Ludwig Börne.
Eine Denkschrift

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Text by Heinrich Heine (1797-1856)


Es war im Jahr 1815, nach Christi Geburt, daß mir 
der Name Börne zuerst ans Ohr klang. Ich befand 
mich mit meinem seligen Vater auf der Frankfurter 
Messe, wohin er mich mitgenommen, damit ich mich 
in der Welt einmal umsehe; das sei bildend. Da bot 
sich mir ein großes Schauspiel. In den sogenannten 
Hütten, oberhalb der Zeil, sah ich die Wachsfiguren, 
wilde Tiere, außerordentliche Kunst- und Naturwerke.
Auch zeigte mir mein Vater die großen, sowohl 
christlichen als jüdischen Magazine, worin man die 
Waren zehn Prozent unter den Fabrikpreis einkauft 
und man doch immer betrogen wird. Auch das Rat-
haus, den Römer, ließ er mich sehen, wo die deut-
schen Kaiser gekauft wurden, zehn Prozent unter den 
Fabrikpreis. Der Artikel ist am Ende ganz ausgegan-
gen. Einst führte mich mein Vater ins Lesekabinett 
einer der Ø oder ¥ Logen, wo er oft soupierte, Kaffee
trank, Karten spielte und sonstige Freimaurerarbeiten 
verrichtete. Während ich im Zeitungslesen vertieft 
lag, flüsterte mir ein junger Mensch, der neben mir 
saß, leise ins Ohr:
»Das ist der Doktor Börne, welcher gegen die Ko-
mödianten schreibt!«
Als ich aufblickte, sah ich einen Mann, der, nach
einem Journale suchend, mehrmals im Zimmer sich 
hin und her bewegte und bald wieder zur Tür hinaus-
ging. So kurz auch sein Verweilen, so blieb mir doch 
das ganze Wesen des Mannes im Gedächtnisse, und 
noch heute könnte ich ihn mit diplomatischer Treue 
abkonterfeien. Er trug einen schwarzen Leibrock, der 
noch ganz neu glänzte, und blendend weiße Wäsche; 
aber er trug dergleichen nicht wie ein Stutzer, sondern
mit einer wohlhabenden Nachlässigkeit, wo nicht gar 
mit einer verdrießlichen Indifferenz, die hinlänglich 
bekundete, daß er sich mit dem Knoten der weißen 
Krawatte nicht lange vor dem Spiegel beschäftige und
daß er den Rock gleich angezogen, sobald ihn der 
Schneider gebracht, ohne lange zu prüfen, ob er zu 
eng oder zu weit.
Er schien weder groß noch klein von Gestalt, weder
mager noch dick, sein Gesicht war weder rot noch 
blaß, sondern von einer angeröteten Blässe oder ver-
blaßten Röte, und was sich darin zunächst aussprach, 
war eine gewisse ablehnende Vornehmheit, ein gewis-
ses dédain, wie man es bei Menschen findet, die sich 
besser als ihre Stellung fühlen, aber an der Leute An-
erkenntnis zweifeln. Es war nicht jene geheime Maje-
stät, die man auf dem Antlitz eines Königs oder eines 
Genies, die sich inkognito unter der Menge verborgen
halten, entdecken kann; es war vielmehr jener revolu-
tionäre, mehr oder minder titanenhafte Mißmut, den 
man auf den Gesichtern der Prätendenten jeder Art be-
merkt. Sein Auftreten, seine Bewegung, sein Gang 
hatten etwas Sicheres, Bestimmtes, Charaktervolles. 
Sind außerordentliche Menschen heimlich umflossen 
von dem Ausstrahlen ihres Geistes? Ahnet unser 
Gemüt dergleichen Glorie, die wir mit den Augen des 
Leibes nicht sehen können? Das moralische Gewitter 
in einem solchen außerordentlichen Menschen wirkt 
vielleicht elektrisch auf junge, noch nicht abgestumpf-
te Gemüter, die ihm nahen, wie das materielle Gewit-
ter auf Katzen wirkt? Ein Funken aus dem Auge des 
Mannes berührte mich, ich weiß nicht wie, aber ich 
vergaß nicht diese Berührung und vergaß nie den 
Doktor Börne, welcher gegen die Komödianten 
schrieb.
Ja, er war damals Theaterkritiker und übte sich an 
den Helden der Bretterwelt. Wie mein Universitäts-
freund Dieffenbach, als wir in Bonn studierten, über-
all, wo er einen Hund oder eine Katze erwischte, 
ihnen gleich die Schwänze abschnitt, aus purer 
Schneidelust, was wir ihm damals, als die armen Be-
stien gar entsetzlich heulten, so sehr verargten, später 
aber ihm gern verziehen, da ihn diese Schneidelust zu 
dem größten Operateur Deutschlands machte: so hat 
sich auch Börne zuerst an Komödianten versucht, und
manchen jugendlichen Übermut, den er damals beging
an den Heigeln, Weidnern, Ursprüngen und 
dergleichen unschuldigen Tieren, die seitdem ohne 
Schwänze herumlaufen, muß man ihm zugute halten 
für die besseren Dienste, die er später als großer poli-
tischer Operateur mit seiner gewetzten Kritik zu lei-
sten verstand.
Es war Varnhagen von Ense, welcher etwa zehn 
Jahre nach dem erwähnten Begegnisse den Namen 
Börne wieder in meiner Erinnerung heraufrief und mir
Aufsätze des Mannes, namentlich in der »Waage« 
und in den »Zeitschwingen«, zu lesen gab. Der Ton, 
womit er mir diese Lektüre empfahl, war bedeutsam 
dringend, und das Lächeln, welches um die Lippen 
der anwesenden Rahel schwebte, jenes wohlbekannte,
rätselhaft wehmütige, vernunftvoll mystische Lächeln,
gab der Empfehlung ein noch größeres Gewicht. 
Rahel schien nicht bloß auf literarischem Wege über 
Börne unterrichtet zu sein, und wie ich mich erinnere, 
versicherte sie bei dieser Gelegenheit: es existierten 
Briefe, die Börne einst an eine geliebte Person gerich-
tet habe und worin sein leidenschaftlicher hoher Geist
sich noch glänzender als in seinen gedruckten Aufsät-
zen ausspräche. Auch über seinen Stil äußerte sich 
Rahel, und zwar mit Worten, die jeder, der mit ihrer 
Sprache nicht vertraut ist, sehr mißverstehen möchte; 
sie sagte: »Börne kann nicht schreiben, ebensowenig 
wie ich oder Jean Paul.« Unter Schreiben verstand sie 
nämlich die ruhige Anordnung, sozusagen die 
Redaktion der Gedanken, die logische Zusammenset-
zung der Redeteile, kurz, jene Kunst des Perioden-
baues, den sie sowohl bei Goethe wie bei ihrem Ge-
mahl so enthusiastisch bewunderte und worüber wir 
damals fast täglich die fruchtbarsten Debatten führten.
Die heutige Prosa, was ich hier beiläufig bemerken 
will, ist nicht ohne viel Versuch, Beratung, Wider-
spruch und Mühe geschaffen worden. Rahel liebte 
vielleicht Börne um so mehr, da sie ebenfalls zu jenen
Autoren gehörte, die, wenn sie gut schreiben sollen, 
sich immer in einer leidenschaftlichen Anregung, in 
einem gewissen Geistesrausch befinden müssen: Bac-
chanten des Gedankens, die dem Gotte mit heiliger 
Trunkenheit nachtaumeln. Aber bei ihrer Vorliebe für 
wahlverwandte Naturen hegte sie dennoch die größte 
Bewunderung für jene besonnenen Bildner des Wor-
tes, die all ihr Denken, Fühlen und Anschauen, abge-
löst von der gebärenden Seele, wie einen gegebenen 
Stoff zu handhaben und gleichsam plastisch darzu-
stellen wissen. Ungleich jener großen Frau, hegte 
Börne den engsten Widerwillen gegen dergleichen 
Darstellungsart; in seiner subjektiven Befangenheit 
begriff er nicht die objektive Freiheit, die goethische 
Weise, und die künstlerische Form hielt er für Gemüt-
losigkeit: er glich dem Kinde, welches, ohne den glü-
henden Sinn einer griechischen Statue zu ahnen, nur 
die marmornen Formen betastet und über Kälte klagt.
Indem ich hier antizipierend von dem Widerwillen 
rede, welchen die goethische Darstellungsart in Börne
aufregte, lasse ich zugleich erraten, daß die Schreibart
des letztern schon damals kein unbedingtes Wohlge-
fallen bei mir hervorrief. Es ist nicht meines Amtes, 
die Mängel dieser Schreibweise aufzudecken, auch 
würde jede Andeutung über das, was mir an diesem 
Stile am meisten mißfiel, nur von den wenigsten ver-
standen werden. Nur soviel will ich bemerken, daß, 
um vollendete Prosa zu schreiben, unter andern auch 
eine große Meisterschaft in metrischen Formen erfor-
derlich ist. Ohne solche Meisterschaft fehlt dem Pro-
saiker ein gewisser Takt, es entschlüpfen ihm Wortfü-
gungen, Ausdrücke, Zäsuren und Wendungen, die nur
in gebundener Rede statthaft sind, und es entsteht ein 
geheimer Mißlaut, der nur wenige, aber sehr feine 
Ohren verletzt.
Wie sehr ich aber auch geneigt war, an der Außen-
schale, an dem Stile Börnes zu mäkeln und nament-
lich, wo er nicht beschreibt, sondern räsoniert, die 
kurzen Sätze seiner Prosa als eine kindische Unbehol-
fenheit zu betrachten, so ließ ich doch dem Inhalt, 
dem Kern seiner Schriften, die reichlichste Gerechtig-
keit widerfahren, ich verehrte die Originalität, die 
Wahrheitsliebe, überhaupt den edlen Charakter, der 
sich durchgängig darin aussprach, und seitdem verlor 
ich den Verfasser nicht mehr aus dem Gedächtnis. 
Man hatte mir gesagt, daß er noch immer zu Frankfurt
lebte, und als ich mehre Jahre später, Anno 1827, 
durch diese Stadt reisen mußte, um mich nach Mün-
chen zu begeben, hatte ich mir bestimmt vorgenom-
men, dem Doktor Börne in seiner Behausung meinen 
Besuch abzustatten. Dieses gelang mir, aber nicht 
ohne vieles Umherfragen und Fehlsuchen; überall, wo
ich mich nach ihm erkundigte, sah man mich ganz be-
fremdlich an, und man schien in seinem Wohnorte ihn
entweder wenig zu kennen oder sich noch weniger um
ihn zu bekümmern. Sonderbar! Hören wir in der 
Ferne von einer Stadt, wo dieser oder jener große 
Mann lebt, unwillkürlich denken wir uns ihn als den 
Mittelpunkt der Stadt, deren Dächer sogar von seinem
Ruhme bestrahlt würden. Wie wundern wir uns nun, 
wenn wir in der Stadt selbst anlangen und den großen 
Mann wirklich darin aufsuchen wollen und ihn erst 
lange erfragen müssen, bis wir ihn unter der großen 
Menge herausfinden! So sieht der Reisende schon in 
weitester Ferne den hohen Dom einer Stadt; gelangt er
aber in ihr Weichbild selbst, so verschwindet derselbe
wieder seinen Blicken, und erst hin und her wandernd 
durch viele krumme und enge Sträßchen, kommt der 
große Turmbau wieder zum Vorschein, in der Nähe 
von gewöhnlichen Häusern und Butiken, die ihn schi-
er verborgen halten.
Als ich bei einem kleinen Brillenhändler nach 
Börne frug, antwortete er mir mit pfiffig wiegendem 
Köpfchen: »Wo der Doktor Börne wohnt, weiß ich 
nicht, aber Madame Wohl wohnt auf dem Wollgra-
ben.« Eine alte rothaarige Magd, die ich ebenfalls an-
sprach, gab mir endlich die erwünschte Auskunft, 
indem sie, vergnügt lachend, hinzusetzte: »Ich diene 
ja bei der Mutter von Madame Wohl.«
Ich hatte Mühe, den Mann wiederzuerkennen, des-
sen frühe, res Aussehen mir noch lebhaft im Gedächt-
nisse schwebte. Keine Spur mehr von vornehmer Un-
zufriedenheit und stolzer Verdüsterung. Ich sah jetzt 
ein zufriedenes Männchen, sehr schmächtig, aber 
nicht krank, ein kleines Köpfchen mit schwarzen glat-
ten Härchen, auf den Wangen sogar ein Stück Röte, 
die lichtbraunen Augen sehr munter, Gemütlichkeit in
jedem Blick, in jeder Bewegung, auch im Tone. Dabei
trug er ein gestricktes Kamisölchen von grauer Wolle,
welches, eng anliegend wie ein Ringenpanzer, ihm ein
drollig märchenhaftes Ansehen gab. Er empfing mich 
mit Herzlichkeit und Liebe; es verginge keine drei 
Minuten, und wir gerieten ins vertraulichste Ge-
spräch. Wovon wir zuerst redeten? Wenn Köchinnen 
zusammenkommen, sprechen sie von ihrer Herrschaft,
und wenn deutsche Schriftsteller zusammenkommen, 
sprechen sie von ihren Verlegern. Unsere Konversati-
on begann daher mit Cotta und Campe, und als ich, 
nach einigen gebräuchlichen Klagen, die guten 
Eigenschaften des letzteren eingestand, vertraute mir 
Börne, daß er mit einer Herausgabe seiner sämtlichen 
Schriften schwanger gehe und für dieses Unternehmen
sich den Campe merken wolle. Ich konnte nämlich 
von Julius Campe versichern, daß er kein gewöhnli-
cher Buchhändler sei, der mit dem Edlen, Schönen, 
Großen nur Geschäfte machen und eine gute Kon-
junktur benutzen will, sondern daß er manchmal das 
Große, Schöne, Edle unter sehr ungünstigen Konjunk-
turen druckt und wirklich sehr schlechte Geschäfte 
damit macht. Auf solche Worte horchte Börne mit 
beiden Ohren, und sie haben ihn späterhin veranlaßt, 
nach Hamburg zu reisen und sich mit dem Verleger 
der »Reisebilder« über eine Herausgabe seiner sämtli-
chen Schriften zu verständigen.
Sobald die Verleger abgetan sind, beginnen die 
wechselseitigen Komplimente zwischen zwei Schrift-
stellern, die sich zum ersten Male sprechen. Ich über-
gehe, was Börne über meine Vorzüglichkeit äußerte, 
und erwähne nur den leisen Tadel, den er bisweilen in
den schäumenden Kelch des Lobes eintröpfeln ließ. 
Er hatte nämlich kurz vorher den zweiten Teil der 
»Reisebilder« gelesen und vermeinte, daß ich von 
Gott, welcher doch Himmel und Erde erschaffen und 
so weise die Welt regiere, mit zuwenig Reverenz, hin-
gegen von dem Napoleon, welcher doch nur ein sterb-
licher Despot gewesen, mit übertriebener Ehrfurcht 
gesprochen habe. Der Deist und Liberale trat mir also
schon merkbar entgegen. Er schien den Napoleon 
wenig zu lieben, obgleich er doch unbewußt den 
größten Respekt vor ihm in der Seele trug. Es verdroß
ihn, daß die Fürsten sein Standbild von der Vendôme-
säule so ungroßmütig herabgerissen.
»Ach!« rief er mit einem bittern Seufzer, »ihr konn-
tet dort seine Statue getrost stehenlassen; ihr brauch-
tet nur ein Plakat mit der Inschrift ›Achtzehnter Bru-
maire‹ daran zu befestigen, und die Vendômesäule 
wäre seine verdiente Schandsäule geworden! Wie 
liebte ich diesen Mann bis zum achtzehnten Bru-
maire, noch bis zum Frieden von Campo Formio bin 
ich ihm zugetan, als er aber die Stufen des Thrones 
erstieg, sank er immer tiefer im Werte; man konnte 
von ihm sagen: er ist die rote Treppe hinaufgefallen!
Ich habe noch diesen Morgen«, setzte Börne hinzu,
»ihn bewundert, als ich in diesem Buche, das hier auf 
meinem Tische liegt« - er zeigte auf Thiers' Revoluti-
onsgeschichte -, »die vortreffliche Anekdote las, wie 
Napoleon zu Udine eine Entrevue mit Kobentzel hat 
und im Eifer des Gesprächs das Porzellan zerschlägt, 
das Kobentzel einst von der Kaiserin Katharina erhal-
ten und gewiß sehr liebte. Dieses zerschlagene Porzel-
lan hat vielleicht den Frieden von Campo Formio her-
beigeführt. Der Kobentzel dachte gewiß: ›Mein Kai-
ser hat soviel Porzellan, und das gibt ein Unglück, 
wenn der Kerl nach Wien käme und gar zu feurig in 
Eifer geriete: das beste ist, wir machen mit ihm Frie-
de.‹ Wahrscheinlich in jener Stunde, als zu Udine das 
Porzellanservice von Kobentzel zu Boden purzelte 
und in lauter Scherben zerbrach, zitterte zu Wien alles
Porzellan, und nicht bloß die Kaffeekannen und Tas-
sen, sondern auch die chinesischen Pagoden, sie nick-
ten mit den Köpfen vielleicht hastiger als je, und der 
Friede wurde ratifiziert. In Bilderläden sieht man den 
Napoleon gewöhnlich, wie er auf bäumendem Roß 
den Simplon besteigt, wie er mit hochgeschwungener 
Fahne über die Brücke von Lodi stürmt usw. Wenn 
ich aber ein Maler wäre, so würde ich ihn darstellen, 
wie er das Service von Kobentzel zerschlägt. Das war
seine erfolgreichste Tat. Jeder König fürchtete seit-
dem für sein Porzellan, und gar besondere Angst 
überkam die Berliner wegen ihrer großen Porzellanfa-
brik. Sie haben keinen Begriff davon, liebster Heine, 
wie man durch den Besitz von schönem Porzellan im 
Zaum gehalten wird. Sehen Sie z.B. mich, der ich 
einst so wild war, als ich wenig Gepäck hatte und gar 
kein Porzellan. Mit dem Besitztum, und gar mit ge-
brechlichem Besitztum, kommt die Furcht und die 
Knechtschaft. Ich habe mir leider vor kurzem ein 
schönes Teeservice angeschafft - die Kanne war so 
lockend prächtig vergoldet -, auf der Zuckerdose war 
das eheliche Glück abgemalt, zwei Liebende, die sich 
schnäbeln -, auf der einen Tasse der Katharinenturm, 
auf einer andern die Konstablerwache, lauter vaterlän-
dische Gegenden auf den übrigen Tassen. - Ich habe 
wahrhaftig jetzt meine liebe Sorge, daß ich in meiner 
Dummheit nicht zu frei schreibe und plötzlich flüch-
ten müßte. - Wie könnte ich in der Geschwindigkeit 
all diese Tassen und gar die große Kanne einpacken? 
In der Eile könnten sie zerbrochen werden, und zu-
rücklassen möchte ich sie in keinem Falle. Ja wir 
Menschen sind sonderbare Käuze! Derselbe Mensch, 
der vielleicht Ruhe und Freude seines Lebens, ja das 
Leben selbst aufs Spiel setzen würde, um seine Mei-
nungsfreiheit zu behaupten, der will doch nicht gern 
ein paar Tassen verlieren und wird ein schweigender 
Sklave, um seine Teekanne zu konservieren. Wahr-
haftig, ich fühle, wie das verdammte Porzellan mich 
im Schreiben hemmt, ich werde so milde, so vor-
sichtig, so ängstlich... Am Ende glaub ich gar, der 
Porzellanhändler war ein östreichischer Polizeiagent, 
und Metternich hat mir das Porzellan auf den Hals ge-
laden, um mich zu zähmen. Ja, ja, deshalb war es so 
wohlfeil, und der Mann war so beredsam. Ach! die 
Zuckerdose mit dem ehelichen Glück war eine so 
süße Lockspeise! Ja, je mehr ich mein Porzellan be-
trachte, desto wahrscheinlicher wird mir der Gedanke,
daß es von Metternich herrührt. Ich verdenke es ihm 
nicht im mindesten, daß man mir auf solche Weise 
beizukommen sucht. Wenn man kluge Mittel gegen 
mich anwendet, werde ich nie unwirsch; nur die 
Plumpheit und die Dummheit ist mir unausstehlich. 
Da ist aber unser Frankfurter Senat --«
Ich habe meine Gründe, den Mann nicht weiter-
sprechen zu lassen, und bemerke nur, daß er am Ende 
seiner Rede mit gutmütigem Lachen ausrief:
»Aber noch bin ich stark genug, meine Porzellan-
fesseln zu brechen, und macht man mir den Kopf 
warm, wahrhaftig, die schöne vergoldete Teekanne 
fliegt zum Fenster hinaus mitsamt der Zuckerdose und
dem ehelichen Glück und dem Katharinenturm und 
der Konstablerwache und den vaterländischen Gegen-
den, und ich bin dann wieder ein freier Mann, nach 
wie vor!«
Börnes Humor, wovon ich eben ein sprechendes 
Beispiel gegeben, unterschied sich von dem Humor 
Jean Pauls dadurch, daß letzterer gern die entfernte-
sten Dinge ineinanderrührte, während jener, wie ein 
lustiges Kind, nur nach dem Nahliegenden griff, und 
während die Phantasie des konfusen Polyhistors von 
Bayreuth in der Rumpelkammer aller Zeiten herum-
kramte und mit Siebenmeilenstiefeln alle Weltgegen-
den durchschweifte, hatte Börne nur den gegenwärti-
gen Tag im Auge, und die Gegenstände, die ihn be-
schäftigten, lagen alle in seinem räumlichen Gesichts-
kreis. Er besprach das Buch, das er eben gelesen, das 
Ereignis, das eben vorfiel, den Stein, an den er sich 
eben gestoßen, Rothschild, an dessen Haus er täglich 
vorbeiging, den Bundestag, der auf der Zeil residiert 
und den er ebenfalls an Ort und Stelle hassen konnte, 
endlich alle Gedankenwege führten ihn zu Metternich.
Sein Groll gegen Goethe hatte vielleicht ebenfalls ört-
liche Anfänge; ich sage Anfänge, nicht Ursachen; 
denn wenn auch der Umstand, daß Frankfurt ihre ge-
meinschaftliche Vaterstadt war, Börnes Aufmerksam-
keit zunächst auf Goethe lenkte, so war doch der Haß,
der gegen diesen Mann in ihm brannte und immer lei-
denschaftlicher entloderte, nur die notwendige Folge 
einer tiefen, in der Natur beider Männer begründeten 
Differenz. Hier wirkte keine kleinliche Scheelsucht, 
sondern ein uneigennütziger Widerwille, der angebor-
nen Trieben gehorcht, ein Hader, welcher, alt wie die 
Welt, sich in allen Geschichten des Menschenge-
schlechts kund gibt und am grellsten hervortrat in 
dem Zweikampfe, welchen der judäische Spiritualis-
mus gegen hellenische Lebensherrlichkeit führte, ein 
Zweikampf, der noch immer nicht entschieden ist und 
vielleicht nie ausgekämpft wird: der kleine Nazarener 
haßte den großen Griechen, der noch dazu ein griechi-
scher Gott war.
Das Werk von Wolfgang Menzel war eben erschie-
nen, und Börne freute sich kindisch, daß jemand ge-
kommen sei, der den Mut zeige, so rücksichtslos 
gegen Goethe aufzutreten.
»Der Respekt«, setzte er naiv hinzu, »hat mich 
immer davon abgehalten, dergleichen öffentlich aus-
zusprechen. Der Menzel, der hat Mut, der ist ein ehr-
licher Mann und ein Gelehrter; den müssen Sie ken-
nenlernen, an dem werden wir noch viele Freude erle-
ben; der hat viel Courage, der ist ein grundehrlicher 
Mann und ein großer Gelehrter! An dem Goethe ist 
gar nichts, er ist eine Memme, ein serviler Schmeich-
ler und ein Dilettant.«
Auf dieses Thema kam er oft zurück; ich mußte 
ihm versprechen, in Stuttgart den Menzel zu besu-
chen, und er schrieb mir gleich zu diesem Behufe eine
Empfehlungskarte, und ich höre ihn noch eifrig hinzu-
setzen: »Der hat Mut, außerordentlich viel Courage, 
der ist ein braver, grundehrlicher Mann und ein gro-
ßer Gelehrter!«
Wie in seinen Äußerungen über Goethe, so auch in 
seiner Beurteilung anderer Schriftsteller verriet Börne 
seine nazarenische Beschränktheit. Ich sage nazare-
nisch, um mich weder des Ausdrucks »jüdisch« noch 
»christlich« zu bedienen, obgleich beide Ausdrücke 
für mich synonym sind und von mir nicht gebraucht 
werden, um einen Glauben, sondern um ein Naturell 
zu bezeichnen. »Juden« und »Christen« und für mich 
ganz sinnverwandte Worte im Gegensatz zu »Helle-
nen«, mit welchem Namen ich ebenfalls kein 
bestimmtes Volk, sondern eine sowohl angeborne als 
angebildete Geistesrichtung und Anschauungsweise 
bezeichne. In dieser Beziehung möchte ich sagen: alle
Menschen sind entweder Juden oder Hellenen, Men-
schen mit asketischen, bildfeindlichen, vergeisti-
gungssüchtigen Trieben oder Menschen von lebens-
heiterem, entfaltungsstolzem und realistischem 
Wesen. So gab es Hellenen in deutschen Predigerfa-
milien und Juden, die in Athen geboren und vielleicht 
von Theseus abstammen. Der Bart macht nicht den 
Juden, oder der Zopf macht nicht den Christen, kann 
man hier mit Recht sagen. Börne war ganz Nazarener,
seine Antipathie gegen Goethe ging unmittelbar her-
vor aus seinem nazarenischen Gemüte, seine spätere 
politische Exaltation war begründet in jenem schrof-
fen Asketismus, jenem Durst nach Märtyrtum, der 
überhaupt bei den Republikanern gefunden wird, den 
sie republikanische Tugend nennen und der von der 
Passionssucht der früheren Christen sowenig ver-
schieden ist. In seiner spätern Zeit wendete sich 
Börne sogar zum historischen Christentum, er sank 
fast in den Katholizismus, er fraternisierte mit dem 
Pfaffen Lamennais und verfiel in den widerwärtigsten 
Kapuzinerton, als er sich einst über einen Nachfolger 
Goethes, einen Pantheisten von der heitern Obser-
vanz, öffentlich aussprach. - Psychologisch merkwür-
dig ist die Untersuchung, wie in Börnes Seele 
allmählich das eingeborene Christentum emporstieg, 
nachdem es lange niedergehalten worden von seinem 
scharfen Verstand und seiner Lustigkeit. Ich sage Lu-
stigkeit, gaité, nicht Freude, joie; die Nazarener haben
zuweilen eine gewisse springende gute Laune, eine 
witzige eichkätzchenhafte Munterkeit, gar lieblich ka-
priziös, gar süß, auch glänzend, worauf aber bald eine
starre Gemütsvertrübung folgt: es fehlt ihnen die Ma-
jestät der Genußseligkeit, die nur bei bewußten Göt-
tern gefunden wird.
Ist aber in unserem Sinne kein großer Unterschied 
zwischen Juden und Christen, so existiert dergleichen 
desto herber in der Weltbetrachtung Frankfurter Phili-
ster; über die Mißstände, die sich daraus ergeben, 
sprach Börne sehr viel und sehr oft während den drei 
Tagen, die ich ihm zuliebe in der freien Reichs- und 
Handelsstadt Frankfurt am Main verweilte.
Ja, mit drolliger Güte drang er mir das Versprechen
ab, ihm drei Tage meines Lebens zu schenken, er ließ 
mich nicht mehr von sich, und ich mußte mit ihm in 
der Stadt herumlaufen, allerlei Freunde besuchen, 
auch Freundinnen, z.B. Madame Wohl auf dem Woll-
graben. Diese Madame Wohl auf dem Wollgraben ist 
die bekannte Freiheitsgöttin, an welche späterhin die 
»Briefe aus Paris« adressiert wurden. Ich sah eine ma-
gere Person, deren gelblichweißes, pockennarbiges 
Gesicht einem alten Matzekuchen glich. Trotz ihrem 
Äußern, und obgleich ihre Stimme kreischend war, 
wie eine Türe, die sich auf rostigen Angeln bewegt, so
gefiel mir doch alles, was die Person sagte; sie sprach
nämlich mit großem Enthusiasmus von meinen Wer-
ken. Ich erinnere mich, daß sie ihren Freund in große 
Verlegenheit setzte, als sie ausplaudern wollte, was er
ihr bei unserm Eintritt ins Ohr geflüstert; Börne ward 
rot wie ein Mädchen, als sie, trotz seiner Bitten, mir 
verriet, er habe sich geäußert: mein Besuch sei für ihn
eine größere Ehre, als wenn ihn Goethe besucht hätte.
Wenn ich jetzt bedenke, wie schlecht er schon damals
von Goethe dachte, so darf ich mir jene Äußerung 
nicht als ein allzu großes Kompliment anrechnen.
Über das Verhältnis Börnes zu der erwähnten 
Dame erfuhr ich damals ebensowenig Bestimmtes wie
andere Leute. Auch war es mir gleichgültig, ob jenes 
Verhältnis warm oder kühl, feucht oder trocken war. 
Die böse Welt behauptete, Herr Börne säße bei Ma-
dame Wohl auf dem Wollgraben so recht in der 
Wolle; die ganz böse Welt zischelte, es herrsche zwi-
schen beiden nur eine abstrakte Seelenverbindung, 
ihre Liebe sei platonisch.
Was mich betrifft, so interessiert mich bei ausge-
zeichneten Leuten der Gegenstand ihrer Liebesgefühle
immer weniger als das Gefühl der Liebe selbst. Letz-
teres aber - das weiß ich - muß bei Börne sehr stark 
gewesen sein. Wie später bei der Lektüre seiner 
gesammelten Schriften, so schon in Frankfurt durch 
manche hingeworfene Äußerung merkte ich, daß 
Börne zu verschiedenen Jahrzeiten seines Lebens von 
den Tücken des kleinen Gottes weidlich geplagt wor-
den. Namentlich von den Qualen der Eifersucht weiß 
er viel zu sagen, wie denn überhaupt die Eifersucht in 
seinem Charakter lag und ihn, im Leben wie in der 
Politik, alle Erscheinungen durch die gelbe Lupe des 
Mißtrauens betrachten ließ. Ich erwähnte, daß Börne 
zu verschiedenen Zeiten seines Lebens von Liebeslei-
den heim gesucht worden. -
»Ach«, seufzte er einmal wie aus der Tiefe 
schmerzlicher Erinnerungen, »in spätern Jahren ist 
diese Leidenschaft noch weit gefährlicher als in der 
Jugend. Man sollte es kaum glauben, da sich doch mit
dem Alter auch unsere Vernunft entwickelt hat und 
diese uns unterstützen könnte im Kampfe mit der Lei-
denschaft. Saubere Unterstützung! Merken Sie sich 
das: die Vernunft hilft uns nur jene kleinen Kapricen 
zu bekämpfen, die wir auch ohne ihre Intervention 
bald überwinden würden. Aber sobald sich eine große
wahre Leidenschaft unseres Herzens bemächtigt hat 
und unterdrückt werden soll, wegen des positiven 
Schadens, der uns dadurch bedroht, alsdann gewährt 
uns die Vernunft wenig Hülfe, ja, die Kanaille, sie 
wird alsdann sogar eine Bundesgenossin des Feindes, 
und anstatt unsere materiellen oder moralischen 
Interessen zu vertreten, leiht sie dem Feinde, der Lei-
denschaft, alle ihre Logik, alle ihre Syllogismen, alle 
ihre Sophismen, und dem stummen Wahnsinn liefert 
sie die Waffe des Wortes. Vernünftig, wie sie ist, 
schlägt sich die Vernunft immer zur Partei des Stär-
kern, zur Partei der Leidenschaft, und verläßt sie wie-
der, sobald die Force derselben durch die Gewalt der 
Zeit oder durch das Gesetz der Reaktion gebrochen 
wird. Wie verhöhnt sie alsdann die Gefühle, die sie 
kurz vorher so eifrig rechtfertigte! Mißtrauen Sie, lie-
ber Freund, in der Leidenschaft immer der Sprache 
der Vernunft, und ist die Leidenschaft erloschen, so 
mißtrauen Sie ihr ebenfalls, und seien Sie nicht unge-
recht gegen Ihr Herz!«
Nachdem Börne mir Madame Wohl auf dem Woll-
graben gezeigt, wollte er mich auch die übrigen Merk-
würdigkeiten Frankfurts sehen lassen, und vergnügt, 
im gemütlichsten Hundetrapp, lief er mir zur Seite, 
als wir durch die Straßen wanderten. Ein wunderli-
ches Ansehen gab ihm sein kurzes Mäntelchen und 
sein weißes Hütchen, welches zur Hälfte mit einem 
schwarzen Flor umwickelt war. Der schwarze Flor be-
deutete den Tod seines Vaters, welcher ihn bei Leb-
zeiten sehr knapp gehalten, ihm jetzt aber auf einmal 
viel Geld hinterließ. Börne schien damals die ange-
nehmen Empfindungen solcher Glücksveränderungen 
noch in sich zu tragen und überhaupt im Zenit des 
Wohlbehagens zu stehen. Er klagte sogar über seine 
Gesundheit, d.h. er klagte, er werde täglich gesünder 
und mit der zunehmenden Gesundheit schwänden 
seine geistigen Fähigkeiten. »Ich bin zu gesund und 
kann nichts mehr schreiben«, klagte er im Scherz, 
vielleicht auch im Ernst, denn bei solchen Naturen ist 
das Talent abhängig von gewissen krankhaften Zu-
ständen, von einer gewissen Reizbarkeit, die ihre 
Empfindungs- und Ausdrucksweise steigert und die 
mit der eintretenden Gesundheit wieder verschwindet. 
»Er hat mich bis zur Dummheit kuriert«, sagte Börne 
von seinem Arzte, zu welchem er mich führte und in 
dessen Haus ich auch mit ihm speiste.
Die Gegenstände, womit Börne in zufällige Berüh-
rung kam, gaben seinem Geiste nicht bloß die nächste
Beschäftigung, sondern wirkten auch unmittelbar auf 
die Stimmung seines Geistes, und mit ihrem Wechsel 
stand seine gute oder böse Laune in unmittelbarer 
Verbindung. Wie das Meer von den vorüberziehenden
Wolken, so empfing Börnes Seele die jedesmalige 
Färbung von den Gegenständen, denen er auf seinem 
Weg begegnete. Der Anblick schöner Gartenanlagen 
oder eine Gruppe schäkernder Mägde, die uns entge-
genlachte, warfen gleichsam Rosenlichter über Bör-
nes Seele, und der Widerschein derselben gab sich 
kund in sprühenden Witzen. Als wir aber durch das 
Judenquartier gingen, schienen die schwarzen Häuser 
ihre finstern Schatten in sein Gemüt zu gießen.
»Betrachten Sie diese Gasse«, sprach er seufzend, 
»und rühmen Sie mir alsdann das Mittelalter! Die 
Menschen sind tot, die hier gelebt und geweint haben,
und können nicht widersprechen, wenn unsere ver-
rückten Poeten und noch verrücktern Historiker, wenn
Narren und Schälke von der alten Herrlichkeit ihre 
Entzückungen drucken lassen; aber wo die taten Men-
schen schweigen, da sprechen desto lauter die leben-
digen Steine.«
In der Tat, die Häuser jener Straße sahen mich an, 
als wollten sie mir betrübsame Geschichten erzählen, 
Geschichten, die man wohl weiß, aber nicht wissen 
will oder lieber vergäße, als daß man sie ins Gedächt-
nis zurückriefe. So erinnere ich mich noch eines gie-
belhohen Hauses, dessen Kohlenschwärze um so grel-
ler hervorstach, da unter den Fenstern eine Reihe krei-
deweißer Talglichter hingen; der Eingang, zur Hälfte 
mit rostigen Eisenstangen vergittert, führte in eine 
dunkle Höhle, wo die Feuchtigkeit von den Wänden 
herabzurieseln schien, und aus dem Innern tönte ein 
höchst sonderbarer, näselnder Gesang. Die gebroche-
ne Stimme schien die eines alten Mannes, und die 
Melodie wiegte sich in den sanftesten Klagelauten, 
die allmählich bis zum entsetzlichsten Zorne an-
schwollen. »Was ist das für ein Lied?« frug ich mei-
nen Begleiter. »Es ist ein gutes Lied«, antwortete 
dieser mit einem mürrischen Lachen, »ein lyrisches 
Meisterstück, das im diesjährigen Musenalmanach 
schwerlich seinesgleichen findet... Sie kennen es viel-
leicht in der deutschen Übersetzung: ›Wir saßen an 
den Flüssen Babels, unsere Harfen hingen an den 
Trauerweiden‹ usw. Ein Prachtgedicht! und der alte 
Rabbi Chayim singt es sehr gut mit seiner zittrigen, 
abgemergelten Stimme; die Sontag sänge es vielleicht
mit größerem Wohllaut, aber nicht mit soviel Aus-
druck, mit soviel Gefühl... Denn der alte Mann haßt 
noch immer die Babylonier und weint noch täglich 
über den Untergang Jerusalems durch Nebukadne-
zar... Dieses Unglück kann er gar nicht vergessen, ob-
gleich soviel Neues seitdem passiert ist und noch 
jüngst der zweite Tempel durch Titus, den Bösewicht,
zerstört worden. Ich muß Ihnen nämlich bemerken, 
der alte Rabbi Chayim betrachtet den Titus keines-
wegs als ein delicium generis humani, er hält ihn für 
einen Bösewicht, den auch die Rache Gottes erreicht 
hat... Es ist ihm nämlich eine kleine Mücke in die 
Nase geflogen, die, allmählich wachsend, mit ihren 
Klauen in seinem Gehirn herumwühlte und ihm so 
grenzenlose Schmerzen verursachte, daß er nur dann 
einige Erholung empfand, wenn in seiner Nähe einige 
hundert Schmiede auf ihre Ambosse loshämmerten. 
Das ist sehr merkwürdig, daß alle Feinde der Kinder 
Israel ein so schlechtes Ende nehmen. Wie es dem 
Nebukadnezar gegangen ist, wissen Sie, er ist in sei-
nen alten Tagen ein Ochs geworden und hat Gras 
essen müssen. Sehen Sie den persischen Staatsmini-
ster Haman, ward er nicht am Ende gehenkt zu Susa, 
in der Hauptstadt? Und Antiochus, der König von Sy-
rien, ist er nicht bei lebendigem Leibe verfault, durch 
die Läusesucht? Die spätern Bösewichter, die Juden-
feinde, sollten sich in acht nehmen... Aber was hilft's, 
es schreckt sie nicht ab, das furchtbare Beispiel, und 
dieser Tage habe ich wieder eine Broschüre gegen die 
Juden gelesen, von einem Professor der Philosophie, 
der sich magis amica nennt. Er wird einst Gras essen, 
ein Ochs ist er schon von Natur, vielleicht gar wird er 
mal gehenkt, wenn er die Sultanin Favorite des Kö-
nigs von Flachsenfingen beleidigt, und Läuse hat er 
gewiß auch schon wie der Antiochus. Am liebsten 
wär mir's, er ginge zur See und machte Schiffbruch an
der nordafrikanischen Küste. Ich habe nämlich jüngst 
gelesen, daß die Mahometaner, die dort wohnen, sich 
durch ihre Religion berechtigt glauben, alle Christen, 
die bei ihnen Schiffbruch leiden und in ihre Hände 
fallen, als Sklaven zu behandeln. Sie verteilen unter 
sich diese Unglücklichen und benutzen jeden dersel-
ben nach seinen Fähigkeiten. So hat nun jüngst ein 
Engländer, der jene Küsten bereiste, dort einen deut-
schen Gelehrten gefunden, der Schiffbruch gelitten 
und Sklave geworden, aber zu gar nichts anderem zu 
gebrauchen war, als daß man ihm Eier zum Ausbrü-
ten unterlegte; er gehörte nämlich zur theologischen 
Fakultät. Ich wünsche nun, der Doktor magis amica 
käme in eine solche Lage; wenn er auf seinen Eiern 
drei Wochen unaufstehlich sitzen müßte (sind es En-
teneier, sogar vier Wochen), so kämen ihm gewiß al-
lerlei Gedanken in den Sinn, die ihm bisher nie einge-
fallen, und ich wette, er verwünscht den Glaubensfa-
natismus, der in Europa die Juden und in Afrika die 
Christen herabwürdigt und sogar einen Doktor der 
Theologie bis zur Bruthenne entmenscht... Die Hüh-
ner, die er ausgebrütet, werden sehr tolerant 
schmecken, besonders wenn man sie mit einer Sauce à
la Marengo verzehrt.«
Aus leicht begreiflichen Gründen übergehe ich die 
Bemerkungen, die mein Begleiter in bitterster Fülle 
losließ, als wir auf unserer Wanderung im Weichtilde 
Frankfurts dem Hause vorübergingen, wo der Bun-
destag seine Sitzungen hält. Die Schildwache hielt ihr
Mittagsschläfchen in aufrechter Stellung, und die 
Schwalben, die an den Fliesen der Fenster ihre friedli-
chen Nester gebaut, flogen seelenruhig auf und nieder.
Schwalben bedeuten Glück, behauptete meine Groß-
mutter; sie war sehr abergläubisch.
Von der Ecke der Schnurgasse bis zur Börse muß-
ten wir uns durchdrängen; hier fließt die goldene Ader
der Stadt, hier versammelt sich der edle Handelsstand 
und schachert und mauschelt... Was wir nämlich in 
Norddeutschland Mauscheln nennen, ist nichts anders
als die eigentliche Frankfurter Landessprache, und sie
wird von der unbeschnittenen Population ebenso vor-
trefflich gesprochen wie von der beschnittenen. Börne
sprach diesen Jargon sehr schlecht, obgleich er, eben-
so wie Goethe, den heimatlichen Dialekt nie ganz ver-
leugnen konnte. Ich habe bemerkt, daß Frankfurter, 
die sich von allen Handelsinteressen entfernt hielten, 
am Ende jene Frankfurter Aussprache, die wir, wie 
gesagt, in Norddeutschland Mauscheln nennen, ganz 
verlernten.
Eine Strecke weiter, am Ausgange der Saalgasse, 
erfreuten wir uns einer viel angenehmeren Begegnung.
Wir sahen nämlich einen Rudel Knaben, welche aus 
der Schule kamen, hübsche Jungen mit rosigen Ge-
sichtchen, einen Pack Bücher unterm Arm.
»Weit mehr Respekt«, rief Börne, »weit mehr Re-
spekt habe ich für diese Buben als für ihre erwachse-
nen Väter. Jener Kleine mit der hohen Stirn denkt 
vielleicht jetzt an den zweiten Punischen Krieg, und 
er ist begeistert für Hannibal, und als man ihm heute 
erzählte, wie der große Karthager schon als Knabe 
den Römern Rache schwur..., ich wette, da hat sein 
kleines Herz mitgeschworen... Haß und Untergang 
dem bösen Rom! Halte deinen Eid, mein kleiner Waf-
fenbruder. Ich möchte ihn küssen, den vortrefflichen 
Jungen! Der andere Kleine, der so pfiffig hübsch aus-
sieht, denkt vielleicht an den Mithridates und möchte 
ihn einst nachahmen... Das ist auch gut, ganz gut, und
du bist mir willkommen. Aber, Bursche, wirst du 
auch Gift schlucken können, wie der alte König des 
Pontus? Übe dich frühzeitig. Wer mit Rom Krieg füh-
ren will, muß alle möglichen Gifte vertragen können, 
nicht bloß plumpen Arsenik, sondern auch einschlä-
ferndes phantastisches Opium und gar das schleichen-
de Aquatofana der Verleumdung! Wie gefällt Ihnen 
der Knabe, der so lange Beine hat und ein so unzu-
frieden aufgestülptes Näschen? Den jückt es viel-
leicht, ein Catilina zu werden, er hat auch lange Fin-
ger, und er wird einmal den Ciceros unserer Republik,
den gepuderten Vätern des Vaterlandes, eine Gelegen-
heit geben, sich mit langen schlechten Reden zu bla-
mieren. Der dort, der arme kränkliche Bub, möchte 
gewiß weit lieber die Rolle des Brutus spielen... 
Armer Junge, du wirst keinen Cäsar finden und mußt 
dich begnügen, einige alte Perücken mit Worten zu 
erstechen, und wirst dich endlich nicht in dein 
Schwert, sondern in die Schellingsche Philosophie 
stürzen und verrückt werden! Ich habe Respekt für 
diese Kleinen, die sich den ganzen Tag für die hoch-
herzigsten Geschichten der Menschheit interessieren, 
während ihre Väter nur für das Steigen oder Fallen 
der Staatspapiere Interesse fühlen und an 
Kaffeebohnen und Cochenille und Manufakturwaren 
denken! Ich hätte nicht übel Lust, dem kleinen Brutus
dort eine Tüte mit Zuckerkringeln zu kaufen... Nein, 
ich will ihm lieber Branntewein zu trinken geben, 
damit er klein bleibe... Nur solange wir klein sind, 
sind wir ganz uneigennützig, ganz heldenmütig, ganz 
heroisch... Mit dem wachsenden Leib schrumpft die 
Seele immer mehr ein... Ich fühle es an mir selber... 
Ach, ich bin ein großer Mann gewesen, als ich noch 
ein kleiner Junge war!«
Als wir über den Römerberg kamen, wollte Börne 
mich in die alte Kaiserburg hinaufführen, um dort die 
Goldene Bulle zu betrachten.
»Ich habe sie noch nie gesehen«, seufzte er, »und 
seit meiner Kindheit hegte ich immer eine geheime 
Sehnsucht nach dieser Goldnen Bulle. Als Knabe 
machte ich mir die wunderlichste Vorstellung davon, 
und ich hielt sie für eine Kuh mit goldnen Hörnern; 
später bildete ich mir ein, es sei ein Kalb, und erst als 
ich ein großer Junge ward, erfuhr ich die Wahrheit, 
daß sie nämlich nur eine alte Haut sei, ein nichtsnüt-
zig Stück Pergament, worauf geschrieben steht, wie 
Kaiser und Reich sich einander wechselseitig verkauf-
ten. Nein, laßt uns diesen miserablen Kontrakt, wo-
durch Deutschland zugrunde ging, nicht betrachten; 
ich will sterben, ohne die Goldne Bulle gesehen zu 
haben.«
Ich übergehe hier ebenfalls die bitteren Nachbe-
merkungen. Es gab ein Thema, das man nur zu berüh-
ren brauchte, um die wildesten und schmerzlichsten 
Gedanken, die in Börnes Seele lauerten, hervorzuru-
fen; dieses Thema war Deutschland und der politische
Zustand des deutschen Volkes. Börne war Patriot 
vom Wirbel bis zur Zehe, und das Vaterland war 
seine ganze Liebe.
Als wir denselben Abend wieder durch die Juden-
gasse gingen und das Gespräch über die Insassen 
derselben wieder anknüpften, sprudelte die Quelle des
Börneschen Geistes um so heiterer, da auch jene Stra-
ße, die am Tage einen düsteren Anblick gewährte, 
jetzt aufs fröhlichste illuminiert war und die Kinder 
Israel an jenem Abend, wie mir mein Cicerone erklär-
te, ihr lustiges Lampenfest feierten. Dieses ist einst 
gestiftet worden zum ewigen Andenken an den Sieg, 
den die Makkabäer über den König von Syrien so hel-
denmütig erfochten haben.
»Sehen Sie«, sagte Börne, »das ist der achtzehnte 
Oktober der Juden, nur daß dieser makkabäische acht-
zehnte Oktober mehr als zwei Jahrtausende alt ist und
noch immer gefeiert wird, statt daß der Leipziger 
achtzehnte Oktober noch nicht das funfzehnte Jahr er-
reicht hat und bereits in Vergessenheit geraten. Die 
Deutschen sollten bei der alten Madame Rothschild in
die Schule gehen, um Patriotismus zu lernen. Sehen 
Sie hier, in diesem kleinen Hause wohnt die alte Frau,
die Lätitia, die so viele Finanzbonaparten geboren 
hat, die große Mutter aller Anleihen, die aber trotz der
Weltherrschaft ihrer königlichen Söhne noch immer 
ihr kleines Stammschlößchen in der Judengasse nicht 
verlassen will und heute wegen des großen Freudenfe-
stes ihre Fenster mit weißen Vorhängen geziert hat. 
Wie vergnügt funkeln die Lämpchen, die sie mit eige-
nen Händen anzündete, um jenen Siegestag zu feiern, 
wo Judas Makkabäus und seine Brüder ebenso tapfer 
und heldenmütig das Vaterland befreiten wie in un-
sern Tagen Friedrich Wilhelm, Alexander und Franz 
II. Wenn die gute Frau diese Lämpchen betrachtet, 
treten ihr die Tränen in die alten Augen, und sie erin-
nert sich mit wehmütiger Wonne jener jüngeren Zeit, 
wo der selige Mayer Amschel Rothschild, ihr teurer 
Gatte, das Lampenfest mit ihr feierte und ihre Söhne 
noch kleine Bübchen waren und kleine Lichtchen auf 
den Boden pflanzten und in kindischer Lust darüber 
hin und her sprangen, wie es Brauch und Sitte ist in 
Israel!
Der alte Rothschild«, fuhr Börne fort, »der Stamm-
vater der regierenden Dynastie, war ein braver Mann, 
die Frömmigkeit und Gutherzigkeit selbst. Es war ein 
mildtätiges Gesicht mit einem spitzigen Bärtchen, auf
dem Kopf ein dreieckig gehörnter Hut und die Klei-
dung mehr als bescheiden, fast ärmlich. So ging er in 
Frankfurt herum, und beständig umgab ihn, wie ein 
Hofstaat, ein Haufen armer Leute, denen er Almosen 
erteilte oder mit gutem Rat zusprach; wenn man auf 
der Straße eine Reihe von Bettlern antraf mit getröste-
ten und vergnügten Mienen, so wußte man, daß hier 
eben der alte Rothschild seinen Durchzug gehalten. 
Als ich noch ein kleines Bübchen war und eines Frei-
tags abends mit meinem Vater durch die Judengasse 
ging, begegneten wir dem alten Rothschild, welcher 
eben aus der Synagoge kam; ich erinnere mich, daß 
er, nachdem er mit meinem Vater gesprochen, auch 
mir einige liebreiche Worte sagte und daß er endlich 
die Hand auf meinen Kopf legte, um mich zu segnen. 
Ich bin fest überzeugt, diesem Rothschildschen Segen
verdanke ich es, daß späterhin, obgleich ich ein deut-
scher Schriftsteller wurde, doch niemals das bare 
Geld in meiner Tasche ganz ausging.«
Ich kann nicht umhin, hier die Zwischenbemerkung
einzuschalten, daß Börne immer im behaglichen 
Wohlstande lebte und sein späterer Ultraliberalismus 
keineswegs, wie bei vielen Patrioten, dem verbissenen
Ingrimm der eigenen Armut beizumessen war. Ob-
gleich er selber reich war, ich sage reich nach dem 
Maßstabe seiner Bedürfnisse, so hegte er doch einen 
unergründlichen Groll gegen die Reichen. Obgleich 
der Segen des Vaters auf seinem Haupte ruhte, so 
hafte er doch die Söhne, Mayer Amsel Rothschilds 
Söhne.
Wieweit die persönlichen Eigenschaften dieser 
Männer zu jenem Hasse berechtigen, will ich hier 
nicht untersuchen; es wird an einem anderen Orte aus-
führlich geschoben. Hier möchte ich nur der Bemer-
kung Raum geben, daß unsere deutschen Freiheitspre-
diger ebenso ungerecht wie töricht handeln, wenn sie 
das Haus Rothschild wegen seiner politischen Bedeu-
tung, wegen seiner Einwirkung auf die Interessen der 
Revolution, kurz, wegen seines öffentlichen Charak-
ters mit soviel Grimm und Blutgier anfeinden. Es gibt
keine stärkere Beförderer der Revolution als eben die 
Rothschilde... und, was noch befremdlicher klingen 
mag, diese Rothschilde, die Bankiers der Könige, 
diese fürstlichen Säckelmeister, deren Existenz durch 
einen Umsturz des europäischen Staatensystems in die
ernsthaftesten Gefahren geraten dürfte, sie tragen den-
noch im Gemüte das Bewußtsein ihrer revolutionären 
Sendung. Namentlich ist dieses der Fall bei dem 
Manne, der unter dem scheinlosen Namen Baron 
James bekannt ist und in welchem sich jetzt, nach 
dem Tode seines erlauchten Bruders von England, die
ganze politische Bedeutung des Hauses Rothschild 
resümiert. Dieser Nero der Finanz, der sich in der Rue
Laffitte seinen goldenen Palast erbauet hat und von 
dort aus als unumschränkter Imperator die Börsen be-
herrscht, er ist, wie weiland sein Vorgänger, der 
römische Nero, am Ende ein gewaltsamer Zerstörer 
des bevorrechteten Patriziertums und Begründer der 
neuen Demokratie. Einst, vor mehren Jahren, als er in 
guter Laune war und wir Arm in Arm, ganz famillio-
när, wie Hirsch Hyazinth sagen würde, in den Straßen
von Paris umherflanierten, setzte mir Baron James 
ziemlich klar auseinander, wie eben er selber, durch 
sein Staatspapierensystem, für den gesellschaftlichen 
Fortschritt in Europa überall die ersten Bedingnisse 
erfüllt, gleichsam Bahn gebrochen habe.
»Zu jeder Begründung einer neuen Ordnung von 
Dingen« - sagte er mir - »gehört ein Zusammenfluß 
von bedeutenden Menschen, die sich mit diesen Din-
gen gemeinsam zu beschäftigen haben. Dergleichen 
Menschen lebten ehemals vom Ertrag ihrer Güter oder
ihres Amtes und waren deshalb nie ganz frei, sondern 
immer an einen entfernten Grundbesitz oder an ir-
gendeine örtliche Amtsverwaltung gefesselt; jetzt aber
gewährt das Staatspapierensystem diesen Menschen 
die Freiheit, jeden beliebigen Aufenthalt zu wählen, 
überall können sie von den Zinsen ihrer Staatspapie-
re, ihres portativen Vermögens, geschäftlos leben, 
und sie ziehen sich zusammen und bilden die eigentli-
che Macht der Hauptstädte. Von welcher Wichtigkeit 
aber eine solche Residenz der verschiedenartigsten 
Kräfte, eine solche Zentralisation der Intelligenzen 
und sozialen Autoritäten, das ist hinlänglich bekannt. 
Ohne Paris hätte Frankreich nie seine Revolution ge-
macht; hier hatten so viele ausgezeichnete Geister 
Weg und Mittel gefunden, eine mehr oder minder 
sorglose Existenz zu führen, miteinander zu verkehren
und so weiter. Jahrhunderte haben in Paris einen sol-
chen günstigen Zustand allmählich herbeigeführt. 
Durch das Rentensystem wäre Paris weit schneller 
Paris geworden, und die Deutschen, die gern eine ähn-
liche Hauptstadt hätten, sollten nicht über das Ren-
tensystem klagen: es zentralisiert, es macht vielen 
Leuten möglich, an einem selbstgewählten Orte zu 
leben und von dort aus der Menschheit jeden nützli-
chen Impuls zu geben...«
Von diesem Standpunkte aus betrachtet Rothschild 
die Resultate seines Schaffens und Treibens. Ich bin 
mit dieser Ansicht ganz einverstanden, ja ich gehe 
noch weiter, und ich sehe in Rothschild einen der 
größten Revolutionäre, welche die moderne Demokra-
tie begründeten. Richelieu, Robespierre und Roth-
schild sind für mich drei terroristische Namen, und sie
bedeuten die graduelle Vernichtung der alten Aristo-
kratie. Richelieu, Robespierre und Rothschild sind die
drei furchtbarsten Nivelleurs Europas. Richelieu zer-
störte die Souveränität des Feudaladels und beugte 
ihn unter jene königliche Willkür, die ihn entweder 
durch Hofdienst herabwürdigte oder durch krautjun-
kerliche Untätigkeit in der Provinz vermodern ließ. 
Robespierre schlug diesem unterwürfigen und faulen 
Adel endlich das Haupt ab. Aber der Boden blieb, 
und der neue Herr desselben, der neue Gutsbesitzer, 
ward ganz wieder ein Aristokrat, wie seine Vorgän-
ger, deren Prätensionen er unter anderem Namen fort-
setzte. Da kam Rothschild und zerstörte die Oberherr-
schaft des Bodens, indem er das Staatspapierensystem
zur höchsten Macht emporhob, dadurch die großen 
Besitztümer und Einkünfte mobilisierte und gleich-
sam das Geld mit den ehemaligen Vorrechten des Bo-
dens belehnte. Er stiftete freilich dadurch eine neue 
Aristokratie, aber diese, beruhend auf dem unzuver-
lässigsten Elemente, auf dem Gelde, kann nimmer-
mehr so nachhaltig mißwirken wie die ehemalige Ari-
stokratie, die im Boden, in der Erde selber, wurzelte. 
Geld ist flüssiger als Wasser, windiger als Luft, und 
dem jetzigen Geldadel verzeiht man gern seine Imper-
tinenzen, wenn man seine Vergänglichkeit bedenkt... 
er zerrinnt und verdunstet, ehe man sich dessen ver-
sieht.
Indem ich oben die Namen Richelieu, Robespierre 
und Rothschild zusammenstellte, drängte sich mir die 
Bemerkung auf, daß diese drei größten Terroristen 
noch mancherlei andere Ähnlichkeiten bieten. Sie 
haben zum Beispiel miteinander gemein eine gewisse 
unnatürliche Liebe zur Poesie: Richelieu schrieb 
schlechte Tragödien, Robespierre machte erbärmliche 
Madrigale, und James Rothschild, wenn er lustig 
wird, fängt er an zu reimen...
Doch das gehört nicht hierher, diese Blätter haben 
sich zunächst mit einem kleineren Revolutionär, mit 
Ludwig Börne, zu beschäftigen. Dieser hegte, wie wir
mit Bedauern bemerken, den höchsten Haß gegen die 
Rothschilde, und in seinem Gespräche, als wir zu 
Frankfurt dem Stammhause derselben vorübergingen, 
äußerte sich jener Haß bereits ebenso grell und giftig 
wie in seinen späteren Pariser Briefen. Nichtsdesto-
weniger ließ er doch den persönlichen Eigenschaften 
dieser Leute manche Gerechtigkeit widerfahren, und 
er gestand mir ganz naiv, daß er sie nur hassen könne,
daß es ihm aber trotz aller Mühe nicht möglich sei, 
sie verächtlich oder gar lächerlich zu finden.
»Denn sehen Sie« - sprach er -, »die Rothschilde 
haben so viel Geld, eine solche Unmasse von Geld, 
daß sie uns einen fast grauenhaften Respekt einflö-
ßen; sie identifizierten sich sozusagen mit dem Be-
griff des Geldes überhaupt, und Geld kann man nicht 
verachten. Auch haben diese Leute das sicherste Mit-
tel angewendet, um jenem Ridikül zu entgehen, dem 
so manche andere baronisierte Millionärenfamilien 
des Alten Testaments verfallen sind: sie enthalten sich
des christlichen Weihwassers. Die Taufe ist jetzt bei 
den reichen Juden an der Tagesordnung, und das 
Evangelium, das den Armen Judäas vergebens 
gepredigt worden, ist jetzt in floribus bei den Rei-
chen. Aber da die Annahme desselben nur Selbstbe-
trug, wo nicht gar Lüge ist und das angeheuchelte 
Christentum mit dem alten Adam bisweilen recht grell
kontrastiert, so geben diese Leute dem Witze und dem
Spotte die bedenklichsten Blößen. Oder glauben Sie, 
daß durch die Taufe die innere Natur ganz verändert 
worden? Glauben Sie, daß man Läuse in Flöhe ver-
wandeln kann, wenn man sie mit Wasser begießt?«
»Ich glaube nicht.«
»Ich glaub's auch nicht, und ein ebenso melancholi-
scher wie lächerlicher Anblick ist es für mich, wenn 
die alten Läuse, die noch aus Ägypten stammen, aus 
der Zeit der pharaonischen Plage, sich plötzlich ein-
bilden, sie wären Flöhe, und christlich zu hüpfen be-
ginnen. In Berlin habe ich auf der Straße alte Töchter 
Israels gesehen, die am Halse lange Kreuze trugen, 
Kreuze, die noch länger als ihre Nasen und bis an den
Nabel reichten; in den Händen hielten sie ein evange-
lisches Gesangbuch, und sie sprachen von der prächti-
gen Predigt, die sie eben in der Dreifaltigkeitskirche 
gehört. Die eine frug die andere, bei wem sie das hei-
lige Abendmahl genommen, und beide rochen dabei 
aus dem Halse. Widerwärtiger war mir noch der An-
blick von schmutzigen Bartjuden, die aus ihren polni-
schen Kloaken kamen, von der Bekehrungsgesell-
schaft in Berlin für den Himmel angeworben wurden 
und in ihrem mundfaulen Dialekte das Christentum 
predigten und so entsetzlich dabei stanken. Es wäre 
jedenfalls wünschenswert, wenn man dergleichen pol-
nisches Läusevolk nicht mit gewöhnlichem Wasser, 
sondern mit Eau de Cologne taufen ließe.«
»Im Hause des Gehängten«, unterbrach ich diese 
Rede, »muß man nicht von Stricken sprechen, lieber 
Doktor, sagen Sie mir vielmehr: wo sind jetzt die gro-
ßen Ochsen, die, wie mein Vater mir einst erzählte, 
auf dem jüdischen Kirchhofe hier zu Frankfurt herum-
liefen und in der Nacht so entsetzlich brüllten, daß die
Ruhe der Nachbarn dadurch gestört wurde?«
»Ihr Herr Vater«, rief Börne lachend, »hat Ihnen in 
der Tat keine Unwahrheit gesagt. Es existierte früher-
hin der Gebrauch, daß die jüdischen Viehhändler die 
männliche Erstgeburt ihrer Kühe nach biblischer Vor-
schrift dem lieben Gotte widmeten und in dieser Ab-
sicht, aus allen Gegenden Deutschlands, hierher nach 
Frankfurt brachten, wo man jenen Ochsen Gottes den 
jüdischen Kirchhof zum Grasen anwies und wo sie 
bis an ihr seliges Ende sich herumtrieben und wirk-
lich oft entsetzlich brüllten. Aber die alten Ochsen 
sind jetzt tot, und das heutige Rindvieh hat nicht mehr
den rechten Glauben, und ihre Erstgeburten bleiben 
ruhig daheim, wenn sie nicht gar zum Christentume 
übergehen. Die alten Ochsen sind tot.«
Ich kann nicht umhin, bei dieser Gelegenheit zu 
erwähnen, daß mich, Börne während meines Aufent-
halts in Frankfurt einlud, bei einem seiner Freunde zu 
Mittag zu speisen, und zwar weil derselbe, in getreuer
Beharrnis an jüdischen Gebräuchen, mir die berühmte
Schaletspeise vorsetzen werde; und in der Tat, ich er-
freute mich dort jenes Gerichtes, das vielleicht noch 
ägyptischen Ursprungs und alt wie die Pyramiden ist. 
Ich wundre mich, daß Börne späterhin, als er schein-
bar in humoristischer Laune, in der Tat aber aus ple-
bejischer Absicht, durch mancherlei Erfindungen und 
Insinuationen, wie gegen Kronenträger überhaupt, so 
auch gegen ein gekröntes Dichterhaupt den Pöbel ver-
hetzte... ich wundre mich, daß er in seinen Schriften 
nie erzählt hat, mit welchem Appetit, mit welchem 
Enthusiasmus, mit welcher Andacht, mit welcher 
Überzeugung ich einst beim Doktor Se das altjüdi-
sche Schaletessen verzehrt habe! Dieses Gericht ist 
aber auch ganz vortrefflich, und es ist schmerzlichst 
zu bedauern, daß die christliche Kirche, die dem alten
Judentume soviel Gutes entlehnte, nicht auch den 
Schalet adoptiert habe. Vielleicht hat sie sich dieses 
für die Zukunft noch vorbehalten, und wenn es ihr 
mal ganz schlecht geht, wenn ihre heiligsten Symbole,
sogar das Kreuz, seine Kraft verloren, greift die 
christliche Kirche zum Schaletessen, und die ent-
wischten Völker werden sich wieder mit neuem Appe-
tit in ihren Schoß hineindrängen. Die Juden 
wenigstens werden sich alsdann auch mit Überzeu-
gung dem Christentume anschließen... denn, wie ich 
klar einsehe, es ist nur der Schalet, der sie zusammen-
hält in ihrem alten Bunde. Börne versicherte mir 
sogar, daß die Abtrünnigen, welche zum neuen Bunde
übergegangen, nur den Schalet zu riechen brauchen, 
um ein gewisses Heimweh nach der Synagoge zu 
empfinden, daß der Schalet sozusagen der Kuhreigen 
der Juden sei.
Auch nach Bornheim sind wir miteinander hinaus-
gefahren, am Sabbat, um dort Kaffee zu trinken und 
die Töchter Israels zu betrachten... Es waren schöne 
Mädchen und rochen nach Schalet, allerliebst. Börne 
zwinkerte mit den Augen. In diesem geheimnisvollen 
Zwinkern, in diesem unsicher lüsternen Zwinkern, das
sich vor der innern Stimme fürchtet, lag die ganze 
Verschiedenheit unserer Gefühlsweise. Börne nämlich
war, wenn auch nicht in seinen Gedanken, doch desto 
mehr in seinen Gefühlen, ein Sklave der nazareni-
schen Abstinenz; und wie es allen Leuten seinesglei-
chen geht, die zwar die sinnliche Enthaltsamkeit als 
höchste Tugend anerkennen, aber nicht vollständig 
ausüben können, so wagte er es nur im verborgenen, 
zitternd und errötend, wie ein genäschiger Knabe, von
Evas verbotenen Äpfeln zu kosten. Ich weiß nicht, ob 
bei diesen Leuten der Genuß intensiver ist als bei uns,
die wir dabei den Reiz des geheimen Unterschleifs, 
der moralischen Konterbande, entbehren; behauptet 
man doch, daß Mahomet seinen Türken den Wein 
verboten hat, damit er ihnen desto süßer schmecke.
In großer Gesellschaft war Börne wortkarg und 
einsilbig, und dem Fluß der Rede überließ er sich nur 
im Zwiegespräch, wenn er glaubte, sich neben einem 
gleichgesinnten Menschen zu befinden. Daß Börne 
mich für einen solchen ansah, war ein Irrtum, der spä-
terhin für mich sehr viele Verdrießlichkeiten zur 
Folge hatte. Schon damals in Frankfurt harmonierten 
wir nur im Gebiete der Politik, keineswegs in den Ge-
bieten der Philosophie oder der Kunst oder der Natur 
- die ihm sämtlich verschlossen waren. Vielleicht ent-
fallen mir späterhin in dieser Beziehung einige cha-
rakteristische Züge. Wir waren überhaupt von entge-
gengesetztem Wesen, und diese Verschiedenheit wur-
zelte am Ende vielleicht nicht bloß in unserer morali-
schen, sondern auch physischen Natur.
Es gibt im Grunde nur zwei Menschensorten, die 
mageren und die fetten, oder vielmehr Menschen, die 
immer dünner werden, und solche, die aus schmächti-
gen Anfängen allmählich zur ründlichsten Korpulenz 
übergehen. Die ersteren sind eben die gefährliche 
Sorte, die Cäsar so sehr fürchtete - »ich wollte, er 
wäre fetter«, sagt er von Cassius. Brutus war von 
einer ganz anderen Sorte, und ich bin überzeugt, wenn
er nicht die Schlacht bei Philippi verloren und sich 
bei dieser Gelegenheit erstochen hätte, wäre er ebenso
dick geworden wie der Schreiber dieser Blätter. - 
»Und Brutus war ein braver Mann.«
Da ich hier an Shakespeare erinnert werde, so er-
greife ich die Gelegenheit, mich für eine alte Lesart zu
erklären, die den Hamlet »fett« nennt. - Bedauerns-
würdiger Prinz von Dänemark! die Natur hatte dich 
dazu bestimmt, in glücklichster Wohlbeleibtheit deine
Tage zu verschlendern, und da fällt auf einmal die 
Welt aus ihren Angeln, und du sollst sie wieder ein-
rahmen! Armer dicker Dänenprinz! ---
Die drei Tage, welche ich in Frankfurt in Börnes 
Gesellschaft zubrachte, verflossen in fast idyllischer 
Friedsamkeit. Er bestrebte sich angelegentlichst, mir 
zu gefallen. Er ließ die Raketen seines Witzes so hei-
ter als möglich aufleuchten, und wie bei chinesischen 
Feuerwerken am Ende der Feuerwerker selbst unter 
sprühendem Flammengeprassel in die Luft steigt, so 
schlossen die humoristischen Reden des Mannes 
immer mit einem tollen Brillantfeuer, worin er sich 
selbst aufs keckste preisgab. Er war harmlos wie ein 
Kind. Bis zum letzten Augenblick meines Aufenthalts
in Frankfurt lief er gemütlich neben mir einher, mir an
den Augen ablauschend, ob er mir vielleicht noch ir-
gendeine Liebe erweisen könne. Er wußte, daß ich auf
Veranlassung des alten Baron Cotta nach München 
reiste, um dort die Redaktion der »Politischen 
Annalen« zu übernehmen und auch einigen 
projektierten literarischen Instituten meine Tätigkeit 
zu widmen. Es galt damals, für die liberale Presse 
jene Organe zu schaffen, die späterhin so heilsamen 
Einfluß üben könnten; es galt, die Zukunft zu säen, 
eine Aussaat, für welche in der Gegenwart nur die 
Feinde Augen hatten, so daß der arme Sämann schon 
gleich nur Ärger und Schmähung einerntete. Männig-
lich bekannt sind die giftigen Jämmerlichkeiten, wel-
che die ultramontane aristokratische Propaganda in 
München gegen mich und meine Freunde ausübte.
»Hüten Sie sich, in München mit den Pfaffen zu 
kollidieren«, waren die letzten Worte, welche mir 
Börne beim Abschied ins Ohr flüsterte. Als ich schon 
im Coupé des Postwagens saß, blickte er mir noch 
lange nach, wehmütig wie ein alter Seemann, der sich 
aufs feste Land zurückgezogen hat und sich von Mit-
leid bewegt fühlt, wenn er einen jungen Fant sieht, der
sich zum ersten Male aufs Meer begibt... Der Alte 
glaubte damals, dem tückischen Elemente auf ewig 
Valet gesagt zu haben und den Rest seiner Tage im 
sichern Hafen beschließen zu können! Armer Mann! 
Die Götter wollten ihm diese Ruhe nicht gönnen! Er 
mußte bald wieder hinaus auf die hohe See, und dort 
begegneten sich unsere Schiffe, während jener furcht-
bare Sturm wütete, worin er zugrunde ging. Wie das 
heulte! wie das krachte! Beim Licht der gelben Blitze,
die aus dem schwarzen Gewölk herabschossen, konn-
te ich genau sehen, wie Mut und Sorge auf dem Ge-
sichte des Mannes schmerzlich wechselten! Er stand 
am Steuer seines Schiffes und trotzte dem Ungestüm 
der Wellen, die ihn manchmal zu verschlingen droh-
ten, manchmal ihn nur kleinlich bespritzten und 
durchnäßten, was einen so kummervollen und zu-
gleich komischen Anblick gewährte, daß man darüber
weinen und lachen konnte. Armer Mann! Sein Schiff 
war ohne Anker und sein Herz ohne Hoffnung... Ich 
sah, wie der Mast brach, wie die Winde das Tauwerk 
zerrissen... Ich sah, wie er die Hand nach mir aus-
streckte...
Ich durfte sie nicht erfassen, ich durfte die kostbare 
Ladung, die heiligen Schätze, die mir vertraut, nicht 
dem sicheren Verderben preisgeben... Ich trug an 
Bord meines Schiffes die Götter der Zukunft.

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