchzug der Polen mit eignen trä-
nenden Augen angesehen, und du weißt, wie das ruhi-
ge, stille deutsche Volk, das die eignen Landesnöten 
so geduldig erträgt, bei dem Anblick der unglückli-
chen Sarmaten von Mitleid und Zorn so gewaltig er-
schüttert wurde und so sehr außer Fassung kam, daß 
wir nahe daran waren, für jene Fremden das zu tun, 
was wir nimmermehr für uns selber täten, nämlich die
heiligsten Untertanspflichten beiseite zu setzen und 
eine Revolution zu machen... zum Besten der Polen.
Ja, mehr als alle obrigkeitliche Plackereien und de-
magogische Schriften hat der Durchzug der Polen den
deutschen Michel revolutioniert, und es war ein gro-
ßer Fehler der respektiven deutschen Regierungen, 
daß sie jenen Durchzug in der bekannten Weise ge-
statteten. Der größere Fehler freilich bestand darin, 
daß sie die Polen nicht längere Zeit in Deutschland 
verweilen ließen; denn diese Ritter der Freiheit hätten 
bei verlängertem Aufenthalt jene bedenkliche, höchst 
bedrohliche Sympathie, die sie den Deutschen ein-
flößten, selber wieder zerstört. Aber sie zogen rasch 
durchs Land, hatten keine Zeit, durch Dichtung und 
Wahrheit einer den anderen zu diskreditieren, und sie 
hinterließen die staatsgefährlichste Aufregung.
Ja, wir Deutschen waren nahe daran, eine Revoluti-
on zu machen, und zwar nicht aus Zorn und Not, wie 
andere Völker, sondern aus Mitleid, aus Sentimentali-
tät, aus Rührung für unsere armen Gastfreunde, die 
Polen. Tatsüchtig schlugen unsre Herzen, wenn diese 
uns am Kamin erzählten, wieviel sie ausgestanden 
von den Russen, wieviel Elend, wieviel Knuten-
schläge... bei den Schlägen horchten wir noch sympa-
thetischer, denn eine geheime Ahnung sagte uns, die 
russischen Schläge, welche jene Polen bereits empfan-
gen, seien dieselben, die wir in der Zukunft noch zu 
bekommen haben. Die deutschen Mütter schlugen 
angstvoll die Hände über den Kopf, als sie hörten, 
daß der Kaiser Nikolas, der Menschenfresser, alle 
Morgen drei kleine Polenkinder verspeise, ganz roh, 
mit Essig und Öl. Aber am tiefsten erschüttert waren 
unsre Jungfrauen, wenn sie im Mondschein an der 
Heldenbrust der polnischen Märtyrer lagen und mit 
ihnen jammerten und weinten über den Fall von War-
schau und den Sieg der russischen Barbaren... Das 
waren keine frivole Franzosen, die bei solchen Gele-
genheiten nur schäkerten und lachten... nein, diese lar-
moyanten Schnurrbärte gaben auch etwas fürs Herz, 
sie hatten Gemüts, und nichts gleicht der holden 
Schwärmerei, womit deutsche Mädchen und Frauen 
ihre Bräutigame und Gatten beschworen, so schnell 
als möglich eine Revolution zu machen... zum Besten 
der Polen..
Eine Revolution ist ein Unglück, aber ein noch 
größerer Unglück ist eine verunglückte Revolution; 
und mit einer solchen bedrohte uns die Einwanderung 
jener nordischen Freunde, die in unsere Angelegenhei-
ten alle jene Verwirrung und Unzuverlässigkeit ge-
bracht hätte, wodurch sie selber daheim zugrunde ge-
gangen. Ihre Einmischung wäre uns um so verderbli-
cher geworden, da die deutsche Unerfahrenheit sich 
von den Ratschlägen jener kleinen polnischen Ein-
sicht ausgibt, gern leiten ließ und gar die deutsche Be-
scheidenheit, bestochen von jener flinken Ritterlich-
keit, die den Polen eigen ist, diesen letztern die wich-
tigsten Führerstellen vertraut hätte. - Ich habe da-
mals, in dieser Beziehung, über die Popularität der 
Polen nicht wenig geängstigt. Es hat sich vieles seit-
dem geändert, und gar für die Zukunft, für die deut-
schen Freiheitsinteressen einer spätern Zeit wird den-
noch kommen, dann werden die polen kaum noch den 
Namen nach existieren, sie werden ganz mit den 
Russen verschmolzen sein, und als solche werden wir 
uns auf donnernden Schlachtfeldern wieder begeg-
nen... und sie werden für uns minder gefährlich sein 
als Feinde denn als Freunde. Der einzige Vorteil, den 
wir ihnen verdanken, ist jener Russenhaß, den sie bei 
uns gesät und der, still fortwuchernd im deutschen 
Gemüte, uns mächtig vereinigen wird, wenn die große
Stunde schlägt, wo wir uns zu verteidigen haben 
gegen jenen furchtbaren Riesen, der jetzt noch schläft 
und im Schlafe wächst, die Füße weitausstreckend in 
die duftigen Blumengärten des Morgenlands, mit dem
Haupte anstoßend an den Nordpol, träumend ein 
neues Weltreich...Deutschland wird einst mit diesem 
Riesen den Kampf bestehen müssen, und für diesen 
Fall ist es gut, daß wir die Russen schon früh hassen 
lernten, daß dieser Haß in uns gesteigert wurde, daß 
auch alle andren Völker daran teilnehmen... das ist 
ein Dienst, den uns die Polen leisten, die jetzt als Pro-
paganda des Russenhasses in der ganzen Welt umher-
wandern. Ach, diese unglücklichen Polen! sie selber 
werden einst die nächsten Opfer unseres blinden Zor-
nes sein, sie werden einst, wenn der Kampf beginnt, 
die russische Avantgarde bilden, und sie genießen als-
dann die bittern Früchte jenes Hasses, den sie selber 
gesät. Ist es der Wille des Schicksals oder ist es glor-
reiche Beschränktheit, was die Polen immer dazu ver-
dammte, sich selber die schlimmste Falle und endlich 
die Todesgrube zu graben... seit den Tagen Sobieskis,
der die Türken schlug, Polens natürliche Alliierte, und
die Östreicher rettete... der ritterliche Dummkopf!
Ich habe oben von der »kleinen polnischen Schlau-
heit« gesprochen. Ich glaube, dieser Ausdruck wird 
keiner Mißdeutung anheimfallen; kommt er doch aus 
dem Munde eines Mannes, dessen Herz am frühesten 
für Polen schlug und der lange schon vor der polni-
schen Revolution für dieses heldenmütige Volk 
sprach und litt. Jedenfalls will ich jenen Ausdruck 
noch dahin mildern, daß ich nachträglich bemerke, er 
bezieht sich hier auf die Jahre 1831 und 1832, wo die
Polen von der großen Wissenschaft der Freiheit nicht 
einmal die ersten Elementarkenntnisse besaßen und 
die Politik ihnen nichts anders dünkte als eben ein 
Gewebe von Weiberkniffen und Hinterlist, kurz, als 
eine Manifestation jener »kleinen polnischen Schlau-
heit«, für welche sie sich ein ganz besonderes Talent 
zutrauten.
Diese Polen waren gleichsam ihrem heimatlichen 
Mittelalter entsprungen, und ganze Urwälder von Un-
wissenheit im Kopfe tragend, stürmten sie nach Paris,
und hier warfen sie sich entweder in die Sektionen der
Republikaner oder in die Sakristeien der katholischen 
Schule: denn um Republikaner zu sein, dazu braucht 
man wenig zu wissen, und um Katholik zu sein, 
braucht man gar nichts zu wissen, sondern braucht 
man nur zu glauben. Die Gescheutesten unter ihnen 
begriffen die Revolution nur in der Form der Emeute, 
und sie ahneten nimmermehr, daß namentlich in 
Deutschland durch Tumult und Straßenauflauf wenig 
gefördert wird. Ebenso unheilvoll wie spaßhaft war 
das Manöver, womit einer ihrer größten Staatsmänner
gegen die deutschen Regierungen verfuhr. Er hatte 
nämlich bei dem Durchzug der Polen bemerkt, wie ein
einziger Pole hinreichend war, um eine stille deutsche 
Stadt in Bewegung zu setzen, und da er der gelehrte-
ste Litauer war und aus der Geographie ganz genau 
wußte, daß Deutschland aus einigen dreißig Staaten 
besteht, schickte er von Zeit zu Zeit einen Polen nach 
der Hauptstadt eines dieser Staaten... er setzte gleich-
sam einen Polen auf irgendeinen jener dreißig deut-
schen Staaten, wie auf die Nummern eines Rouletts, 
wahrscheinlich ohne große Hoffnung des Gelingens, 
aber ruhig berechnend: an einem einzigen Polen ist 
nicht viel verloren, verursacht er jedoch wirklich eine 
Emeute, gewinnt meine Nummer, so kommt vielleicht
eine ganze Revolution dabei heraus!
Ich spreche von 1831 und 1832. Seitdem sind acht 
Jahre verflossen, und ebensogut wie die Helden deut-
scher Zunge haben auch die Polen manche bittere, 
aber nützliche Erfahrung gemacht, und viele von 
ihnen konnten die schreckliche Muße des Exils zum 
Studium der Zivilisation benutzen. Das Unglück hat 
sie ernsthaft geschult, und sie haben etwas Tüchtiges 
lernen können. Wenn sie einst in ihr Vaterland zu-
rückkehren, werden sie dort die heilsamste Saat aus-
streuen, und wo nicht ihre Heimat, doch gewiß die 
Welt wird die Früchte ihrer Aussaat ernten. Das 
Licht, das sie einst mit nach Hause bringen, wird sich 
vielleicht weit verbreiten nach dem fernsten Nord-
osten und die dunkeln Föhrenwälder in Flammen set-
zen, so daß bei der auflodernden Helle unsere Feinde 
sich einander beschauen und voreinander entsetzen 
werden... sie würgen sich alsdann untereinander in 
wahnsinnigem Wechselschreck und erlösen uns von 
aller Gefahr ihres Besuches. Die Vorsehung vertraut 
das Licht zuweilen den ungeschicktesten Händen, 
damit ein heilsamer Brand entstehe in der Welt...
Nein, Polen ist noch nicht verloren... Mit seiner po-
litischen Existenz ist sein wirkliches Leben noch nicht
abgeschlossen. Wie einst Israel nach dem Falle Jeru-
salems, so vielleicht nach dem Falle Warschaus er-
hebt Polen sich zu den höchsten Bestimmungen. Es 
sind diesem Volke vielleicht noch Taten vorbehalten, 
die der Genius der Menschheit höher schätzt als die 
gewonnenen Schlachten und das rittertümliche 
Schwertergeklirre nebst Pferdegetrampel seiner natio-
nalen Vergangenheit! Und auch ohne solche nachblü-
hende Bedeutung wird Polen nie ganz verloren sein... 
Es wird ewig leben auf den rühmlichsten Blättern der 
Geschichte!!!
Nächst dem Durchzug der Polen habe ich die Vor-
gänge in Rheinbayern als den nächsten Hebel be-
zeichnet, welcher nach der Juliusrevolution die Aufre-
gung in Deutschland bewirkte und auch auf unsere 
Landsleute in Paris den größten Einfluß ausübte. Die 
hiesige Volksversammlung war im Anfang nichts an-
deres als eine Filialgesellschaft des Preßvereins von 
Zweibrücken. Einer der gewaltigsten Redner der 
Bipontiner kam hierher; ich habe ihn nie in der 
Volksversammlung sprechen gehört, sah ihn damals 
nur zufällig einmal im Kaffeehause, wo er mit hoher 
Stirn das neue Reich verkündete und die gemäßigten 
Verräter, namentlich die Redaktoren der Augsburger 
»Allgemeinen Zeitung«, mit dem Strang bedrohte... 
(Ich wundre mich, daß ich damals noch den Mut 
hatte, als Redakteur der »Allgemeinen Zeitung« tätig 
zu sein... Jetzt sind die Zeiten minder gefährlich... Es 
sind seitdem acht Jahre verflossen, und der damalige 
Schreckensmann, der Tribun aus Zweibrücken, ist in 
diesem Augenblick einer der schreibseligsten Mitar-
beiter der »Allgemeinen Zeitung« ...)
Von Rheinbayern sollte die deutsche Revolution 
ausgehen. Zweibrücken war das Bethlehem, wo die 
junge Freiheit, der Heiland, in der Wiege lag und 
welterlösend greinte. Neben dieser Wiege brüllte 
manches Öchslein, das späterhin, als man auf seine 
Hörner zählte, sich als ein sehr gemütliches Rindvieh 
erwies. Man glaubte ganz sicher, daß die deutsche 
Revolution in Zweibrücken beginnen würde, und alles
war dort reif zum Ausbruch. Aber, wie gesagt, die 
Gemütlichkeit einiger Personen vereitelte jenes poli-
zeiwidrige Unterfangen. Da war z.B. unter den ver-
schwornen Bipontinern ein gewaltiger Bramarbas, der
immer am lautesten watete, der von Tyrannenhaß am 
tollsten übersprudelte, und dieser sollte, mit der ersten
Tat vorangehend, eine Schildwache, die einen Haupt-
posten bewachte, gleich niederstechen... »Was!« rief 
der Mann, als man ihm diese Ordre gab, »was! mir, 
mir konntet ihr eine so schauderhafte, so abscheuli-
che, so blutdürstige Handlung zumuten? Ich, ich soll 
eine unschuldige Schildwache umbringen? Ich, der 
ich ein Familienvater bin! Und diese Schildwache ist 
vielleicht ebenfalls ein Familienvater. Ein Familien-
vater soll einen Familienvater ermorden! ja töten! um-
bringen!«
Da der Dr. Pistor, einer der Zweibrücker Helden, 
welcher mir diese Geschichte erzählte, jetzt dem Be-
reiche jeder Verantwortlichkeit entsprungen ist, darf 
ich ihn wohl als Gewährsmann nennen. Er versicherte
mir, daß die deutsche Revolution durch die erwähnte 
Sentimentalität des Familienvaters vorderhand ajour-
niert wurde. Und doch war der Moment ziemlich gün-
stig. Nur damals und während den Tagen des 
Hambacher Festes hätte mit einiger Aussicht guten 
Erfolges die allgemeine Umwälzung in Deutschland 
versucht werden können. Jene Hambacher Tage waren
der letzte Termin, den die Göttin der Freiheit uns ge-
währte; die Sterne waren günstig; seitdem erlosch 
jede Möglichkeit des Gelingens. Dort waren sehr 
viele Männer der Tat versammelt, die selber von ern-
stem Willen glühten und auf die sicherste Hülfe rech-
nen konnten. Jeder sah ein, es sei der rechte Moment 
zu dem großen Wagnis, und die meisten setzten gerne
Glück und Leben aufs Spiel... Wahrlich, es war nicht 
die Furcht, welche damals nur das Wort entzügelte 
und die Tat zurückdämmte. - Was war es aber, was 
die Männer von Hambach abhielt, die Revolution zu 
beginnen?
Ich wage es kaum zu sagen, denn es klingt un-
glaublich, aber ich habe die Geschichte aus authenti-
scher Quelle, nämlich von einem Mann, der als wahr-
heitsliebender Republikaner bekannt und selber zu 
Hambach in dem Komitee saß, wo man über die 
anzufangende Revolution debattierte; er gestand mir 
nämlich im Vertrauen: Als die Frage der Kompetenz 
zur Sprache gekommen, als man darüber stritt, ob die 
zu Hambach anwesenden Patrioten auch wirklich 
kompetent seien, im Namen von ganz Deutschland 
eine Revolution anzufangen, da seien diejenigen, wel-
che zur raschen Tat rieten, durch die Mehrheit 
überstimmt worden, und die Entscheidung lautete: 
man sei nicht kompetent.
O Schilda, mein Vaterland!
Venedey möge es mir verzeihen, wenn ich diese ge-
heime Kompetenzgeschichte ausplaudre und ihn sel-
ber als Gewährsmann nenne; aber es ist die beste Ge-
schichte, die ich auf dieser Erde erfahren habe. Wenn 
ich daran denke, vergesse ich alle Kümmernisse die-
ses irdischen Jammertals, und vielleicht einst, nach 
dem Tode, in der neblichten Langeweile des Schatten-
reichs wird die Erinnerung an diese Kompetenzge-
schichte mich aufheitern können... Ja, ich bin über-
zeugt, wenn ich sie dort Proserpinen erzähle, der mür-
rischen Gemahlin des Höllengotts, so wird sie lä-
cheln, vielleicht laut lachen...
O Schilda, mein Vaterland!
Ist diese Geschichte nicht wert, mit goldenen Buch-
staben auf Samt gestickt zu werden, wie die Gedichte 
des Mollakat, welche in der Moschee von Mekka zu 
schauen sind? Ich möchte sie jedenfalls in Verse brin-
gen und in Musik setzen lassen, damit sie großen Kö-
nigskindern als Wiegenlied vorgesungen werde... Ihr 
könnt ruhig schlafen, und zur Belohnung für das 
furchtheilende Lied, das ich euch gesungen, ihr gro-
ßen Königskinder, ich bitte euch, öffnet die Kerkertü-
ren der gefangenen Patrioten... Ihr habt nichts zu ris-
kieren, die deutsche Revolution ist noch weit von 
euch entfernt, gut Ding will Weile, und die Frage der 
Kompetenz ist noch nicht entschieden...
O Schilda, mein Vaterland!
Wie dem aber auch sei, das Fest von Hambach ge-
hört zu den merkwürdigsten Ereignissen der deut-
schen Geschichte, und wenn ich Börne glauben soll, 
der diesem Feste beiwohnte, so gewährte dasselbe ein 
gutes Vorzeichen für die Sache der Freiheit. Ich hatte 
Börne lange aus den Augen verloren, und es war bei 
seiner Rückkehr von Hambach, daß ich ihn wieder-
sah, aber auch zum letzten Male in diesem Leben. 
Wir gingen miteinander in den Tuilerien spazieren, er 
erzählte mir viel von Hambach und war noch ganz be-
geistert von dem Jubel jener großen Volksfeier. Er 
konnte nicht genug die Eintracht und den Anstand 
rühmen, die dort herrschten. Es ist wahr, ich habe es 
auch aus anderen Quellen erfahren, zu Hambach gab 
es durchaus keine äußere Exzesse, weder betrunkene 
Tobsucht noch pöbelhafte Roheit, und die Orgie, der 
Kirmestaumel, war mehr in den Gedanken als in den 
Handlungen. Manches tolle Wort wurde laut ausge-
sprochen in jenen Reden, die zum Teil späterhin ge-
druckt erschienen. Aber der eigentliche Wahnwitz 
ward bloß geflüstert. Börne erzählte mir: Während er 
mit Siebenpfeiffer redete, nahte sich demselben ein 
alter Bauer und raunte ihm einige Worte ins Ohr, 
worauf jener verneinend den Kopf schüttelte. »Aus 
Neugier«, setzte Börne hinzu, »frug ich den Sieben-
pfeiffer, was der Bauer gewollt, und jener gestand 
mir, daß der alte Bauer ihm mit bestimmten Worten 
gesagt habe: ›Herr Siebenpfeiffer, wenn Sie König 
sein wollen, wir machen Sie dazu!‹
Ich habe mich sehr amüsiert« - fuhr Börne fort -, 
»wir waren dort alle wie Blutsfreunde, drückten uns 
die Hände, tranken Brüderschaft, und ich erinnere 
mich besonders eines alten Mannes, mit welchem ich 
eine ganze Stunde geweint habe, ich weiß gar nicht 
mehr warum. Wir Deutschen sind ein ganz prächtiges 
Volk und gar nicht mehr so unpraktisch wie sonst. 
Wir hatten in Hambach auch das lieblichste Maiwet-
ter, wie Milch und Rosen, und ein schönes Mädchen 
war dort, die mir die Hand küssen wollte, als wär ich 
ein alter Kapuziner; ich habe das nicht gelitten, und 
Vater und Mutter befahlen ihr, mich auf den Mund zu
küssen, und versicherten mir, daß sie mit dem größten
Vergnügen meine sämtlichen Schriften gelesen. Ich 
habe mich sehr amüsiert. Auch meine Uhr ist mir ge-
stohlen worden. Aber das freut mich ebenfalls, das ist 
gut, das gibt mir Hoffnung. Auch wir, und das ist gut,
auch wir haben Spitzbuben unter uns und werden 
daher desto leichter reüssieren. Da ist der verwünsch-
te Kerl von Montesquieu, welcher uns eingeredet 
hatte, die Tugend sei das Prinzip der Republikaner! 
Und ich ängstigte mich schon, daß unsere Partei aus 
lauter ehrlichen Leuten bestehen und deshalb nichts 
ausrichten würde. Es ist durchaus nötig, daß wir, 
ebensogut wie unsre Feinde, auch Spitzbuben unter 
uns haben. Ich hätte gerne den Patrioten entdeckt, der 
mir zu Hambach meine Uhr gemaust; ich würde ihm, 
wenn wir zur Regierung kommen, sogleich die Polizei
übertragen und die Diplomatie. Ich kriege ihn aber 
heraus, den Dieb. Ich werde nämlich im ›Hamburger 
Korrespondenten‹ annoncieren, daß ich dem ehrlichen
Finder meiner Uhr die Summe von hundert Louisdor 
auszahle. Die Uhr ist es wert, schon als Kuriosität: es 
ist nämlich die erste Uhr, welche die deutsche Freiheit
gestohlen hat. Ja, auch wir, Germaniens Söhne, wir 
erwachen aus unserer schläfrigen Ehrlichkeit... Tyran-
nen zittert, wir stehlen auch!«
Der arme Börne konnte nicht aufhören, von Ham-
bach zu reden und von dem Pläsier, das er dort genos-
sen. Es war, als ob er ahnte, daß er zum letztenmal in 
Deutschland gewesen, zum letztenmal deutsche Luft 
geatmet, deutsche Dummheiten eingesogen mit dursti-
gen Ohren - »Ach!« seufzte er, »wie der Wanderer im
Sommer nach einem Labetrunk schmachtet, so 
schmachte ich manchmal nach jenen frischen erquick-
lichen Dummheiten, wie sie nur auf dem Boden unse-
res Vaterlands gedeihen. Diese sind so tiefsinnig, so 
melancholisch lustig, daß einem das Herz dabei 
jauchzt. Hier bei den Franzosen sind die Dummheiten
so trocken, so oberflächlich, so vernünftig, daß sie für
jemand, der an Besseres gewohnt, ganz ungenießbar 
sind. Ich werde deshalb in Frankreich täglich ver-
grämter und bitterer und sterbe am Ende. Das Exil ist 
eine schreckliche Sache. Komme ich einst in den 
Himmel, ich werde mich gewiß auch dort unglücklich 
fühlen, unter den Engeln, die so schön singen und so 
gut riechen... sie sprechen ja kein Deutsch und rau-
chen keinen Kanaster... Nur im Vaterland ist mir 
wohl! Vaterlandsliebe! Ich lache über dieses Wort im 
Munde von Leuten, die nie im Exil gelebt... Sie könn-
ten ebensogut von Milchbreiliebe sprechen. Milch-
breiliebe! In einer afrikanischen Sandwüste hat das 
Wort schon seine Bedeutung. Wenn ich je so glück-
lich bin, wieder nach dem lieben Deutschland zurück-
zukehren, so nennen Sie mich einen Schurken, wenn 
ich dort gegen irgendeinen Schriftsteller schreibe, der 
im Exile lebt. Wäre nicht die Furcht vor den Schänd-
lichkeiten, die man einen im Gefängnis aussagen läßt,
ich wäre nicht mehr fortgegangen, hätte mich ruhig 
festsetzen lassen, wie der brave Wirth und die ande-
ren, denen ich ihr Schicksal voraussagte, ja denen ich 
alles voraussagte, wie ich es im Traum gesehen...
Ja, das war ein närrischer Traum« - rief Börne 
plötzlich mit lautem Lachen und aus der düsteren 
Stimmung in die heitere überspringend, wie es seine 
Gewohnheit war -, »das war ein närrischer Traum! 
Die Erzählungen des Handwerksburschen, der in 
Amerika gewesen, hatten mich dazu vorbereitet. Die-
ser erzählte mir nämlich, in den nordamerikanischen 
Städten sähe man auf der Straße sehr große Schild-
kröten herumkriechen, auf deren Rücken mit Kreide 
geschrieben steht, in welchem Gasthaus und an wel-
chem Tage sie als Tortulsuppe verspeist werden. Ich 
weiß nicht, warum mich diese Erzählung so sehr frap-
pierte, warum ich den ganzen Tag an die armen Tiere 
dachte, die so ruhig durch die Straßen von Boston 
umherkriechen und nicht wissen, daß auf ihrem 
Rücken ganz bestimmt der Tag und der Ort ihres Un-
tergangs geschrieben steht... Und nachts, denken Sie 
sich, im Traume, sehe ich meine Freunde, die deut-
schen Patrioten, in lauter solche Schildkröten verwan-
delt, ruhig herumkriechen, und auf dem Rücken eines 
jeden steht mit großen Buchstaben ebenfalls Ort und 
Datum, wo man ihn einstecken werde in den ver-
dammten Suppentopf... Ich habe des andern Tags die 
Leute gewarnt, durfte ihnen aber nicht sagen, was mir 
geträumt: denn sie hätten's mir übelgenommen, daß 
sie, die Männer der Bewegung, mir als langsame 
Schildkröten erschienen... Aber das Exil, das Exil, 
das ist eine schreckliche Sache... Ach! wie beneide ich
die französischen Republikaner! Sie leiden aber im 
Vaterlande. Bis zum Augenblick des Todes steht ihr 
Fuß auf dem geliebten Boden des Vaterlandes. Und 
gar die Franzosen, welche hier in Paris kämpfen und 
alle jene teuren Denkmäler vor Augen haben, die 
ihnen von den Großtaten ihrer Väter erzählen und sie 
trösten und aufmuntern! Hier sprechen die Steine und 
singen die Bäume, und so ein Stein hat mehr Ehrge-
fühl und predigt Gottes Wort, nämlich die Märtyrge-
schichte der Menschheit, weit eindringlicher als alle 
Professoren der Historischen Schule zu Berlin und 
Göttingen. Und diese Kastanienbäume, hier in den 
Tuilerien, ist es nicht, als sängen sie heimlich die 
Marseillaise mit ihren tausend grünen Zungen?... Hier
ist heiliger Boden, hier sollte man die Schuhe auszie-
hen, wenn man spazierengeht... Hier links ist die Ter-
rasse der Feuillants; dort rechts, wo sich jetzt die Rue 
Rivoli hinzieht, hielt der Klub der Jakobiner seine 
Sitzungen... Hier vor uns, im Tuileriengebäude, don-
nerte der Konvent, die Titanenversammlung, wogegen
Bonaparte mit seinem Blitzvogel nur wie ein kleiner 
Jupiter erscheint... dort gegenüber grüßt uns die Place
Louis XVI, wo das große Exempel statuiert wurde... 
Und zwischen beiden, zwischen Schloß und Richt-
platz, zwischen Feuillants- und Jakobinerklub, in der 
Mitte, der heilige Wald, wo jeder Baum ein blühender
Freiheitsbaum...«
An diesen alten Kastanienbäumen in dem Tuileri-
engarten sind aber mitunter sehr morsche Äste, und 
eben in dem Augenblicke, wo Börne die obige Phrase 
schließen wollte, brach mit lautem Gekrach ein Ast 
jener Bäume, und mit voller Wucht aus bedeutender 
Höhe herunterstürzend, hätte er uns beide schier zer-
schmettert, wenn wir nicht hastig zur Seite sprangen. 
Börne, welcher nicht so schnell wie ich sich rettete, 
ward von einem Zweige des fallenden Astes an der 
Hand verletzt und brummte verdrießlich: »Ein böses 
Zeichen!«

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